Ausbildungs-Gipfel mit den Spitzen von ZVPF, BEB und ZVR
Gemeinsam gegen den Nachwuchsmangel
Dass die Lehrlingszahlen in den bodenlegenden Gewerken seit Jahren kontinuierlich zurückgehen, beunruhigt die Verantwortlichen in den Handwerksorganisationen. Denn die Auszubildenden von heute sind die Gesellen und Meister von morgen und damit die Zukunft der Branche. Vertreter der Boden- und Parkettleger, der Estrichleger und Raumausstatter trafen sich daher zu einer Gesprächsrunde in der Redaktion von BTH Heimtex, um die Situation zu analysieren und mögliche Wege aus der Krise aufzuzeigen.Prominent besetzt war die Gesprächsrunde, die sich zum Thema "Nachwuchssituation im bodenlegenden Handwerk" in den Räumen von BTH Heimtex versammelt hatte: Karsten Krause, stellvertretender Bundesinnungsmeister im Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik (ZVPF), Heinz Schmitt, Vorsitzender des Bundesverbandes Estrich und Belag (BEB), und Norbert Berndt, Präsident im Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR), nutzten die Gelegenheit, sich mit der Redaktion über die Entwicklung der Ausbildungszahlen in den Gewerken auszutauschen und gemeinsam einen Blick in die Zukunft zu werfen. Karl-August Siepelmeyer, Präsident des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, war kurzfristig verhindert, gab aber eine schriftliche Stellungnahme zu dem Themenkomplex ab (siehe unten).
Immer weniger AuszubildendeZunächst die Fakten: Die Zahl der Auszubildenden in den bodenlegenden Handwerken sinkt seit Jahren. 2010 lernten über alle drei Lehrjahre gesehen 564 Jugendliche den Beruf des Bodenlegers (-2,1% zum Vorjahr), 758 wollten Parkettleger werden (-9,3%), 2.255 Raumausstatter (-7,7%) und 22.810 Maler/Lackierer (-5,7%). Lediglich den Estrichlegern ist es gelungen, sich auf niedrigem Niveau bei 132 Auszubildenden zu stabilisieren. Aktuell sei diese Situation noch nicht bedrohlich für die Gewerke, hieß es übereinstimmend. Im Malerhandwerk wird derzeit sogar 60% über den Bedarf ausgebildet; hier ist also noch reichlich Luft nach unten. Aber vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung bahnt sich für die Zukunft ein Mangel an Fachkräften an, den schon heute der eine oder andere Betrieb zu spüren bekommt. Dem muss entgegengesteuert werden, war die einhellige Meinung in der Runde.
Die Gründe für sinkende Lehrlingszahlen sind vielfältig: Die Ausbauberufe stünden bei der Berufswahl nicht primär im Fokus von Schulabgängern, Eltern, Lehrern und Berufsberatern, meinte Karsten Krause. Zunächst gingen die Ratschläge und Wünsche in Richtung Büro und Schreibtisch. "Wer dann bei Banken, Versicherungen oder Verwaltungen nicht genommen wird, bewirbt sich in der zweiten oder dritten Runde bei uns."
Das hat Auswirkungen auf die Qualität der Bewerber. Das Bildungsniveau sei katastrophal niedrig, sowohl was mathematische Kenntnisse als auch was die Allgemeinbildung angeht, hieß es von allen Diskussionsteilnehmern. Die Berufsschulen seien deshalb gefordert, erst einmal die Ausbildungsreife herzustellen.
Berufe zu wenig bekanntImmerhin: Bei den Raumausstattern gibt es sogar noch zahlreiche Initiativbewerbungen. Unter den Interessenten herrschen aber vielfach falsche Vorstellungen davon, was denn ein Raumausstatter tatsächlich tut. Dass man sich bei der Arbeit auch die Finger schmutzig machen muss und in der Ausbildung die eigene Kreativität nur bedingt zur Entfaltung kommt, sei vielen nicht klar, beschrieb Norbert Berndt den Alltag in der betrieblichen Ausbildung.
