Heimtextil 2011

Wenn nur die Sorgen um die Baumwolle nicht wären

Frankfurt/Main - Das vergangene Jahr brachte der Gesamtwirtschaft in Deutschland ein lange nicht mehr erlebtes Wachstum, auch die Haustextil-Industrie und der Bettenfachhandel können auf ein recht ordentliches Jahr zurückblicken. Und für das laufende Jahr sind die Wachstumsprognosen erst kürzlich nach oben korrigiert worden, so dass man allgemein mit einer Zwei vor dem Komma rechnen darf. Also alles eitel Freude auf der Heimtextil? Im Prinzip ja, wenn nicht die große Unbekannte der steigenden Rohstoffpreise wäre. Sie trübte doch ein wenig den allgemein herrschenden Optimismus.

Es war so klar, dass die Preisentwicklung bei der Baumwolle ein wichtiges Thema auf der Heimtextil sein würde, schließlich war der Preis für Rohbaumwolle zum Jahresende noch einmal richtig steil nach oben geschossen. Innerhalb weniger Monate musste daher seitens der Industrie nach dem Sommer für die neuen Kollektionen eine zweite Preiserhöhungs-Runde eingeläutet werden. Doch wenn man den Aussagen der Aussteller Glauben schenken kann, dann hat es seitens des Fachhandels keine großen Diskussionen darüber gegeben. Natürlich wird es nun schwerer bis unmöglich, bestimmte Eckpreislagen mit der gleichen Qualität wie vor einem Jahr zu bedienen, aber offenbar ist die Einsicht in das Unvermeidliche unter den Händlern in Frankfurt stark verbreitet gewesen. Und die Hersteller sind überwiegend der Meinung, dass dem Konsumenten ein Preisunterschied von zehn Euro bei einem attraktiven Produkt sowieso nicht so wichtig ist. Entscheidend wird sein, so war zu hören, dass das Verkaufspersonal den Kunden mit dem nötigen Selbstbewusstsein und mit überzeugenden Argumenten gegenübertritt. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die Baumwolle in den kommenden Monaten entwickeln wird. In Frankfurt reichte die Bandbreite der Einschätzung von "der Preis wird wieder sinken' bis "wir haben das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht."

Interessant war auch der Stimmungswechsel bei den wenigen deutschen Herstellern, die noch über eine nennenswerte Produktion in Deutschland verfügen. Früher mussten sie sich dafür rechtfertigen, warum sie sich denn noch den Luxus einer inländischen Fertigung leisteten. Vor und auf der Messe haben sie nun mit großem Interesse registriert, dass ehemalige Kunden, die zwischenzeitlich mit ihren Aufträgen nach Fernost abgewandert waren, wieder bei ihnen anklopfen und Angebote einholen wollen. So schnell kann sich die Situation ändern. Der Grund für die Rückbesinnung auf zumindest europäische Produktion liegt darin, dass Länder wie China und Indien inzwischen gut damit beschäftigt sind, den Bedarf im eigenen Lande mit ihren Produktionsfazilitäten zu decken. Da sind Aufträge aus Europa nicht mehr so willkommen wie einst. Hinzu kommt, dass die Arbeitskräfte auch in den so genannten Billiglohn-Ländern auf Lohnerhöhungen drängen. Dies im Konzert mit den deutlich gestiegenen Frachtraten lässt die Attraktivität europäischer Produkte wieder steigen.

Immer wieder die Frage: Wo bleibt der Fachhandel?

Ein immer wiederkehrendes Lied auf der Heimtextil handelt vom Fernbleiben des deutschen Bettenfachhandels. Es war auch in diesem Jahr zu hören. Dass die Fachhändler nicht mehr in dem Maße wie noch vor Jahren nach Frankfurt strömen, dürfte unbestritten sein. Der Trend lässt sich wahrscheinlich auch nicht mehr umkehren. Dafür sorgen, neben dem allmählichen Rückgang der Verkaufspunkte, schon die exorbitanten Übernachtungskosten in der Frankfurter Hotellerie. Sie zwingen den Einzelhändler förmlich dazu, genau zu berechnen, mit wie viel Personen und für wie viele Tage er es sich leisten kann, zur Heimtextil anzureisen. Meist ist er es selbst nebst Gattin, wenn es hoch kommt, und eine Übernachtung muss reichen. Früher konnte man es sich noch leisten, die eine oder andere Mitarbeitern als Informations- und Motivationsmaßnahme mitzunehmen. Einen großen Teil des Sortiments kann der Einzelhändler außerdem über seinen Verband abdecken, den er sowieso mindestens einmal im Jahr zur Hausmesse besucht. Gerne verzichtet man daher zu deren Gunsten auf die Reise zur Heimtextil. Ohne den Verbänden zu nahetreten zu wollen, ist dieser Gedanke jedoch nicht der Weisheit letzter Schluss. Wie sagte ein Hamburger Einzelhändler gegenüber der Haustex?: "Einen Tag muss ich auf alle Fälle zur Messe gehen. Und wenn ich dann dort nichts gefunden haben sollte, dann habe ich wenigstens die Gewissheit, nichts verpasst zu haben. Aber darüber informieren, was es an Neuem geben könnte, muss ich mich auf alle Fälle.'

