Bodenbeläge auf Domotex und Bau
Ökologie und Ökonomie im Gleichgewicht
Einen Messemarathon wie in diesem Jahr erlebt die Bodenbelagsbranche nur alle sechs Jahre: In der zweiten Januar-Hälfte die Domotex in Hannover und damit überschneidend die Bau in München und kaum vier Wochen später die Euroshop in Düsseldorf. Von Heimtextil und IMM wollen wir gar nicht reden. Das kostet Arbeit, Zeit, Manpower und schlicht und einfach viel Geld. Kein Wunder, dass sich die Zahl der Doppel-Aussteller, die parallel in Hannover und München präsent sind, drastisch reduziert hat. Auffällig war eine deutlich entspanntere Stimmung in der Branche, nachdem das Jahr 2010 bei vielen besser verlief als anfangs befürchtet und die Auftragslage Anfang 2011 verheißt, dass das nicht nur ein kurzfristiger Ausschlag nach oben war. Dass man an eine stabilere Erholung glaubt, belegen die beträchtlichen Investitionen etlicher Anbieter in neue Kollektionen, Produktion und Logistik. Kaum entgehen konnte man auf den Messen dem Thema Nachhaltigkeit - jeder postuliert es, jeder schmückt sich mit einem ökologischen Gewissen. Aber mancher scheint mit "Green Washing" nur auf einer Trendwelle mitreiten zu wollen, während andere verstanden haben, dass die Zukunft der Branche darin liegt. von Claudia Weidt und Jochen LangeWir werden nicht müde, alle zwei Jahre die sich verschärfende Konkurrenz zwischen den Wettbewerbs-Messen Domotex in Hannover und Bau in München anzuprangern, die auf dem Rücken der Aussteller ausgetragen wird. Und der Graben wird tiefer zwischen Domotex-Fürsprechern und Bau-Sympathisanten.
Verlierer ist, da kann man nicht darum herum reden, die Domotex. Gar nicht mal die Messe insgesamt, denn der Bereich der abgepassten Teppiche scheint zu boomen. Dr. Ali Ipektchi, Präsident des einschlägigen Importeur-Verbandes, sprach von Rekordumsätzen in diesem Jahr und einem Plus von 25 % beim Auslandsbesuch. Auch die stark exportorientierten Anbieter bei klassischen Bodenbelägen erlebten eine gute Messe mit durchaus orderfreudigen Einkäufern - Zeichen dafür, dass sich die Auslandsmärkte allmählich aus der Schockstarre der globalen Wirtschaftskrise befreien. Der aufmerksame Blick auf die ethnische Vielfalt des Messepublikums zeigte, wo in den nächsten Jahren Geschäft zu machen ist: in Indien, China und Brasilien.
Insofern braucht sich die Deutsche Messe keine Gedanken darum zu machen, dass die Domotex generell in ihrer Existenz gefährdet ist. Das ist sie keinesfalls. Und die immer wieder zu hörende Forderung nach einem Zwei-Jahres-Rhythmus der Veranstaltung blendet aus, dass Deutschland nicht der Nabel der Bodenbelagswelt ist, gleichwohl ein wichtiger Markt. Wobei die Domotex für den deutschen Markt bzw. deutsche Anbieter tatsächlich an Bedeutung eingebüßt hat. Und es ist auch kaum wahrscheinlich, dass sie ihren früheren Stellenwert wieder erlangt. Dazu haben sich die Marktstrukturen auf Industrie- und Kundenseite zu sehr verändert, teilweise auch die Prioritäten der Anbieter.