Überhaupt scheint das lückenhafte Wissen über die einzelnen Berufe eines der größten Probleme zu sein. Selbst bei den zuständigen Berufsberatern in der Bundesagentur für Arbeit sind die Informationen nur spärlich vorhanden, das Handwerk des Bodenlegers teilweise gar nicht bekannt. Darüber, was mit den Broschüren geschehen ist, die bei der Einführung des Berufes in Zusammenarbeit mit dem damaligen Arbeitsamt erstellt wurden, konnte Karsten Krause denn auch nur mutmaßen: "Das ist immer noch eine Behörde. Vermutlich sind sie in einer Abstellkammer gelandet und nach fünf Jahren weggeschmissen worden." Auch die Flyer des ZVPF fänden offenbar nicht den Weg zu den Beratern.
Die Handwerksvertreter haben mit Eigeninitiative reagiert. Krause hat noch einmal Informationsmaterial an die für seine Region zuständige Arbeitsagentur geschickt. Norbert Berndt lud die Berufsberater gleich in seinen Betrieb ein: "Denen gingen die Augen über und aus den geplanten zwei sind schließlich vier Stunden geworden." Er hofft, dass jetzt zumindest in seiner Region die Beratung der Jugendlichen effektiver und genauer wird.
Die Höhe der Ausbildungsvergütung spiele bei der Berufswahl jedenfalls keine große Rolle, war sich Heinz Schmitt sicher. Viel wichtiger seien die Fragen: Was kommt danach? Kann ich eine Familie ernähren? Habe ich Fortbildungschancen?
Wenig Ausbildungsbereitschaft der BetriebeSchmitt wies auch auf ein anderes Problem in diesem Zusammenhang hin: "Bei den Estrichlegern liegt die niedrige Zahl der Auszubildenden an der geringen Ausbildungsbereitschaft der Betriebe." Nach dem Wegfall des Meisterzwangs ist die Befürchtung weit verbreitet, dass man mit der Ausbildung jemanden schlau macht, der sich anschließend in unmittelbarer Nähe selbstständig macht. "Früher hatte man in den Betrieben die Einstellung, dass man für sich zunächst einen Gesellen ausbildete. Und wenn der später seinen Meister und sich dann selbstständig machte, agierte man wenigstens auf Augenhöhe", bestätigte Karsten Krause.
Dennoch liegt es im Interesse eines jeden Unternehmers, selbst qualifiziertes Personal auszubilden. Mit dem kann man sich gegenüber Billiganbietern abgrenzen. Und: Wo der Nachwuchs fehlt, fehlt oft auch der Nachfolger. Viele Betriebe müssen ihren Betrieb einstellen, weil der Inhaber in den Ruhestand geht und aus den eigenen Reihen niemand in der Lage ist, das Geschäft zu übernehmen.
Aber trotz dieser guten Gründe, Lehrstellen einzurichten, erntete Norbert Berndt Zustimmung für seine Diagnose, dass lediglich die wirklich guten Betriebe in die Ausbildung investieren - und zwar ausschließlich für den Eigenbedarf.
Eine Frage, die in diesem Zusammenhang oft gestellt wird: Dürfen Betriebe ohne Meisterbrief überhaupt ausbilden? Ja, sie dürfen, sofern eine Ausbildereignungsprüfung abgelegt wurde. Allerdings bescheinigt sie nicht die fachliche Einigung, weshalb grundsätzlich eine Verschlechterung der Ausbildungsqualität zu befürchten ist.
Aus der Industrie ist in Sachen Nachwuchs offenbar nicht mit Unterstützung zu rechnen. Hier wird vergleichsweise wenig ausgebildet und die Absolventen finden kaum den Weg ins Handwerk. Im Gegenteil: Vor allem Meister wandern häufig zu den Industriebetrieben ab und verschärfen so den Fachkräftemangel bei ihren Ausbildungsbetrieben.
