Proposte 2011

Bericht von der schönsten Stoffmesse der Welt

Gedämpfte, graustichige Kolorits, neue Blau- und edle Naturtöne - in diese Farben hat die Stoff-Avantgarde auf der italienischen Fachmesse Proposte ihre neuesten Produkte gekleidet. In Cernobbio am Comer See erwartete die Besucher wieder die ganze Bandbreite der textilen Welt. Optisch und haptisch setzten die Hersteller von Möbel- und Dekorationsstoffen auf das Thema Natur. Das spiegelt sich nicht nur in der Farbpalette, sondern auch in den Materialien wider. Angesichts des vorsichtigen Orderverhaltens der Branche waren mutige, ausgefallene Innovationen nicht zu finden.

Mit naturigen Materialien und Kolorits, dabei sichtlich geprägt von den aktuellen Preisentwicklungen an den Rohstoffmärkten präsentierte sich die diesjährige Proposte, die italienische Fachmesse für Wohntextilien, die alljährlich im Mai die Fachwelt an den Comer See nach Norditalien zieht - und die vielen als die schönste und trendweisendste ihrer Art gilt. Neben dem enormen kreativen Potential in Richtung intelligente Textilien fürs Objekt und den Outdoorbereich, die alle Made in Europe sind, fiel in diesem Jahr besonders die zunehmende Verwendung von Naturfasern auf.

Mit 106 Ausstellern war die Messe wieder voll ausgebucht. Fast die Hälfte kam aus Italien, die anderen aus dem europäischen Ausland - Belgien, Frankreich, Spanien und Großbritannien. Aus Deutschland waren mit Munzert, Delius, Müller-Zell und Pongs vier Anbieter vertreten. Nach Aussagen der Verantwortlichen hat die Proposte noch immer eine Warteliste von rund 30 Firmen. Das klare Konzept und die rigiden Kriterien für die Firmen, die in Como ausstellen dürfen, sollen auch in Zukunft beibehalten werden, so Massimo Mosiello, General Manager der Proposte, gegenüber BTH Heimtex. So müssen die Aussteller in Europa produzieren und ein starkes Engagement in der ästhetischen und technologischen Forschung nachweisen.

Deutsche Industriekunden fehlten

Mit 6.377 Besuchern aus 74 Ländern fanden in diesem Jahr etwas weniger Interessierte den Weg nach Cernobbio als 2010. zugelassen sind nur Verleger, Hersteller von Polstermöbeln, Großhändler, Converter, Contract-Einkäufer und Großkunden auf Einladung. Unter den Besucher fehlten vor allem die Griechen (-33 %) wegen der desolaten Wirtschafslage im Land und die Japaner (-20 %) wegen der Reaktorkatastrophe. Dafür kamen deutlich mehr Fachbesucher aus den USA (+21 %), Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Polen, Portugal und der Schweiz. Aus Deutschland waren es 530 und damit rund 7 % weniger als 2010 gekommen. Inzwischen kommen fast zwei Drittel aller Besucher aus dem Ausland - ein klares Signal dafür, dass Made in Italy und Made in Europe weltweit immer gefragter sind. Editeure stellten mit rund 40 % die größte Fraktion, gefolgt von Großhandel und Industrie.

Großhandel und Editeure und damit der Großteil der wichtigsten Entscheider und Einkäufer aus Deutschland zeigten geschlossen Präsenz. Vermisst wurden wie im Vorjahr die Industriekunden. Der Grund: Erneut waren die Hausmessen der oberfränkischen Polsterhersteller sowie die westfälische Möbelmesse M.O.W. fast zeitgleich zur Proposte terminiert. Trotzdem war man bei den Ausstellern durchweg zufrieden. Michele Eger, Geschäftsführer von Conjugi Eger, zeigt inzwischen nur noch auf der Proposte seine Stoff-Neuentwicklungen: "Die Proposte ist perfekt für Produzenten". Auch Gunnar Pongs befürwortet die klare Ausrichtung auf die Hersteller. "Die Qualität der Besucher hier ist sehr gut, die Proposte ist eine wichtige Messe für uns". Andreas Heydasch von Müller-Zell spricht von einer "durch die Bank weg guten Stimmung" bei den Kunden. Und bei Munzert verzeichnete man relativ viele Kunden aus Italien auf dem Stand - auch zahlreiche Neukunden und viele Amerikaner und Russen. Auch für Vigano, Teviz und Texao ist die Messe "super gelaufen". Die Stimmung sei besser als im Vorjahr.

