Dura: Interview mit Dr. Christian Schäfer und Jochen Rieger
"Künftig gibt es nur noch eine Marke - Dura"
Dass sich die Teppichbodenbranche im Umbruch befindet und der Markt sich schnell und unwiderruflich wandelt, haben wir schon mehrfach geschrieben. Auch, dass Industrie und Handel gefordert sind, sich diesen Veränderungen immer flexibler und konsequenter anzupassen. Ein aktuelles, signifikantes Beispiel dafür ist die Dura-Gruppe, die sich strukturell, sortimentsmäßig und strategisch neu aufstellt und damit für die Herausforderungen der Zukunft wappnet. Statt der Mehr-Marken-Politik mit Dura, Besmer, TWN und Zoeppritz konzentriert man sich künftig auf die starke Dachmarke Dura; das Sortiment wird entsprechend umgestaltet und verschlankt. Und: Im Automobilzuliefererbereich trennt sich die Dura von der Verformung und produziert nur noch Flächenware und Einlegematten. Was bedeutet das alles konkret für das Unternehmen und die Kunden? Darüber sprach BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Weidt mit Dr. Christian Schäfer, dem Kopf der familieneigenen und -geführten Formation, und Jochen Rieger, Geschäftsführer von Dura Flooring Systems. BTH Heimtex: Bei der Dura wird sich ab 2011 einiges radikal verändern. Fangen wir bei Positionierung und Markenpolitik an. Bislang war die Dura als Vollsortimenter - ohne Webware - mit einem Mehr-Marken-Konzept im Markt unterwegs. Nun haben Sie quasi die Rolle rückwärts angekündigt, zurück zur Mono-Marke Dura. Heißt das, dass Ihr Mehr-Marken-Konzept gescheitert ist? Oder dass ein Mehr-Marken-Konzept im Teppichboden-Markt nicht funktioniert?
Dr. Christian Schäfer: Weder noch. Das Mehr-Marken-Konzept war zu 100 % richtig. Durch die Beibehaltung der Marken TWN und Zoeppritz ist es uns gelungen, diese Marken, ihre Marktanteile und Identitäten in der Dura-Gruppe zu etablieren. Dadurch konnten wir die Umsätze mit diesen Marken nicht nur halten, sondern zum Teil sogar steigern.
Besmer wollten wir von vornherein nicht unbedingt als Marke weiterführen. Doch gab es bei der Übernahme bestimmte Artikel im Besmer-Sortiment, die der Markt gefordert hat und die sehr gut angenommen wurden. Also haben wir uns damals entschieden, Besmer aufrechtzuerhalten; wohl wissend, dass es Überschneidungen zwischen Dura und Besmer gibt und dass diese Entscheidung nur für eine Übergangsphase gilt. Diese Übergangsphase endet nun.
Der Markt zeigt uns, dass es nicht mehr notwendig ist. Der Markt hat gelernt, dass die Kompetenzen der verschiedenen Marken bei der Dura integriert sind. Dafür brauchen wir diese Vehikel nicht mehr.
Jochen Rieger: Auch der Handel bestätigt uns, dass wir auf diese flankierenden Marken verzichten können und über eine starke Dachmarke verfügen. Der Handel schätzt die Marke Dura.
BTH Heimtex: ...und kann seine Besmer-, TWN- und Zoeppritz-Koffer ab sofort entsorgen?
Dr. Schäfer: Natürlich nicht. Damit kein Missverständnis entsteht: Alle Kollektionen von Besmer, TWN und Zoeppritz sind erfolgreich und bleiben am Markt. Aber wenn sie das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben und vom Markt genommen werden, gibt es keine Neuauflage unter den alten Markennamen mehr, sondern die Nachfolger laufen dann unter der Marke Dura.
Rieger: Ein Beispiel sind die Kollektionen von TWN und Zoeppritz, die 2011 durch eine oder zwei - das ist noch nicht entschieden - Hochwert-Koffer der Dura abgelöst werden. Danach werden beide Marken von uns nicht mehr weitergeführt.