Lerninhalte in großen Teilen identischDie Zeit wäre also reif für eine konzertierte Aktion aller betroffenen Gewerke. "Ich frage mich, ob die jungen Menschen nicht größeres Interesse an einem Gesamtberuf Boden hätten", meinte dazu Karsten Krause. Erste Schritte hat es schon gegeben. Aber die Bemühungen um die Bildung einer Berufsfamilie sind zwischenzeitlich ins Stocken geraten und mit ihnen die gemeinsamen Planungen für die Ausbildung.
Dabei sind die Voraussetzungen für eine gewerkeübergreifende Zusammenarbeit im Ausbildungsbereich äußerst günstig, denn die Lerninhalte sind größtenteils identisch. Zwischen Boden- und Parkettleger ist die Übereinstimmung mit 75% am größten.
Erst über die Verlegung von Massivparkett und die Oberflächenbehandlung (Parkettleger) bzw. die Verarbeitung von elastischen Belägen nach Spezialanforderungen wie dem Hygiene- und Krankenhausbereich (Bodenleger) findet die Differenzierung statt. Ähnlich groß sind die Schnittmengen zwischen Bodenlegern und Raumausstattern, nachdem diese auf die Schwerpunktausbildung umgestellt haben - zumindest, wenn der Lehrling sich für den Schwerpunkt Bodengestaltung entscheidet, auf den dann auch in der Gesellenprüfung das Hauptaugenmerk gelegt wird. Zu den übrigen Lernfeldern, etwa dem Polstern, wird lediglich Grundwissen vermittelt.
Bei den Betrieben jedenfalls geht der Trend deutlich in Richtung Diversifizierung. Das bedeutet einerseits, dass die Auszubildenden thematisch breiter lernen und eingesetzt werden als noch vor Jahren. Andererseits brauchen viel mehr Unternehmen inzwischen Spezialisten für textile, elastische und Parkettböden.
Werbung und Information im InternetAber die gemeinsame Ausbildung ist noch Zukunftsmusik und so bemüht sich aktuell jedes Handwerk noch separat um geeigneten Nachwuchs. Die Estrichleger verfügen über eine eigene Bundesfachschule, auf deren Webseite Informationen rund um die Ausbildung zusammengetragen wurden. Entsprechende Flyer werden gegenwärtig aktualisiert. Auf bauberufe.net, einer Internetseite des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB), soll das Gewerk zukünftig ebenfalls vorgestellt werden.
Die Webseite des ZVPF wird bis zum Herbst neu gestaltet. Dann wird dem Bereich Ausbildung noch mehr Raum eingeräumt und die Navigation moderner gestaltet. Technische Inhalte, Schulstandorte, Fortbildungsmöglichkeiten oder Informationen zu Leistungswettbewerben sind dort schon heute zu finden. Zusätzlich gibt es Flyer für die beiden Berufe Parkettleger und Bodenleger, die an die Arbeitsagenturen verschickt wurden, sowie eine komplexere Ausbildungsbroschüre, die man beim Verband anfordern kann.
Auch der ZVR nutzt die neuen Medien bei seinem Bemühen um interessierte Nachwuchskräfte. Die eigene Webseite wird ebenfalls gerade neu gestaltet. Außerdem gibt es einen Blog. Bereits sehr erfolgreich ist man auf dem Internetportal beroobi.de, wo ein Film den Beruf vorstellt. Und auch einer der Filme, die der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mit dem Comedian Simon Gosejohann für seinen Webauftritt produziert, widmet sich dem Raumausstatter. Eher konventionell verläuft die Ausstattung der Innungen mit Flyern und Broschüren, die dann an Ausbildungstagen in Schulen eingesetzt werden.