Rohstoffpreise sorgen für Unsicherheit

Angesichts der dramatisch steigenden Preise an den Rohstoffmärkten war die Stimmung am Comer See allerdings getrübt. Für die Textilhersteller ist diese Entwicklung inzwischen ein riesiges Problem, da sie sowohl über die Garne als auch die Ausrüstung davon betroffen sind und dies die Preiskalkulation äußerst schwierig macht. Allein Baumwolle wurde innerhalb von zwei Monaten um 40 % teurer, so dass Preiserhöhungen unumgänglich sind. "Die Baumwollpreise sind eine absolute Katastrophe," so Gunnar Pongs, dessen Mohair-Stoffe alle einen Baumwollrücken haben. "Länder wie China möchten ihre Rohstoffe selber verarbeiten und auf dem eigenen Markt an den Mann bringen, zumal der Bedarf dort wächst. Und sie möchten nicht die Faser oder das Garn, sondern nur noch das Fertigprodukt exportieren", so Hannes Neubert, Designer bei Munzert. Zudem gebe es Industriezweige, bei denen höhere Preise als in der Heimtextilbranche durchsetzbar sind.

"Der Baumwollmarkt ist leer. Zwar versuchen wir, unsere Preise für den Großhandel längerfristig anzugeben. Allerdings wissen wir heute nicht, zu welchen Konditionen wir die Rohstoffe morgen einkaufen können. Früher haben wir den Preis für zwei Jahre festlegen können. Das geht heute nicht mehr," erklärt Klaus Munzert. Für den Großhandel sei diese Entwicklung ein großes Problem: "Der kann schließlich nicht alle zwei Wochen neue Preislisten herausgeben, das kostet eine Menge Geld." So arbeitet Limonta etwa bei seinen Stoffen inzwischen nur noch mit Tagespreisen. Denn auch Polyesterfasern sowie Recycling- oder Ersatzmaterialien für Baumwolle sind deutlich im Preis gestiegen.

Ohnehin kämpft die Textilindustrie schon seit Jahren gegen steigende Ausgaben, weil Preiserhöhungen nur schwer im Heimtextilmarkt durchzusetzen sind. "Aber irgendwann ist mal Schluss mit Rationalisierungsmaßnahmen, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als die gestiegenen Kosten weiterzugeben", macht Kerstin Baron-Breunig ihrem Unmut über diese Situation Luft. Das wirke sich dann natürlich auf das Orderverhalten der Kunden aus. "In Verkaufsgesprächen über Preiserhöhungen zu diskutieren macht nicht wirklich Spaß", weiß die Vertriebsverantwortliche bei Munzert.

Und so ist das Vorkrisenniveau in der Branche noch nicht wieder erreicht, wenn auch die Auftragslage bei vielen Firmen besser ist als vor einem Jahr. Pongs berichtet von einem vollausgelasteten Zwei-Schicht-Betrieb über einen längeren Zeitraum und guter Auslastung. "Wir sind zufrieden", sagt Gunnar Pongs. "Die Kunden machen mehr Freude als letztes Jahr", war bei Müller-Zell zu hören. Geschäftsführer Andreas Heydasch: "Ab Sommer haben wir unterm Strich ein gutes Plus erzielt. Wollstoffe und Trevira CS-Stoffe für den Objektmarkt laufen in Europa und Deutschland gut, Asien ist nach dem Tsunami schwierig". Märkte wie die USA und Russland erholen sich langsam wieder, so der allgemeine Tenor. Dramatisch haben sich Portugal und Griechenland verschlechtert.

Farben nicht mehr so trendy

Farblich wirds gedeckt, graustichig, schlammig, naturig und edel mit Creme-, Braun- und Schlammtönen über Grau in vielen Schattierungen bis zu Greige und graustichigem Rosa - Farben, die lange Gültigkeit haben und weniger saisonalen Trends unterliegen. Daneben wird gerne kombiniert: Senftöne mit Pastelligem, Fliedertöne, Curry, Weiß und Natur. Außerdem sah man auch warme Gelbtöne und Koralle, Rot, Orange sowie Pink. Und Blau in allen Schattierung: Knalliges Blau in Richtung Lila oder Türkis wird als Geheimtipp für die kommende Saison prognostiziert.