Dr. Schäfer: Das ist der markenrechtliche Aspekt. Es gibt auch noch einen gesellschaftsrechtlichen bzw. strukturellen. Wir hatten zwei Gesellschaften, TWN und Zoeppritz, die kein eigenes Personal mehr beschäftigten und keine eigene Produktion mehr betrieben, weil ihre Fertigung sukzessiv in die Standorte Fulda und Hessisch-Oldendorf integriert worden war. Sie hatten nur noch Bestände. Das ist zum 1. Januar 2011 aufgelöst worden. Die Bestände sind in die Verantwortung von Dura Flooring übergegangen und die Firmen auf die Dura Tufting verschmolzen worden.
Dura Flooring hat zum 1. Januar die komplette Auftragsabwicklung übernommen. Die Kunden haben also seit Jahresanfang nur noch einen Ansprechpartner im kaufmännischen Bereich, erhalten nur noch eine Rechnung, müssen nur noch einen Vorgang bearbeiten. Wir natürlich auch. Das ist für alle bedeutend einfacher.
Rieger: ...sozusagen eine Win-Win-Situation für alle Seiten.
BTH Heimtex: Das bringt auch eine Bereinigung des Sortiments und eine Reduzierung der Varianten mit sich...
Rieger: Ja. Wobei uns wichtig ist zu kommunizieren, dass wir keinen Schnitt machen, die Hälfte des Programms eliminieren und mit einem schmalen Programm weitermachen. Es wird einen fließenden Übergang geben, so dass wir Ende 2011, Anfang 2012 einen Großteil unseres Sortiments erneuert haben werden.
BTH Heimtex: Und statt elf Koffern gibt es dann nur noch vier?
Dr. Schäfer: Die richtige Aussage ist, dass wir unser Sortiment von sechs auf vier Hauptkollektionen verschlanken. Damit dünnen wir nicht die Programme aus, sondern konzentrieren uns auf die Produkte, die die Hauptumsatzträger sind - sowohl Dura- wie Besmer-Artikel - und ergänzen sie mit interessanten Neuheiten zu einer vollwertigen Komplettkollekton.
Rieger: Und eine dieser Hauptkollektionen ist unsere neue Living, die wir auf der Domotex vorstellen. Später kommt dann noch ein neuer Objektkoffer, Ende des Jahres - wie bereits erwähnt - ein oder zwei Hochwert-Kollektionen, so dass wir die wichtigsten Module unseres Sortiments innerhalb von etwa einem Jahr auf den Markt bringen. Dazu führen wir die Satelliten-Kollektionen zu speziellen Themen wie Hotel oder Fliesen weiter.
BTH Heimtex: Stichwort Living. Sie folgt der neuen Markenpolitik. Was ist an ihr anders als an der alten?
Rieger: Mit Living decken wir ein breiteres Preisspektrum ab als vorher - zwischen 25 und 80 EUR VK-Preis/m
2 - und nehmen so die Besmer-Kunden mit.
Living ist keine Querschnittkollektion, die auf Nummer Sicher geht, sondern eine echte Herstellerkollektion, breit gefächert, auch etwas umfangreicher als der Vorgänger. Wir wollen mit ihr die Stärken unserer Marke Dura weiter in den Markt transportieren.
Natürlich werden Klassiker wie der 5/64"-Univelours Holiday oder die Schlinge Derby weitergeführt, doch haben wir insgesamt relativ wenige alte Produkte übernommen. Dafür haben wir viele neue Qualitäten entwickelt, die verschiedene Themen aufgreifen wie Glanz, matte Effekte, Kräuselvelours, Shags und Frisés oder Schlingen im Retro-Look. Alles geht in Richtung Strukturen. Es gibt keine Drucke mehr, da wir momentan im Wohnbereich keine Chance für Druck sehen.
Auch die Farbpaletten sind von Grund auf überarbeitet worden, die Farben auf die verschiedenen Produktcharaktere und die aktuellen Wohntrends abgestimmt. Selbstverständlich haben wir dabei Modefarben wie Aubergine, Flieder, Dunkelblau, Chocolat und Lindgrün integriert.