Messe bemüht sich intensiv um deutschen Fachhandel

Die Messe Frankfurt jedenfalls ist sehr bemüht, auch den deutschen Bettenfachhandel für die Heimtextil zu gewinnen. Erstmals in diesem Jahr gab es für den Haustex-Bereich die Aktion Bedn Excellence, analog zu der Aktion Heimtextil Insider für die Raumausstatter. Als Bettenfachhändler konnte man sich bei der Heimtextil registrieren und für das Programm anmelden. Es enthielt den kostenlosen Eintritt zur Messe samt Nutzung des ÖPNV für An- und Abfahrt, am Begrüßungs-Counter in Halle 8 erhielt man neben einem Glas Prosecco den Messekatalog und Gutscheine für zahlreiche Mehrwerte auf den Messeständen der Bedn-Excellence-Partner. Außerdem waren alle Fachhändler zur Party der Messe in Halle 8 eingeladen, die im Anschluss an die Preisverleihung der Haustex an die Bettenfachhändler des Jahres 2011 stattfand. Immerhin hatten laut Messe rund 800 Fachhändler an dem Programm teilgenommen, aber es hätten eigentlich noch ein paar mehr sein können, schließlich gab es laut BTE nach der letzten Umsatzsteuerstatistik 2008 knapp 3.400 Betten- und Haustextilgeschäfte. Demnach hat nur rund ein Viertel von ihnen an dem Aktionsprogramm der Messe teilgenommen.

Sicherlich interessant waren auch die Vorträge, die erneut in der Halle 8 unter dem Motto Lets talk about it stattfanden. Nur schade, dass meist nur Wenige die Zeit fanden, den Ausführungen der Referenten zu drei Themenschwerpunkten zuzuhören: Modetrends bei Heimtextilien, Nachhaltigkeit und Neue Aspekte des Objektgeschäfts.

Ausstellerbestand in Halle 8 wird immer bunter

Erneut ein Thema war auch in diesem Jahr wieder der Ausstellerbestand der Halle 8. Angesichts der rückläufigen Zahlen deutscher Anbieter und dem Fortbleiben einiger wichtiger Marktteilnehmer wie Paradies und Billerbeck muss man sich sicherlich nicht wundern, dass die Halle immer mehr mit anderen Firmen gefüllt wird. Allerdings bekam die 8 durch Firmen, die eher Großkunden ansprechen oder Zulieferer der Textilindustrie sind, einen sehr heterogenen Charakter. Für den Fachhandel war im Schwerpunkt der vom Haupteingang gesehene vordere Bereich von Interesse, mit Firmen wie Schmänk, Sanders, Bierbaum, Frankenstolz und anderen.

Ganz anders, fast museal, präsentierte sich die Halle 11. Hier finden mehrheitlich die hochwertigen Frottier- und Bettwäsche-Anbieter ihre Heimat: tolle Stände in einem großzügigen, auf Zuwachs eingerichteten Ambiente, nur mäßig umströmt von Besuchern. Besondere Attraktionen in der Halle 11.0 waren die erstmals ausgestellten Lizenzprodukte der Marken Hugo Boss und Escada Home. Während die französische Firma Olivier Desforges mit Boss bei ihrem Stand eher auf Understatement setzte, präsentierte sich Erbelle Spirit, Inhaber der Lizenzrechte von Escada Home, markengerecht aufwendig und opulent.

Bassetti wich an den Main aus

Die ehemals starke Fraktion der italienischen Anbieter aus Halle 9 war allerdings nur schwach vertreten. In diesem Jahr fehlte nun auch noch die Zucchi-Gruppe in Form von Bassetti Deutschland mit den Marken Bassetti, Zucchi, Lacoste und Laura Ashley. Geschäftsführer Frank Gänser hatte sich entschlossen, zwar in Frankfurt auszustellen, aber separat außerhalb der Messe, am Westhafen Pier. Dort, so Gänser, habe man die Möglichkeit, die Marken so zu präsentieren, wie sie es verdienten. Auf der Messe wäre das zu einem angemessenen Preis nicht möglich gewesen. Gänser zeigte sich hellauf begeistert von der hervorragenden Resonanz seitens der Kunden, das Konzept sei voll aufgegangen. Er wird auch im nächsten Jahr höchstwahrscheinlich wieder so verfahren.

