Interview mit Dieter Buhmann, Marburger Tapetenfabrik

"Wir investieren in längerlebiges Design"

In rasantem Tempo bringen deutsche Tapetenhersteller neue Kollektionen auf den Markt. Kaum sind diese im Lager, muss der Handel es schon wieder für die nächsten Muster räumen. Das beschere ihm Ramschverluste und belaste auch die Hersteller, kritisiert Dieter Buhmann. Der Geschäftsführer der Marburger Tapetenfabrik warnte vor dem selbstauferlegten Zwang, immer schneller neue Produkte zu entwickeln. Über die Gefahr des rastlosen Kollektionswechsels, die Notwendigkeit einer Preisanhebung und den guten Start der Produktlizenzmarke "zuhauseWohnen" sprachen mit ihm die Geschäftsführer des SN-Veralgs, Michael und Tim Steinert, sowie BTH-Heimtex-Redakteurin Cornelia Küsel.

BTH Heimtex: Die Tapete, die jahrelang als wenig attraktiv angesehen wurde, ist inzwischen zum Star im Heimtextil- und Interior-Bereich aufgestiegen. Welche Kollektionen von Marburg entwickeln sich am besten?

Dieter Buhmann: Die überstreichbaren Wandbeläge Patent Decor mit den Derivaten Patent Decor 3D und Laser Object Patent entwickeln sich außergewöhnlich gut. Und der Hochwertbereich nimmt zu. Dies liegt sicher auch an der größeren Vielzahl von Designertapeten. Hat früher allein Ulf Moritz in diesem Segment für uns entworfen, sind es heute beispielsweise Zaha Hadid, Luigi Colani, Dieter Langer und Thomas Zeitlberger. So erreicht der Hochwertbereich inzwischen 27 % unseres Umsatzes. Aber auch hier kam es im Zuge der Wirtschaftskrise zu Verschiebungen: Viele Kunden griffen nicht mehr zu den ganz teuren Tapeten, sondern stiegen preislich eine Stufe herab.

Einen ganz tollen Start haben wir mit unserer neuen Lizenzmarke "zuhauseWohnen-Kollektion" vom Jahreszeiten-Verlag hingelegt, die erstmals im Januar auf der Heimtextil vorgestellt wurde. Weltweit sind 4.000 Kollektionen im Markt, Deutschland ist vollständig bestückt. In der Startphase haben wir schon über 100.000 Rollen verkauft.

BTH Heimtex: Wie hoch ist der Umsatz von Marburg?

Buhmann: Traditionell nennen wir keine Zahlen. Weil in jüngerer Zeit aber völlig falsche Vorstellungen kommuniziert wurden, will ich hier eine Ausnahme machen: Marburg setzt jährlich rund 80 Mio. EUR um. Damit stehen wir in Deutschland an dritter Stelle hinter A.S. Création und Rasch.

BTH Heimtex: Aber Sie haben doch sicherlich ganz andere Zielgruppen, als die Mitbewerber.

Buhmann: Nicht ganz andere Zielgruppen, aber ganz andere Schwerpunkte. Am stärksten sind wir nach wie vor bei Groß- und Fachhandel, die zu unserem höherwertigen Angebot gut passen. Hier machen wir über 50% unseres Inlandsumsatzes. Im Baumarktbereich haben wir leider die OBI-Listung an A.S. Création verloren. Dennoch konnten wir den damit verbundenen Umsatzausfall bisher gut kompensieren. Von unseren Anteilen an der TOP GmbH, die als Merchandiser OBI versorgte, haben wir uns getrennt.

BTH Heimtex: Wie reagiert Marburg auf die gestiegenen Rohstoffpreise?

Buhmann: Die Preise unserer Vorlieferanten steigen teilweise dramatisch - und zwar verglichen mit dem Vorkrisenniveau: Pasten um fast 40 %, Druckträger um etwa 7 %, Verpackungsmaterialien um rund 13 %, um nur einige Beispiele zu nennen. Und es ist noch nicht abzusehen, wo sich ein neues Gleichgewicht einpendeln wird. Wir kommen nicht um eine Preiserhöhung herum, die von uns zum 1. September angekündigt ist und etwa 6 % ausmachen muss. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das noch moderat. Wie unsere Wettbewerber mit der Entwicklung umgehen, wissen wir nicht. Seit der Durchsuchung der Tapetenhersteller durch das Kartellamt herrscht absolute Sprach- und Informationslosigkeit.

BTH Heimtex: Lässt sich die Verteuerung angesichts weiterhin nur moderat steigender Löhne und Gehälter am Markt durchsetzen?