Und Living ist natürlich mit Dura Air ausgestattet, dem patentierten Wirkstoff zur Verbesserung der Raumluft und zur Reduzierung von Schadstoffen in Innenräumen. Dura Air ist seit Jahren einer unserer Verkaufsschlager und bietet dem Verbraucher einen unvergleichbaren Zusatznutzen.
Dr. Schäfer: Wir haben noch mehr Neues und setzen unsere Tradition als Anbieter innovativer Produkte fort: Mit Dura Green präsentieren wir eine Produktreihe aus neuester Fasertechnologie, die mit einem hohen Anteil nachwachsender Rohstoffe hergestellt wird. Wir haben von Dupont die Exklusivlizenz für Europa für Dupont Sorona auf Basis von Maisstärke, die in einem patentierten Produktionsprozess in ein Bio-Polymer umgewandelt wird. Sorona besteht aber nicht nur zur 37 % aus nachwachsenden Rohstoffen, sondern verbraucht auch 30 % weniger Energie bei der Herstellung und emittiert 63 % weniger CO
2.
Rieger: Die Faser ist technisch sehr anspruchsvoll. Wir haben über ein Jahr Entwicklungsarbeit investiert, da sie sich beim Tuften ganz anders verhält als Nylon und auch ein spezielles Färbeverfahren erfordert.
Wobei wir überzeugt davon sind, dass Nachhaltigkeit allein als Verkaufsargument nicht ausreicht. Ein nachhaltiges Produkt muss in der Optik und den Gebrauchseigenschaften mindestens dem Standard entsprechen und preislich nahe an den Standard herankommen.
Dr. Schäfer: Und Dura Green ist der bessere Teppichboden. Nicht nur, weil er schonend mit den Ressourcen umgeht, sondern weil er bessere Eigenschaften hat: einen ausgesprochen textilen Charakter mit einem angenehmen Griff und einer sehr schönen Baumwolloptik und vor allem hervorragende Reinigungseigenschaften mit extremer Schmutzabweisung. Selbst hartnäckige Flecken, die bei normalen Teppichböden nicht entfernbar wären, lassen sich bei Dura Green auf einfachste Weise beseitigen. Und dies ohne jegliche zusätzliche chemische Ausrüstung, allein durch die außergewöhnliche Zusammensetzung der Faser.
BTH Heimtex: Ist Sorona ein BCF-Garn oder eine Stapelfaser?
Rieger: Ein BCF-Garn, das dennoch über extrem textilen, weichen Effekt mit mattem Lüster verfügt, den man sonst nur von Stapelfasern kennt.
BTH Heimtex: Lässt sich das Garn auch veredeln?
Rieger: Ohne Probleme. Texturieren, fixieren... alles, was Sie wollen. Wir haben zunächst eine kleine Kollektion mit fünf Artikeln in 34 Positionen in einer Breite aufgelegt, darunter eine Schlinge, ein Shag und ein Super-Shag mit über 2,5 kg Poleinsatzgewicht/m
2.
BTH Heimtex: Sie sprachen eben von einem Anteil von 37 % an nachwachsenden Rohstoffen. So beeindruckend ist das nicht. Immerhin
63 % sind nicht ökologischer Natur.
Dr. Schäfer: Wir verkaufen Dura Green auch nicht primär als "grünes" Produkt, sondern als eine neue Teppichbodengeneration mit großartigen Gebrauchseigenschaften und einem fantastischen Zusatznutzen.
Das ist übrigens immer noch nicht alles an Neuheiten: Wir stellen auch ein konsequent verbessertes Produkt vor, die Weiterentwicklung von Dura Care - insbesondere für den Health Care-Bereich geeignet, selbstverständlich aus solutiondyed Garn, wasserundurchlässig und hydrophob durch unsere PU-Beschichtung. Zugleich bringt sie akustische Vorteile mit sich, ist elastisch, preislich vergleichbar mit PVC-Beschichtung und weist zudem weitere Vorteile gegenüber PVC auf.
Rieger: Und wir können 5 m-Breite anbieten, wodurch sich Nähte vermeiden lassen, die nur schwer wasserdicht zu gestalten sind. Wir sind übrigens offen dafür, diese Beschichtung nicht exklusiv für uns zu halten.
