Homag: Interview mit Roland Dengler, Teamleiter Engineering, Fußboden-Division
"Steigende Vielfalt beeinflusst Fußbodenproduktion"
Deutsche Maschinenbauer sind führend in der Konstruktion von Holzbearbeitungsmaschinen. Um ihren technischen Vorsprung zu sichern, müssen sie am Ball bleiben, wenn die Fußbodenhersteller neue Produkte und Verlegevarianten entwickeln. Deshalb wissen die Vertreter der Maschinenbauer früher als andere, wohin die Reise gehen könnte. ParkettMagazin sprach mit Roland Dengler, Teamleiter Homag Engineering, Fußboden-Division bei Homag.ParkettMagazin: Maschinenbauer müssen Trends frühzeitig erkennen. Wie geschieht das?
Roland Dengler: Im Homag-Engineering-Team beschäftigen sich rund acht Leute mit dem Thema Fußboden. Die meisten Informationen bekommen wir im Kundengespräch.
PM: Wer sind denn die Trendsetter im Laminatbodenbereich?
Dengler: International kann man zwei Trend gebende Regionen ausmachen. Das sind einmal die europäischen Patententwickler wie beispielsweise Välinge, Unilin, Schulte, Pergo, Classen und andere. Auf der anderen Seite stehen die Chinesen. Sie verfolgen nicht den analytischen Entwicklungsansatz, sondern machen es einfach und bringen Produkte sehr schnell an den Markt, etwa die gepresste Fase, wie sie in Europa zuerst von Faus hergestellt wurde. Schließlich gibt es mit der Türkei, Osteuropa und Südamerika Märkte, die in Bezug auf die Produktentwicklung stark hinterher hinken und sich noch hauptsächlich mit dem Kapazitätsaufbau beschäftigen. Einige stellen gerade erst auf das Klickprofil um.
PM: Die weltweit große Auswahl an Laminatformaten, Oberflächen und Profilen muss sich doch auf die Herstellung auswirken?
Dengler: Das vielseitige Dekor-angebot und die steigende Variantenvielfalt führen zu reduzierten Losgrößen. Das passt nicht zu den auf Massenfertigung ausgelegten Produktionsanlagen. Wir als Maschinenbauer müssen die Industrie daher mit flexibleren Anlagen ausrüsten, die schnelle Produktwechsel wirtschaftlich machen. Selbst in China ändert sich einiges. Produktionsschritte fanden bislang meist in "Inseln" statt und der Weitertransport erfolgte per Hand. Weil aber auch dort Arbeitskräfte teurer werden, sehen wir einen Trend zur Automatisation, der Platz und Leute spart.
PM: Spielt der Direktdruck eine zunehmende Rolle?
Dengler: Die Oberfläche ist zwar nicht der Bereich von Homag-Maschinen, aber in der Tat ist eine im Rollen-Offsetdruck vergütete Platte für uns einfacher zu bearbeiten. Allerdings findet dieser Direktdruck, wenn man nach China schaut, eher im Parkettbereich auf preiswertem Furnier statt. Denn für den Laminatboden wird dort weiterhin Dekorpapier benutzt. Das ist günstiger und die Chinesen fertigen ohnehin meist kleinere Losgrößen. Der Direktdruck rechnet sich nur bei großen Mengen, die in Europa höchstens noch von Massenherstellern wie Krono und Egger produziert werden.
PM: Was erwarten Verbraucher von der Produktion?
Dengler: Der Endkunde will ein perfektes Produkt. Für den Hersteller bedeutet das hohe Fertigungspräzision und wenig Ausschuss. Wir, als Maschinenentwickler, müssen uns an engste Toleranzen halten. Das beginn
bei der Aufteilsäge. In China wird die Fase, wie erwähnt, häufig nicht lackiert, sondern in die Platte eingepresst. Das Aufteilen muss dann sehr exakt entlang dieser gepressten Fase geschehen.
PM: Der Hersteller schaut vor allem auf Wirtschaftlichkeit.
