Interview mit Henning Cronemeyer, Geschäftsführer Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR)

"Wir haben ausreichend viele Bewerber"


BTH Heimtex: Herr Cronemeyer, das Schlagwort Fachkräftemangel ist in aller Munde. Inwieweit betrifft das inzwischen auch die Raumausstatter?

Henning Cronemeyer: In unserer letzten Konjunkturumfrage berichteten gut 10% unserer Mitgliedsunternehmen von offenen Stellen. Insofern hat der Fachkräftemangel das Raumausstatter-Handwerk noch nicht in vollem Maße getroffen.

Viel problematischer ist die Situation bei den zahlenmäßig großen Handwerken, die entsprechend viele Auszubildende benötigen. So ist der Nachwuchsmangel im Bäcker- und Fleischer-Handwerk deutlich dramatischer.

Es ist jedoch auch festzustellen, dass andere Gewerke aufgrund ihrer Größe und dementsprechender finanzieller Ausstattung bessere Möglichkeiten haben, den Ausbildungsberuf vorzustellen.

BTH Heimtex: Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass immer weniger Lehrlinge im Raumausstatter-Handwerk ausgebildet werden?

Cronemeyer: Das Raumausstatter-Handwerk befindet sich noch in der glücklichen Lage, dass ausreichend viele Bewerber für potenzielle Ausbildungsverhältnisse zur Verfügung stehen. Immer wieder hören wir, dass die Anzahl der Initiativbewerbungen auf Lehrstellen in unseren Betrieben erfreulich hoch sei. Unbestritten ist jedoch, dass die Eignung der potenziellen Auszubildenden deutlich nachgelassen hat. Insbesondere in den Kernfächern Mathematik und Deutsch sind deutliche Defizite feststellbar.

Hier sind die Schulen gefordert, derartige Schwächen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Auch sollten sie aus unserer Sicht vermehrt auf die Anforderungen einer späteren Arbeitstätigkeit eingehen. Jedoch liegt die Verantwortung für eine gute Allgemeinbildung nicht nur bei den Schulen, sondern auch im Elternhaus.

Fairerweise muss man aber sagen, dass heutige Schulabgänger über Fähigkeiten verfügen, die vor 10 bis 15 Jahren kein potenzieller Bewerber hatte. So sind die Kompetenzen im Bereich der modernen Medien deutlich gestiegen.

BTH Heimtex: Sind für junge Menschen andere Berufe attraktiver als der des Raumausstatters?

Cronemeyer: Der Beruf des Raumausstatters ist für potenzielle Auszubildende durchaus attraktiv, da er Kreativität, handwerkliche Tätigkeit, Umgang mit Menschen und kaufmännisches Geschick vereint.

BTH Heimtex: Wie akut ist denn der Nachwuchsmangel?

Cronemeyer: Die Raumausstatter sind in der glücklichen Situation, noch nicht händeringend zu suchen. Trotzdem ist dem ZVR bewusst, dass sich diese Entwicklung aufgrund der demographischen Entwicklung mittelfristig ändern wird.

BTH Heimtex: Wie reagieren Sie darauf? Gibt es spezielle Aktionen, um Lehrlinge anzuwerben?

Cronemeyer: Der Raumausstatter-Beruf wird auf vielen regionalen Veranstaltungen von den Innungen und Landesverbänden beworben. Auch auf der Handwerksmesse in München haben wir ihn den Jugendlichen näher gebracht.

Das Hauptaugenmerk liegt jedoch im Online-Bereich. So ist auf der Internetseite www.beroobi.de in Zusammenarbeit mit dem ZVR eine Darstellung des Ausbildungsberufes Raumausstatter/in entstanden. Es handelt sich dabei um ein Projekt der vom Bundesbildungsministerium geförderten Initiative "Schulen ans Netz", die diverse Ausbildungsberufe in absolut zielgruppengerechter Weise vorstellt. Die Seite orientiert sich in Aufmachung und Handhabung an den Bedürfnissen heutiger Jugendlicher; sie ist interaktiv und kurzweilig gestaltet. In unseren Augen wird diese Art der Nachwuchswerbung von den Jugendlichen wesentlich intensiver wahrgenommen als beispielsweise Papierflyer und andere Printerzeugnisse.