BTH Heimtex: Themenwechsel - weg von den Produkten, hin zum Unternehmen. Als Sie, Dr. Schäfer, im Jahr 2000 die Geschäftsführung übernahmen, haben Sie in den Folgejahren die Dura radikal umgebaut und stark auf das Automobilzuliefergeschäft ausgerichtet. Damit waren Sie etliche Jahre erfolgreich, bis die Wirtschaftskrise die Automobilindustrie samt peripherer Industrie lahmlegte...
Dr. Schäfer: Nicht nur das. Generell hat sich in den letzten Jahren das Branchenumfeld im Bereich Carpet & Acoustics bzw. bei der Automobil-Direktzulieferung extrem negativ entwickelt - durch eine immer härter werdende Einkaufsstrategie, die auf die Margen drückt, durch Rohstoffverteuerungen, die nicht weitergegeben werden können. Das alles einhergehend mit einem ruinösen Wettbewerb. In Verbindung mit der Wirtschaftskrise gab es einen massiven Konzentrationsschub in der Branche und wir mussten erkennen, dass wir zwar sehr gut bei unseren deutschen Hauptkunden positioniert sind, aber zu klein, um international in gleichem Maße mitspielen zu können.
Deshalb haben wir schon im Laufe von 2009 eine grundlegende strategische Entscheidung getroffen und beschlossen, uns zu einem Zeitpunkt, den wir selbst bestimmen, schrittweise aus diesem Geschäft zurück zu ziehen - obgleich wir dort nicht unbeträchtlich investiert haben.
Mittlerweile haben wir unsere Tochtergesellschaften in China, Südafrika und der Slowakei verkauft - sehr gut verkauft übrigens -, wir haben das Werk in Großenlüder nicht fortgeführt und suchen momentan aktiv nach Partnern für unsere verbliebenen Automobil-Werke in Bayern und Bremen.
BTH Heimtex: Das ist aber kein kompletter Abschied....
Dr. Schäfer: Das stimmt. Aber wir konzentrieren uns künftig auf die Flächenware und wollen dort auch unsere Marktposition stärken. Außerdem sind wir weiterhin aktiv im Bereich Einlegemattten, wo wir der größte Anbieter Deutschlands sind.
Wir sind froh, dass wir diese Entscheidung getroffen haben und verlieren im Verhältnis relativ wenig (Außen-)Umsatz.
Wir werden unsere Position als Hersteller von Objekt-Nadelfilz - wo wir mit einem Marktanteil von 40 % die Nr. 1 in Europa sind - weiter ausbauen und natürlich in die klassischen Bodenbelagsaktivitäten im Handels- und Objektgeschäft intensivieren. Immerhin sind wir mit Abstand der größte Teppichbodenproduzent Deutschlands.
BTH Heimtex: Das waren viele Superlative. Sind die jeweils umsatz- oder mengenbezogen?
Dr. Schäfer: Vor allem zunächst mengenbezogen, aber auch in Hinblick auf den Umsatz.
BTH Heimtex: Sie sagten eben, dass Sie relativ wenig Umsatz verlieren. Die absolute Größe wollen Sie vermutlich nicht offenbaren... aber wie verteilen sich die Erlöse künftig auf Automobil- und Bodenbelagsaktivitäten?
Dr. Schäfer: Ungefähr 50:50.
BTH Heimtex: Sie erwähnten, dass Sie Ihre Automobil-Werke "sehr gut" verkauft hätten. Das klingt, als hätten Ihnen die Devesitionen einen bedeutenden außerordentlichen Ertrag in die Kasse gespült. Das dürfte Ihnen sehr recht sein, da demnächst die Rückzahlung Ihres Mezzanin-Kapitals ansteht...
Dr. Schäfer: Natürlich konnten wir auf diese Weise unsere Finanzverbindlichkeiten erheblich reduzieren. Unabhängig davon waren wir 2010 auch operativ wieder ertragreich und werden 2011 wieder deutlich in die Gewinnzone zurückkommen.
aus
BTH Heimtex 01/11
(Wirtschaft)