Dengler: Wir haben bei den Laminat-Profiliermaschinen die neue 260er Baureihe. Sie besitzt jetzt 8 statt 6 Motoren, verlängerten Einlauf, verstärkte Wände, Fase-Lackierung und erhöht den Vorschub von 80 auf 100 m/min. Aber Ziel ist nicht allein die Geschwindigkeit einer Maschine, sondern am Ende des Tages vernünftige Produkte hervor zu bringen. Für die Parkettproduktion könnten wir schneller als 130 m/min sein, aber das macht kaum ein Werkstück unbeschädigt mit. Wichtiger ist, die Verfügbarkeit der Maschine zu erhöhen, Rüstzeiten zu verkürzen und eine Profilumstellung mit Hilfe der Werkzeugdatenverwaltung zu optimieren.
PM: Wird jede neue Idee aus den Entwicklungsschmieden auch zu einem neuen Produkt?
Dengler: Nein, einiges ist aus unserer Sicht von der Maschinentechnik nicht in ein wirtschaftlich vertretbares Produkt umzusetzen, beispielsweise die so genannte "solid edge" Technologie (massive Kante) von Välinge. Es werden ja wirklich viele Ideen ausgebrütet. Manche sind nicht ausgereift genug, um gute Marktchancen zu haben. In anderen Bereichen gab es in den vergangenen Monaten Auseinandersetzungen vor Gericht. Das bezieht sich etwa auf die strukturierten Oberflächen des "registered embossing" oder das Imprägnierverfahren. Auch bezüglich der Querverriegelungssysteme, bei denen die Elemente von oben eingeklickt werden, besteht große Unsicherheit wegen nicht geklärter Patentverfahren. Trotzdem setzten sich diese Verbindungsformen immer mehr durch.
PM: Apropos Marktchancen. Wie ist die Konkurrenzsituation im Laminatboden einzuschätzen?
Dengler: Der Preisdruck in Europa ist hoch. Alle klagen über sinkende Preise. Dagegen hilft aus unserer Sicht eine rationellere Herstellungsweise, beispielsweise über Materialeinsparung. Da gibt es ein Schulte-Patent für das Auftrennen von Platten, bei dem die Sägen gleichzeitig dort von oben und unten ansetzen, wo später das Klickprofil entsteht. Das spart rund 5 % an Material. Aber die Hersteller sind auf diesen Zug noch nicht richtig aufgesprungen. Vielleicht liegt es daran, dass der Absatz nach dem Krisenjahr 2009 jetzt wieder die Werte von 2007 erreicht hat. In China steigt die Inlandsnachfrage und in Amerika boomen Schmalteile. Dort wird der Bedarf allerdings stark von China gedeckt, denn ein so großer
US-Hersteller wie Wilsonart hat seine Produktion ja eingestellt.
PM: Opfer der Wirtschaftskrise gibt es auch unter den Parkettherstellern!
Dengler: Ja, in diesem Segment erreichte der Absatz 2010 noch nicht das Vorkrisenniveau. Beachtlicher Preisdruck bei Standard-Fertigparkett hat in der Vergangenheit zu einigen Insolvenzen geführt, darunter Unternehmen wie Vito, Lopark, Trio, Boxler und Maderas Iglesias. Für die angeschlagenen französischen Parketthersteller Panaget und Chene de lOrne werden Käufer gesucht und der skandinavische Hersteller Boen hat seine komplette Endbearbeitung von Parkett und Sportböden von Norwegen nach Litauen verlegt.
PM: Trotzdem behält Mehrschichtparkett seine führende Rolle.
Dengler: In Europa ist das seit vielen Jahren der Fall, mit steigender Tendenz. Und sogar in den USA wurde im vergangenen Jahr erstmalig mehr Mehrschichtparkett verkauft als Massivparkett. 62,5 % davon kam allerdings aus China. Dagegen machen die nordamerikanischen Hersteller Front und haben Anti-Dumping-Zölle gegen chinesische Importe beantragt. In China selber ist der Parkettmarkt im Aufwind. Das liegt einerseits am starken Export, andererseits an der wachsenden Inlandsnachfrage.
PM: Überwiegend aus China kommen auch die neuen Vinyl-Fußbodenbeläge.
