Dieter Buhmann referiert über den Zeitgeist

"Zaha Hadid bricht Sehgewohnheiten auf"


Als Marburg 2010 die neue "Art Borders"-Edition präsentierte, ging ein Raunen durch die Branche. Mit Attributen wie einzigartig und faszinierend wurden die Tapeten der Architektin und Designerin Zaha Hadid bedacht. "Was sie tut, darf man als revolutionäre Form der Wandgestaltung charakerisieren", stellte Marburg-Geschäftsführer Dieter Buhmann in seinem Vortrag "Zaha Hadid - Wanddesign sprengt Sehgewohnheiten" fest, den er bei der diesjährigen Bau in München hielt. Die Wirkung ihrer amorphen Formen auf das zeitgenössische Design sei enorm.

Die jüngste "Art Borders"-Edition besteht aus den Designs Swirl, Cellular, Elastika und Stria, denen eine visionäre Formensprache gemein ist. "Ein Tapetendesigner hätte die Dinge so sicher nicht kombiniert", meinte Buhmann. Hadid überrasche mit ihren Tapeten. Sie breche Sehgewohnheiten auf, kippe die Perspektiven, verschiebe Proportionen und setze Räume in Bewegung.

Buhmann machte darauf aufmerksam, dass die gemusterte Tapete nach vielen Jahren des vorherrschenden Purismus nun eine Renaissance erlebe und erinnerte an ihre Anfänge. Bereits im 16. Jahrhundert seien die Räume in Adelshäusern mit Goldledertapeten geschmückt worden. "Diese sprengten damals die Gobelin-Sehgewohnheiten", sagte der Geschäftsführer. Im 19. Jahrhundert hätten Schlachtenbilder und exotische Landschaften an der Wand für einen erneuten Bruch gesorgt. Anfang des 20. Jahrhunderts habe die floral-ornamentale Formensprache des Jugendstils den Zeitgeist bestimmt.

"Das wurde dann einigen zu viel", erläuterte Buhmann. Infolge habe es eine Hinwendung zu Purismus, Minimalismus, Sachlichkeit und Bescheidenheit gegeben. Für die Tapetenhersteller sei diese Zeit von Mitte der 70er Jahre bis Mitte der 90er Jahre sehr schwierig gewesen, denn entsprechend dem Zeitgeist seien Rauhfaser und Glasgewebe die Favoriten gewesen.

"Architekten und Innenarchitekten wollten sich endgültig von der gestalterischen Opulenz früherer Epochen absetzen", beschrieb Buhmann die Entwicklung. Doch es gebe Ausnahmen wie Hilde Eitel, die kürzlich verstorbene Mutter des Geschäftsführenden Gesellschafters des Tapetenherstellers Marburg, Ullrich Eitel. Sie habe in der Tapetenkollektion X-Art das "Who is Who" der Pop-Art vereint. Dazu gehörten Allen Jones, Paul Wunderlich, Werner Berges und Niki de Saint Phalle.

Solche Kollektionen hätten für die Wiederauferstehung von Struktur und Ornament gesorgt. Die Tapete erlebe eine positive Neubewertung. Diesen Prozess belebe Zaha Hadid mit ihren innovativen Designs. "Ihre Entwürfe folgen ihrem Credo der Bewegung und Leichtigkeit", meinte Buhmann. Was sie gestalte, sei neu und von visionärer Ästhetik.
aus BTH Heimtex 03/11 (Wirtschaft)