Bei den Materialien sind Naturfasern und Naturcharakter ein wichtiges Thema, es überwiegen natürliche Fasern und Garne wie Leinen, Seide, Baumwolle, Jute, Bambus und Wolle. Auch Kombinationen aus Seide vermischt mit Kaschmir oder Mohair, Soja mit Wolle, Bambus mit Chenille, Leinen mit Viscose-Mischungen oder Polyester sowie Seide oder Leinen mit Baumwolle waren zu sehen. Dabei ist die Haptik härter, trockener, weniger flauschig. Glanz zeigt sich dezent, ein leichter, nur bei dem richtigen Licht zu erahnender Schimmer.

20 bis 30 % Naturfaser-Anteil sollten im höherwertigen Bereich enthalten sein, um sich von der asiatischen Konkurrenz abzuheben. "Im Hochwertbereich wollen die Kunden auch wirklich Naturfasern und nicht nur naturige Haptik", so Baron-Breunig. Der deutsche Kunde erwarte gute Qualität, High Performance-Stoffe, damit die Kollektionen laufen, war bei mehreren italienischen Ausstellern zu hören.

Interessante 3D-Wirkungen entstehen durch eingewebte Effekt- und Bucleegarne, verwaschene Effekte auf Naturfasern bringen einen salopp-lässigen Vintagelook. So entstehen Möbelstoffe und Dekos mit natürlichen und attraktiven Garnkombinationen, mit dreidimensionalen Oberflächen und naturigen Melange-Effekten, bewegten Oberflächen und aufwändigen Veredlungen für besondere optische Wirkung.

Bei den Mustern überwiegen neben Streifen in allen Variationen vor allem prächtige florale Dessins. Abstrakte Grafik, farbenfrohe Zick-Zack-Dessins aus den 60er Jahren, Retromuster, moderne Kelimstrukturen und Ikat-Motive kommen wieder. Auch das Ornament bleibt als opulentes Dessin beliebtes Thema.

Von der Bekleidungsmode inspiriert: maskuline Stoffe mit Fischgrat, Pepita, feinen Streifen, Karos und Hahnentritt. Digitaldrucke auf zarten Drehergeweben oder naturigem Leinen zeigen frühlingshafte Blumen in ganz neuen Dimensionen: Naturalistische Rosenblüten und prächtige Magnolien, Ton in Ton, ganz natürlich oder auch malerische bunt. Innovativ: Lasercut mit Plissee und Scherlis mit eingewebten Streifen oder 3D-Effekt.

Outdoor bleibt Wachstumsmarkt

Als Wachstumsmarkt sieht die Branche nach wie vor den Outdoorbereich - belegt durch zahlreiche neue Kollektionen. Für viele Hersteller sind die hohen technischen und ästhetischen Eigenschaften wie Witterungsbeständigkeit, hohe Lichtechtheit und Pilz-Resistenz eine reizvolle Herausforderung. So präsentierte der italienische Anbieter Limonta erstmals eine vollständige Outdoor-Kollektion in naturiger Anmutung. Para bietet seine Outdoor-Stoffe bereits ab 100 m an.

Wichtig ist ebenfalls der Themenkomplex Öko, Natur, Nachhaltigkeit. Munzert zeigte seine Eco Fabrics-Linie aus recycelten Garnen mit einem großen Anteil Baumwolle. Die Biolife-Kollektion von Lodetex wird aus biologisch abbaubaren Fasern, aus kompostierbarem PLA hergestellt. Conjugi Eger hat seine Öko-Kollektion "Bene" (Biologico Ecologico Naturale Etico als Synonym für "gut leben") aus Bio-Materialien weiterentwickelt und präsentierte interessante Stoffkreationen aus Hanf und Biobaumwolle.

Die nächste Proposte - die zwanzigste - findet vom 8. bis 10. Mai 2012 in der Villa Erba statt. (bg)
aus BTH Heimtex 06/11 (Wirtschaft)