Buhmann: Dafür müssen wir kämpfen. Und das "Ende der Bescheidenheit" wird wohl auch an der Lohnfront für größere Anpassungen nach oben sorgen.

BTH Heimtex: Wird Ihre Zielgruppe, die auf höherwertige Ware bedacht ist, die Teuerung eher akzeptieren, als Kunden des Baumarkts?

Buhmann: Preiserhöhungen im Großhandel und im Fachmarkt werden eher akzeptiert als im Discountbereich, in dem Marburg ohnehin nur unterproportional vertreten ist. Sicher hat die Branche hier ein Problem, denn es besteht die Gefahr, dass die Preise in den Vertriebskanälen auseinanderdriften. Kostenrechnerisch müssten die Preise im Discount-Bereich stärker erhöht werden, aber ich bin skeptisch, ob das gelingen wird.

BTH Heimtex: Trägt Ihre erste Produkt-Lizenzmarke "zuhauseWohnen-Kollektion" dazu bei, über eine neue Zielgruppe die Marktanteile wieder zu erhöhen?

Buhmann: Ja, auf alle Fälle. Es freut uns sehr, dass "zuhauseWohnen" so erfolgreich gestartet ist. Werblich stellen wir derzeit die Frühlingsfarben der Kollektion stark heraus, in der zweiten Jahreshälfte kommen die herbstlichen Töne in den Fokus. Wichtig ist uns, "zuhauseWohnen-Kollektion" als Marke zu etablieren.

BTH Heimtex: In welcher Vertriebsschiene bieten Sie "zuhauseWohnen"-Tapeten an?

Buhmann: Das ist zuallererst eine Fachhandelsmarke. Wobei wir uns freuen, dass auch der größte deutsche Fachhändler Hammer entschieden hat, "zuhauseWohnen"-Tapeten in seinen Tapeterien anzubieten. Für Discount und Baumarkt sind "zuhauseWohnen"-Tapeten nicht geeignet. Dem Großhandel dagegen bietet sich die Möglichkeit, einen Block "zuhauseWohnen" in seine Querschnittskarten zu verschneiden - allerdings zu reduzierten Konditionen.

BTH Heimtex: Wird "zuhauseWohnen" die einzige Produktlizenzmarke von Marburg bleiben?

Buhmann: Nach verschiedenen erfolgreichen Künstler- und Designerlizenzen haben wir jetzt erstmals eine Produktlizenz. Damit müssen wir nun unsere Erfahrungen sammeln. Auch, was die Präsentation am POS anbelangt, wo wir sicher noch besser werden können. Ob dann eine weitere Produktlizenz sinnvoll ist, hängt auch davon ab, welche Lizenz das wäre und für welchen Vertriebskanal sie geeignet ist.

BTH Heimtex: Besteht sonst nicht auch die Gefahr der Kannibalisierung?

Buhmann: Ja, ich meine schon. Und man muss auch aufpassen, dass der Handel nicht mit einer immer schnelleren Frequenz von Lizenzkollektionen überfordert wird. So ein Konzept wollen wir nicht fahren.

BTH Heimtex: Ist der schnelle Kollektionswechsel grundsätzlich ein Problem, das sich die Branche selbst schafft?

Buhmann: Ja und nein. Die meisten unserer Themenkarten haben heute eine längere Laufzeit als früher. Der lagerhaltende Handel muss ja schließlich seine Investitionen rechnen und die im Durchschnitt sechsmonatige Marktpenetration abwarten können. Bei zu hoher Innovationsfrequenz müssen die Läger öfter geräumt werden, die Ramschverluste steigen.

Im Zimmergeschäft verlagert sich dieses Problem auf den Hersteller. Deshalb halten wir es für sinnvoll, lieber etwas mehr Zeit in längerlebiges Design à la Ulf Moritz zu investieren. Das trifft tendenziell auch auf die Marke "zuhauseWohnen-Kollektion" zu.

BTH Heimtex: Reicht es denn, wenn in einer Kollektion wie "zuhauseWohnen" einfach nur die Farben ausgewechselt oder aufgefrischt werden?

Buhmann: Manchmal geht das. Meist wird man aber auch bei Weiterläufern einen erfolgreichen Bestseller-Block um gut gemachte Neuheiten ergänzen müssen. Das könnte gerade für den Handel ein guter Weg sein.

BTH Heimtex: Marburg ist doch schon eine Marke. Haben Sie keine Angst, dass sie durch "zuhauseWohnen-Kollektion" verwässert werden könnte?

Buhmann: Klar muss man darauf achten. Ich glaube aber, dass sich Marburgs Profil mit der neuen Marke eher schärfen wird. Verwässerungen wären zu befürchten, wenn wir mit vier oder fünf "Marken" versuchen würden, auf allen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen.