Glasklare neue Trends gab es in Frankfurt eher nicht, abgesehen von zahlreichen zweibeinigen Gazellen in Overknees oder anderen Stiefeln und blickdichten, schwarzen Beinkleidern, die durch die Gänge huschten. Sicherlich ist das Thema Nachhaltigkeit weiterhin aktuell, wenn auch auf einer geringen kommerziellen Basis. Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, beziffert das Marktvolumen für nachhaltige Textilien im Bereich Bett und Bad in Deutschland auf 40 bis 80 Mill. Euro, in Europa und Amerika auf etwa 400 Mill. Euro. Bei einem prognostizierten überdurchschnittlichen Wachstum in diesem Bereich von rund zehn Prozent, so eine Studie im Auftrag der Messegesellschaft, entwickelt sich das Marktpotenzial für Deutschland bis 2015 auf 50 bis 130 Mill. Euro.

Ein weiterer Trend könnte das verstärkte Angebot von Produkten sein, deren Marken aus dem Modebereich stammen. Label wie Boss, Bugatti, Escada, Esprit, Mexx, s.Oliver und Tom Tailor sind im Bewusstsein der Konsumenten so aufgeladen, dass sie auch in Form von Haustextil-Artikeln Begehrlichkeiten wecken können.

Interessant, wenn auch nicht für den Massenmarkt geeignet, ist die Nutzung der Technik des Laserdruckers für die Gestaltung von Bettwäsche, wie sie beispielsweise Estella nutzt. Sie bietet den Kreativen ganz neue Möglichkeiten der Dessinierung. Das Thema Rapport beispielsweise kann man sich schenken, da es mit einem Laserdrucker möglich ist, über die gesamte Fläche einer Bettdecke ein Dessin zu drucken. Schon die Verkaufspreise werden dafür sorgen, dass keine großen Stückzahlen abgesetzt werden, aber auch die hohe Durchlaufzeit verhindert große Serien.

So positiv auch Haustextil-Produzenten wie Besucher auf die Messe reagierten, so skeptisch zeigte man sich, was die Besucher-Frequenz zumindest in den Hallen 8 und 11 betraf. Allgemein war man der Meinung, dass im Vergleich zum Vorjahr weniger Besucher in den Hallen anzutreffen waren. Doch was bedeutet Masse, wenn zumindest die Qualität gestimmt hat? Denn nahezu unisono erklärten die Unternehmen gegenüber Haustex, dass sie die Kunden, die für sie wichtig sind, auf ihren Ständen begrüßen konnten.

Die Messegesellschaft jedenfalls zog eine rundum positive Bilanz der Heimtextil 2011. Detlef Braun: "Der Messeauftakt für die Wohntextilbranche ist mehr als erfolgreich verlaufen - mit einem Plus von drei Prozent mehr Fachbesuchern aus 136 Ländern (2010: 120) und einer um fünf Prozent gestiegenen Ausstellerbeteiligung.'

Anteil der ausländischen Fachbesucher beträgt knapp zweit Drittel

Mehr als 73.000 Fachbesucher sollen die viertägige Messe besucht haben, 2.300 mehr als vor einem Jahr. Während der Inlandsanteil leicht um 100 auf 25.200 rückläufig war, legte das Ausland um 2.400 auf 47.700 zu. Somit beträgt der Internationalitätsgrad der Heimtextil auf Besucherseite knapp 66 Prozent. Die Zahl der Aussteller stieg auf 2.601 (2.469). Die stärksten Aussteller aus Europa sind Deutschland (341), Türkei (155), Italien (103), Spanien (80) und Frankreich (77). Aus Übersee sind es China (425), Indien (391), Pakistan (212), Taiwan (65) und die USA (34). Damit kommt also inzwischen ein knappes Drittel der Aussteller aus China und Indien, einschließlich Pakistan sind es 40 Prozent.

Martin Auerbach, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie, lobt: "Die Heimtextil 2011 ist eine Branchenpremiere so ganz nach unserem Geschmack: Ein Ausstellerumfeld, das wahre Besucherströme auf sich zieht, ein reichhaltiges und thematisch gut auf die aktuellen Strömungen abgestimmtes Programm und eine Stimmung, die unsere Mitglieder in ein hoffentlich erfolgreiches neues Jahr trägt.' Von der Handelsseite erklärte Axel Augustin vom Bundesverband des Textileinzelhandels: "Unsere Mitglieder haben das Angebot in den Hallen und auch das Fachbesucherprogramm der Heimtextil ,Bedn Excellence in Halle 8 gut angenommen.'

Die nächste Heimtextil findet statt vom 11. bis 14. Januar 2012.
aus Haustex 02/11 (Wirtschaft)