Dengler: Diese so genannten Luxury Vinyl Tiles gibt es massiv oder auf HDF-Träger. Letzteres wird vor allem von Korkbodenherstellern gefertigt und auch Pergo startete jüngst mit einer Vinyl-Schicht auf MDF-Täger. Für mich macht LVT auf einem Holzwerkstoffträger allerdings wenig Sinn, denn wir können das Klickprofil längst direkt in die dünne, massive Vinylplatte fräsen. Alle unsere Doppelendprofiler gibt es in LVT-Ausführung. Die Transportkette verzichtet dabei auf Stützschienen, um keine Glanzspuren auf dem Vinyl zu hinterlassen. Per Ionisierung werden die elektrisch aufgeladenen Späne über die Absaughaube entsorgt und die Fase wird mit einer Ziehklinge erstellt. Der Vorteil von Vinyl im Vergleich zu Laminat ist seine Unempfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit und dass es beim Begehen keine Klack-Geräusche gibt. Vor allem in Nordamerika und Großbritannien hat LVT-Boden rasch Marktanteile gewinnen können. Was die Patentsicherheit angeht, haben Windmöller Flooring und Unilin Cross-Lizenzen für LVT-Produkte verabredet. Wie im Holzbereich sind sie hier ein weiterer Anbieter neben Välinge.
PM: Eine andere neue Oberfläche ist Wood Fibre auf HDF-Träger. Entwickler Välinge prognostiziert diesem Material große Zukunft.
Dengler: Wenn die Anlaufschwierigkeiten bei Wood Fibre gelöst werden, kann es, aus meiner Sicht, der Fliese Konkurrenz machen. Zudem hat die Marktentwicklung in jüngerer Vergangenheit auch den Digitaldruck im single und multi-pass Verfahren hervorgebracht. Und große Hersteller wie Egger kommen mit bedrucktem Kork auf MDF.
PM: Auch wenn das nicht Ihr Bereich ist, glauben Sie, dass Laminatböden im Oberflächenbild noch perfekter werden können?
Dengler: Man kann sicherlich alles noch steigern. Aber wenn wir die Entwicklung der letzten 20 Jahren anschauen, sind wir heute mit hochauflösenden Druckbildern, brillanten Farben und Synchronporen den Orginalprodukten doch zum Verwechseln nahe gekommen. Ob hier eine weitere Verbesserung noch wirtschaftlich vertretbar ist und von den Endkunden auch bezahlt wird, muss die Zukunft zeigen.
PM: Wo sehen Sie Schwerpunkte in der Entwicklung und Produktion von Laminatfußboden in den kommenden anderthalb Jahren?
Dengler: Wir folgen den Marktanforderungen unserer Kunden. Die wollen flexibel produzieren können und wirtschaftlich kleiner werdende Losgrößen herstellen. Wir müssen also für jedes Marktsegment die zu dem Umfeld passende Maschinentechnik entwickeln. Für Asien heißt das beispielsweise: preiswerte, einfache Handlingssysteme.
PM: Und wo liegen die Perspektiven für Mehrschichtparkett?
Dengler: Hier müssen wir Verfahren entwickeln, mit denen sich die preislich immer weiter steigenden Rohstoffkosten reduzieren lassen. Ansatzpunkte sind eine Optimierung in der Ausbeute der Deckschichten. Erfolgversprechende erste Einzelprojekte wurden bereits realisiert. Zukünftig werden wir mehr und mehr nass eingeschnittene Decklagen finden, die nach dem Trocknen nochmals zu bearbeiten sind, um die im Trockenprozess auftretenden Veränderungen zu kompensieren. Zusammen mit unserem Tochter-unternehmen Bütfering sehen wir auch einen steigenden Markt für das Schleifen von "handscrapped", also geschrobbten Oberflächen. Industriell wird das nicht mehr mit flachen Schleifmaschinen sondern mit abrasiven Bürstenaggregaten durchgeführt werden. Bei langen und breiten Landhausdielen schließlich werden, nach unserer Einschätzung, die Fold-down Verlegesysteme mit den dazu notwendigen Endprofilen und Federn eine zunehmende Rolle spielen.
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Jahresumsatz Homag Group 2010: 718 Mio. EUR (+37 %)
Homag Group: Homag, Friz, Torwegge, Brandt, Bütfering, Weeke, Ligmatech, Bargstedt, Schuler
Vorstand Homag Holzbearbeitungssysteme: Achim Gauß, Ulrich Schmitz, Michael Stotz, Herbert Högemann
Projektleiter Fußboden: Roland Dengler, Tel. 07443 13-2431
Produktmanager Durchlauftechnik: Markus Kostenbader, Tel. 07443 13-3119
aus
Parkett Magazin 03/11
(Wirtschaft)