BTH Heimtex: Wird es unter dem Label "zuhauseWohnen" künftig ein ganzes Wohnsortiment geben, in dem sich einzelne Produktgruppen wie bei der Marke "Schöner Wohnen" ergänzen?

Buhmann: Der Jahreszeiten Verlag hat eine solche Entwicklung jedenfalls nicht ausgeschlossen. Aber neue Lizenzprodukte müssen zur Marke und zu den Zielgruppen passen.

BTH Heimtex: Die Marke ließe sich nach den Erfahrungen mit der Tapete sicherlich auch gut im Ausland vermarkten. Was sind die stärksten ausländischen Märkte von Marburg?

Buhmann: Russland gefolgt von Frankreich und China, wobei China schnell wächst. Die Konsumenten in den großen chinesischen Städten wollen europäische Tapeten trotz ihres vergleichsweise hohen Preises, weil die frei von Gerüchen und Schadstoffen sind und natürlich auch ein wenig Snob-Appeal haben.

BTH Heimtex: Ihren Worten ist zu entnehmen, dass auch die Chinesen Wert auf Nachhaltigkeit legen. In Deutschland ist dies schon lange ein großes Thema, aber oft viel zu vage. Konkreter Umweltschutz lässt zu wünschen übrig. Wie geht Marburg damit um?

Buhmann: Wir sind vor 13 Jahren mit der Kollektion "Villanova" gescheitert. Diese Schaumtapeten waren PVC- und weichmacherfrei. Damals waren sie den Kunden aber zu teuer. Jetzt halten wir die Zeit reif für einen neuen Anlauf. Wir beginnen die Entwicklung eines Angebots "grüner" Tapeten mit unserer neuen "Villanova", die so nachhaltig wie möglich produziert wird. Auch die neue "Studio Collection" gehört in diese Kategorie. Damit haben wir beides: grüne Tapeten und herkömmliche, die ja auch kein ökologisches Problem haben. Wie im Lebensmittelmarkt kann der Kunde wählen: Bio oder konventionell. Grüne Tapeten sind in der Herstellung teurer. Sie sehen nicht anders aus, aber sie sind anders. Die Erfahrung zeigt, dass ein Teil der Verbraucher bereit ist, für sein gutes Gefühl einen höheren Preis zu bezahlen.

BTH Heimtex: Für Weiterentwicklung bei Marburg ist also gesorgt. Mit den neuen Produkten muss auch Ihr interaktiver POS gespeist werden. Wie kommt der im Januar bei der Heimtextil erstmals präsentierte Kiosk bei Ihren Kunden an?

Buhmann: Wir haben inzwischen weltweit rund 600 Kioske platziert, davon mehr als die Hälfte im Ausland. Das übertrifft unsere Erwartungen. Der Marburg-Kiosk hilft dem Fachhandelsberater bei der Kundenbetreuung und bei seiner eigenen Ausbildung, denn es ist ein Schulungsprogramm und eine individuelle Kalkulation hinterlegt.

Dem Endverbraucher bietet der Kiosk vielfältige Visualisierungen bei der Auswahl seiner Wunschtapete. Nimmt er zum Beispiel eine Tapete aus dem Fach, hält diese unter den Barcodescanner des Kiosks, erscheint das Bild "seiner" Tapete fertig tapeziert in einem Raum. Für 1.000 EUR, von denen Marburg einen Teil subventioniert, bekommt der Kunde viel Leistung. Für die vier Updates jährlich, Softwarepflege und die Garantie kommt eine kleine Gebühr von 8,25 EUR im Monat hinzu.

BTH Heimtex: Auf welche Kollektion für den nahenden Herbst können wir uns freuen?

Buhmann: Als Themenkarten erscheinen unter anderem "Panels" und "Scandinavien Vintage". Besonderen Wert haben wir außerdem auf die Entwicklung neuer, schöner Konsumblätter für den Kollektionswechsel des Großhandels gelegt.

Marburg Daten und Fakten


Marburger Tapetenfabrik
Bertram-Schaefer-Straße 11
35274 Kirchhain
Tel.: 06422 / 81-0
Fax: 06422 / 81-223
contact@marburg.com
www.marburg.de

Geschäftsführender Gesellschafter: Ullrich Eitel

Geschäftsführer: Dieter Buhmann

Verkauf: Dirk Steinhoff

Marketing: Michael Freiberger

Gründungsjahr: 1845

Mitarbeiterzahl: ca. 350

Außendienst: 10

Umsatz: 80 Mio. EUR
aus BTH Heimtex 07/11 (Wirtschaft)