Inzwischen ist klar: Wer Objekt-Kontakte will, muss nach München. Trotz aller Anstrengungen ist es der Domotex nicht gelungen, in diesem relevanten Segment Kompetenz aufzubauen. Offenbar kann nichts die Architekten - die zum Contractworld Congress oder Contractworld Award in Halle 4 anreisen - dazu bewegen, sich mit den Produkten auseinanderzusetzen, die auf den umliegenden Ständen präsentiert werden - geschweige denn, sich in eine andere Messehalle zu begeben. Die Ignoranz, fast Arroganz, mit der Architekten hier der Bodenbelagsbranche begegnen, ist schon mehr als irritierend. Und nicht wenige Anbieter ziehen ihre Konsequenzen daraus und orientieren sich verstärkt Richtung Süden, wo der Besucheranteil von Architekten, Planern, GUs und anderen Objektentscheidern höher ist. Bei elastischen Belägen war diese Tendenz schon vor zwei Jahren erkennbar, nun ziehen auch vermehrt textile Beläge nach. Das heißt nicht unbedingt, dass sie der Domotex komplett den Rücken kehren, doch werden die Unternehmen vermehrt alternierend in Hannover und München ausstellen und auf die teure Doppel-Präsenz verzichten.
Erschwerend hinzu kommt, dass die Verantwortlichen in Hannover nicht immer glücklich agieren. Mal sparen sie an der falschen Stelle, mal setzen sie die Akzente unsensibel; so sollen ab 2012 auf der Domotex jährlich wechselnde Themenschwerpunkte besonders hervorgehoben und ausgewählte Produktgruppen in den Mittelpunkt gerückt werden. Prinzipiell ist das eine gute Idee. Doch umarmt die Messeleitung im nächsten Jahr Parkett, Laminat und andere Holzböden mit dem "Woodflooring Summit" und düpiert damit textile und elastische Beläge.
Dass die Messe schon ein, zwei Tage vor dem offziellen Termin beginnt, kennt man von abgepassten Teppichen, wo sich teilweise schon ab Dienstag oder Mittwoch die Einkäufer zwischen den noch im Aufbau befindlichen Ständen tummeln. Mittlerweile hat sich das auch in den anderen Bereichen eingebürgert: Dort sichten große Kunden bereits am Freitag die Kollektionen und sichern sich Exklusivitäten.
Ein dominantes Thema sowohl auf der Domotex wie auch auf der Bau war die Nachhaltigkeit - plakativ herausgestellt von den Messen, von den Ausstellern in verschiedensten Formen aufgegriffen. Wobei es erschreckend ist, dass manche nicht begreifen, wie wichtig dieses Thema wirklich ist, wie ernsthaft und wie massiv es unsere Gesellschaft, unsere Welt - und damit zwangsläufig auch die Bodenbelagsbranche - verändern wird. Und zwar schneller, als wir alle glauben. Der Impetus kommt aus dem Objekt und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Funken auf den Konsumenten überspringt. "Der Markt ist da, die Sensibilität auch", diagnostizierte Dr. Frank Steffel, Inhaber der gleichnamigen Großhandels-Gruppe und einer der bedeutendsten Absatzmittler am Markt. Es sei gut, dass sich die Industrie dem Thema widme, "denn der Großvertrieb kann es zwar nicht einführen, wohl aber dazu beitragen, es zu penetrieren und zu fördern". Elementar aus seiner Sicht: "Nachhaltigkeit muss so einfach und leicht verständlich gemacht werden, dass es jeder versteht".
Wer allerdings glaubt, sich mit vagen Ankündigungen und lauwarmen Zusicherungen - "Green Washing" - begnügen zu können, verkennt die Lage. "Es ist falsch, den Endverbraucher für blöd zu halten, indem man etwas verspricht, was erst in einigen Jahren sein wird", warnte Vorwerk-Geschäftsführer Johannes Schulte in diesem Zusammenhang.
Nun ist "nachhaltig" nicht allein als "ressourcenschonend" und "umweltfreundlich" definiert, sondern schließt auch soziales und wirtschaftliches Verantwortungsbewusstsein ein. Und genau das ist das Ziel: Ein Gleichgewicht zwischen Ökologie und Ökonomie.
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BTH Heimtex 02/11
(Wirtschaft)