Der Raumausstatter-Beruf wird auch auf anderen Online-Plattformen vorgestellt; ich möchte insbesondere handwerk.de hervorheben.
Und für die zweite Jahreshälfte ist ein Film mit dem Comedian Simon Gosejohann in der Reihe "Simon, die linke Hand des Handwerks" geplant. Darin wird der Beruf des Raumausstatters auf witzige Weise dargestellt. Simon Gosejohann ist dabei eine Identifikationsfigur der Jugendlichen.

BTH Heimtex: Die doppelten Abiturjahrgänge bescheren verschärfte Bedingungen im Studienbetrieb. Wird dadurch vielleicht eine Ausbildung im Handwerk auch für Abiturienten attraktiv?

Cronemeyer: Die Quote der Abiturienten bei den Auszubildenden ist im Raumausstatter-Handwerk relativ hoch. Grundsätzlich stehen alle Handwerksbetriebe im Wettbewerb um Schulabgänger und auch Abiturienten. Die Handwerksorganisation hat viele Anstrengungen unternommen, um auch eine Alternative zum Studium zu bieten. So wurden diverse Weiterbildungsmaßnahmen initiiert, um einen beruflichen Aufstieg zu erleichtern.

BTH Heimtex: Vielleicht spielt auch der finanzielle Aspekt eine Rolle? Die Ausbildungsgehälter sind nicht gerade hoch.

Cronemeyer: Das muss man differenziert betrachten. Zwar sind die Ausbildungsvergütungen in vielen Handwerksberufen recht niedrig angesiedelt, aber ein Studium bedeutet erst einmal eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung. Auch sind die Einstiegsgehälter für Akademiker nicht so hoch, dass diese Vorleistung schnell ausgeglichen werden könnte.

BTH Heimtex: In den östlichen Bundesländern fehlen besonders viele Lehrlinge. Was halten Sie davon, etwa polnische Jugendliche für eine Ausbildung in Deutschland zu gewinnen?

Cronemeyer: Seit dem 1. Mai besteht vollkommene Freizügigkeit für Arbeitnehmer und Auszubildenden innerhalb der EU. Junge Polen und Tschechen können sich demnach ohne große Formalitäten um Ausbildungsplätze in Deutschland bewerben. Wir müssen die Entwicklung aber zunächst abwarten.

BTH Heimtex: Es sind aber nicht nur Lehrlinge, sondern auch Gesellen und Meister, die langfristig fehlen. Könnte etwa ein gelernter türkischer oder polnischer Raumausstatter in Deutschland als Raumausstatter arbeiten?

Cronemeyer: Die Entscheidung, ob mittel- bis langfristig der deutsche Arbeitsmarkt auf Zuwanderer angewiesen ist, wird nicht vom Raumausstatter-Handwerk entschieden. Inwiefern die Politik die Zuwanderungsregeln ändert, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.

Hinsichtlich der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen sind die Politik und die handwerkliche Organisation aber auf einem guten Weg. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, in Abstimmung mit den Ländern einen gesetzlichen Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren zu schaffen. Das soll feststellen, inwieweit im Ausland erworbene Qualifikationen deutschen Ausbildungen entsprechen. Das Bundeskabinett hat im März den Entwurf für ein "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen" verabschiedet. Die abschließende Lesung im Bundestag soll im September 2011 stattfinden. Insofern besteht die Aussicht, dass in Zukunft ein polnischer Raumausstatter in Deutschland in seinem Beruf arbeiten kann.
aus BTH Heimtex 06/11 (Wirtschaft)