Gesamtverband textil + mode
Neue Prüfverfahren machen Nano kalkulierbar
Berlin - Zerstört der Mensch durch immer neuere Technologien seine Umwelt und am Ende sich selbst? Diese Frage können auch wir nicht beantworten. Die Nanotechnologie jedenfalls wurde schon im Mittelalter eingesetzt. Nur hatte sie da noch keinen Namen. Heute versuchen eine Vielzahl von Forschungsprojekten dem Geheimnis Nano auf die Spur zu kommen. Ein Blick in die Handwerkskunst des Mittelalters zeigt, dass nanokleine Elemente bereits damals genutzt wurden, um Kirchenfenster leuchten zu lassen oder um Schwerter stabiler zu machen. Heute kann dank der Forschung die Anwendung von Nanopartikeln zielgerichtet erfolgen, zum Beispiel in schmutzabweisenden oder antimikrobiellen Ausrüstungen. Die Textil- und Modeindustrie ist sich der großen Verantwortung, die der Einsatz neuer Technologien mit sich bringt, bewusst und fördert daher eine Reihe von Forschungsprojekten, die im Zusammenhang mit Nanotechnologien stehen. Einige Beispiele stellen wir hier vor.
Mit dem Ziel, die ökotoxikologische Unbedenklichkeit von textilen Silber-Nanopartikeln zu belegen, arbeiten Forscher der Hohenstein Institute in Bönnigheim gemeinsam mit 16 Partnern aus Forschung, Industrie und Regulierungsbehörden an einem Großprojekt zur Untersuchung des Verhaltens, des Verbleibs sowie der Wirkung der Partikel in der Umwelt. Die antimikrobielle Wirkung von Nano-Silber, die man sich bereits seit Jahrhunderten u. a. bei der Trinkwasseraufbereitung zunutze macht, verhindert bei Textilien die Besiedelung mit krankmachenden oder auch Geruch produzierenden Keimen. Entsprechend ausgerüstete textile Materialien werden in den verschiedenen Bereichen eingesetzt: Medizintextilien (Spezialwäsche für Neurodermitiker, OP-Kittel, Verbandmaterial), Sport- und Freizeitkleidung, Arbeitsschutzkleidung, Heimtextilien (z. B. Decken, Gardinen) sowie technische Textilien (z. B. Wischtücher, Filtermedien). In deren Produktion, beim Abrieb im Gebrauch, im Waschvorgang sowie bei der Entsorgung wirkt die antimikrobielle Wirkung von Silber auf Prozesse in Umweltmedien ein. Dass hierbei die Mikroflora in Wasser und Boden sowie Grundwasser keine Schäden nimmt, möchte Projektleiterin Dr. Claßen beweisen: "Die im Projekt gewonnenen Daten zur Charakterisierung von Größe, Form und Oberflächenbeschaffenheit von Silber-Nanopartikeln bilden wichtige Grundlagen zur Risikobewertung von mit Silber-Nanopartikeln ausgerüsteten Textilien in der Umwelt."
Im Rahmen des von der Landestiftung Baden-Württemberg GmbH geförderten Projekts SiNaTex (Forschungsinstitut Denkendorf) wurde eine Prüfmethode zur Testung auf Nanopartikelfreisetzung aus Textilien und anderen biegeweichen Materialien entwickelt. Als Ergebnis der Entwicklungen steht eine Prüfmethode bereit, mit der luftgetragene Nanopartikel entdeckt und quantifiziert werden können, die aus faserbasierten Werkstoffen während der Verarbeitung oder unter Gebrauchsbeanspruchung freisetzbar sind. Mit Informationen über Partikelkonzentrationen und Partikelgrößenverteilung sind zwei wesentliche Basisinformationen für Rückschlüsse auf ein etwaiges Gefahrenpotenzial verfügbar.
Das neu begonnene Vorhaben Technotox (Forschungsinstitut Denkendorf) baut auf SiNaTex auf, indem die Prüfmethode hinsichtlich physikalischer und chemischer Charakterisierung sowie physiologischer Wirkung der Partikel stark erweitert wird. Dadurch wird eine wesentlich breitere Datenbasis für eine umfassende Risikobewertung nanotechnologisch modifizierter Textilien möglich.
Im Rahmen dieses Verbundforschungsvorhabens werden Daten zum Verhalten, Verbleib und zur biologischen Wirkung nanofunktionalisierter faserbasierter Werkstoffe in Abhängigkeit von Umgebungsbedingungen erarbeitet, um eine exemplarische Risikoabschätzung durchzuführen. Im Verlauf des Vorhabens werden zudem Methoden entwickelt, die den Nachweis und die Charakterisierung von Nanopartikeln sowie die Beurteilung ihres human- und ökotoxikologischen Gefährdungspotenzials in relevanten Umweltmedien und -kompartimenten ermöglichen. Anhand der Ergebnisse solcher Prüfverfahren können Hersteller zukünftig funktionelle und zugleich sichere Werkstoffe herstellen und dem Verbraucher eine gefahrlose Nutzung garantieren.
aus
Haustex 03/11
(Wirtschaft)