Proposte 2010

Branchenoptimismus am Comer See

Trotz Dauerregen war die Stimmung am Comer See wesentlich zuversichtlicher als im letzten Jahr. Das schlug sich auch in der fröhlichen Farbpalette nieder. Optisch und haptisch setzten die Hersteller von Möbel- und Dekorationsstoffen auf Naturfasern und Handarbeitsoptiken. Vermisst wurden die Kunden aus der Industrie. von Birgit Genz

Schlechtes Wetter, gute Stimmung: Der strömende Dauerregen trieb die Besucher der diesjährigen Proposte regelrecht auf die Stände. Insgesamt 103 handverlesene europäische Hersteller von Deko- und Polsterstoffen waren nach Cernobbio am Comer See gereist, um vom 5. bis zum 7. Mai in der Villa Erba ihre neuen Stoffkreationen zu zeigen. Etwa die Hälfte der Aussteller kamen aus Italien, die meisten anderen aus dem europäischen Ausland. Mit Delius, Müller-Zell, Gebr. Munzert und Pongs waren vier deutsche Anbieter vertreten.

"Die obere Entscheidungsebene ist hier und macht die Proposte sehr interessant", urteilte Delius-Vertriebschef Gerd Kramer. Auch bei Pongs zeigte man sich zufrieden: "Einen ersten Messetag wie den Mittwoch habe ich in meinen elf Jahren bei Pongs selten erlebt", so Geschäftsführer Gunnar Pongs, der die relative Ruhe am Donnerstag genoss.

Vermisst: deutsche Industriekunden

Offenbar hatten die wichtigsten Entscheider und Einkäufer den Weg nach Cernobbio gefunden; allerdings vermissten viele Aussteller die Industriekunden aus Deutschland. "Und das, obwohl die Proposte normalerweise die Industrie-Messe schlechthin ist", kommentierte Munzert-Vertriebsleiterin Kerstin Baron-Breunig. Der Grund für das Fernbleiben: Erstmals hatten die oberfränkischen Polsterhersteller ihre Hausmessen zeitgleich zur Proposte gelegt, außerdem hatte gerade eine Woche vorher die westfälische Möbelmesse M.O.W. stattgefunden.

Trotzdem stellten die 573 deutschen Proposte-Gäste nach den Italienern die größte Gruppe. Insgesamt war die Besucherzahl leicht zurückgegangen: Die Aschewolke des isländischen Vulkans wirkte sich auf den Flugverkehr aus. Wegen der desolaten Wirtschaftslage sind vor allem Besucher aus Griechenland und Portugal weggeblieben, aber auch bei den Niederlanden, China und Indien gab es starke Rückgänge. Dafür kamen deutlich mehr Interessenten aus den USA, Russland, Saudi-Arabien und sogar dem Libanon. Der Großhandel stellte mit gut einem Drittel die stärkste Fraktion.

Die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen sind noch lange nicht vorbei, darüber war man sich auf der Messe einig. Immerhin geben die Ergebnisse des ersten Quartals 2010 den Textilherstellern die Hoffnung, dass zumindest die Talsohle durchschritten ist: Die Auftragslage ist bei vielen Unternehmen besser als noch vor einem Jahr.

Märkte wie Großbritannien und die USA ziehen langsam wieder an. "Asien ist noch verhalten, Russland schwach. Der skandinavische Markt wird besser", ergänzt Munzert-Geschäftsführer Claus Munzert. Und: Der Dollarkurs steht günstig für den Export deutscher Produkte.

Steigende Rohstoffpreise

Um Preiserhöhungen wird die Branche aber wohl nicht herumkommen, obwohl allgemein noch keine Entscheidungen gefallen sind. Die Rohstoffe sind sehr viel teurer geworden. Allein der Preis für Rohbaumwolle hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt - aufgrund der starken Nachfrage aus China, schlechter Ernteaussichten und der Bebauung ehemaliger Baumwollfelder mit alternativen Agrarprodukten. Hinzu kommt der Exportstopp für indische Baumwolle. Auch Acrylfasern sind deutlich im Preis gestiegen.

Frische Töne in 3-D

Die Farbigkeit ist in diesem Jahr sehr intensiv: Frische Grüntöne, Limone, Senf, Türkis und Blau in allen Schattierungen gesellen sich zu den nach wie vor angesagten Beeren- und Naturtönen. Pink-Fuchsia-Cyclam findet man als Grund- wie auch als Spielfarbe. Nicht fehlen dürfen die Klassiker Grau, Schwarz und Weiß.

Bei den Mustern überwiegen neben Streifen und geometrischen Motiven vor allem Handarbeitsoptiken und große florale Dessins. Die Stoffe wirken ausgesprochen plastisch durch grobe und feine Strukturen wie Waffelmuster, bis hin zu extremen Hoch- Tief- Effekten. Außerdem aktuell: leichter, dezenter Glanz.

"Ganz steif" präsentierte sich Lodetex - mit Ausbrennern auf versteiftem Gewebe und versteiften Blackouts oder Drehergewebe für Rollos und Paneele. Bei Munzert fiel ein Webstoff ins Auge, der an Schlangenleder erinnerte. Daneben zeigten die Franken verschiedene Handarbeitsoptiken: grobe Zopfmuster-Strickeffekte sowie einen Jacquard in Filet-Häkeloptik. Durch die dunkle Kette und den hellen Schuss wirkt das Gewebe besonders plastisch; Chenillegarne verstärken den Hoch-Tief-Effekt. Stickereien mit Fantasie- und Metallgarnen setzen Glanzlichter, plissierte oder geschrumpfte Stoffe sorgen für voluminöse Dekorationen.

Naturlook und Nachhaltigkeit

Bei den Materialien standen Naturfasern im Mittelpunkt: Baumwolle, Seide, Wolle, Cashmere, Leinen oder Hanf, auch Kombinationen aus Cellulose und Baumwolle oder Papier mit Chenille. Für den Objektbereich: Trevira-CS-Gewebe mit Leinen- oder Papiercharakter. Der Trend zu den von der Natur inspirierten Oberflächenstrukturen setzt sich fort.

Ökologie und Nachhaltigkeit wurden auch in Cernobbio großgeschrieben. Der niederländische Velours-Spezialist Raymakers bietet seinen Baumwollsamt Green aus 100 % Organic Cotton in 35 Farben an. Und Conjugi Eger hat die Farbpalette seiner Öko-Kollektion Bene um aktuelle Colorits erweitert. Die Stoffe aus Bio-Baumwolle und -Leinen sind pestizidfrei. Daneben zeigten die Italiener neue Fasermischungen, etwa ein besonders plastisches Gewebe aus Hanf mit Polyester, Leinen und Baumwolle.

Die nächste Proposte findet vom 4. bis 6. Mai 2011statt.
aus BTH Heimtex 07/10 (Wirtschaft)