Fazit: Problem erkannt, aber noch nicht gelöstDas Fazit der Diskussionsrunde macht Mut. Alle drei Handwerksvertreter sind sich in der Beurteilung der Situation einig: Es gibt einen, wenn auch unterschiedlich ausgeprägten, Nachwuchsmangel, der sich über kurz oder lang zu einem Fachkräftemangel auswachsen wird. Auch darüber, wie mit dem Problem umzugehen ist, herrscht Einvernehmen. Aber noch muss jedes Gewerk für sich alleine dafür Sorge tragen, bekannter bei den Jugendlichen, Eltern und Berufsberatern zu werden und das eigene Image zu verbessern. Das Ziel ist es, Auszubildende zu gewinnen, die eine Karriere als Boden- oder Estrichleger nicht nur als letzten Ausweg betrachten, um nicht ganz ohne Lehrstelle dazustehen. Für die organisatorische Unterstützung und die richtigen Rahmenbedingungen können die Handwerksverbände sorgen. Bei der Umsetzung sind sie auf die Mitarbeit und Ausbildungsbereitschaft der Innungsbetriebe angewiesen, für die das aber durchaus im eigenen Interesse liegt.
Karl-August Siepelmeyer: "Die Maler bilden 60% über den eigenen betrieblichen Bedarf aus."
Karl-August Siepelmeyer, Präsident des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, musste seine Teilnahme an der Gesprächsrunde kurzfristig absagen. Er gab seine Stellungnahme zur Ausbildungssituation im bodenverlegenden Handwerk schriftlich ab.
"Die betrieblichen Ausbildungszahlen sind im Maler- und Lackiererhandwerk auf hohem Niveau stabil. In der Hitliste der ausbildungsstärksten Berufe liegen wir weiterhin in der Spitzengruppe - nicht nur im Handwerk.
Noch bilden wir mit ca. 60% über den eigenen betrieblichen Bedarf aus. Aber der demografische Rückgang wird auch unser Gewerk betreffen. Qualifizierte junge Menschen werden zukünftig eine Vielzahl von Karrieremöglichkeiten haben und besonders um diese Gruppe wird der Kampf zwischen den Betrieben und Branchen härter werden.
Initiativen wie "Das Handwerk von nebenan" des ZDH sorgen allgemein für ein positives Image des Handwerks. Wir führen das mit spezifischen Informationen zu unserem Gewerk fort, beispielsweise mit der Kampagne "Volle Farbe - Sei am Start" oder auf den Seiten von malerberufe.de. Unsere Innungen haben Mustervorträge und Informationsmaterialien zur Präsentation bei Ausbildungsmessen oder in Schulen erhalten.
Unser breites Berufsbild ermöglicht es, an eine fundierte Ausbildung mehrere Spezialisierungen und Berufe anzuschließen. Daraus entstehen Perspektiven in unterschiedliche Richtungen. So haben wir in verschiedenen Pilotprojekten die Gesellenausbildung mit einem Fachhochschul-Abschluss bzw. einem Bachelor-Studiengang kombiniert. In Zukunft wollen wir die Selbstständigkeit mit dem Meisterabschluss verstärkt herausstellen. Grundsätzlich trägt der Bundesverband etwa durch Lehrerfortbildungen dazu bei, dass die Qualität der Lehre gesichert bleibt.
Was heute die Qualität der Bewerber betrifft, stellen wir fest, dass immer mehr ihre schulische Ausbildung mit erheblichen Defiziten beendet haben. Die hohen Durchfallquoten gerade bei der theoretischen Prüfung sprechen für ein großes Qualitätsproblem. Unsere Mitglieder arbeiten überwiegend bei Privatkunden. Da ist auch vom Lehrling ein ordentliches Auftreten im Benehmen und als Persönlichkeit gefordert. Die Betriebe müssen hier vielfach Versäumnisse in der Erziehung ausgleichen. Das gelingt nicht immer.
Bezüglich der Zusammenarbeit der Gewerke gehe ich davon aus, dass sich in absehbarer Zeit der Druck aus der Politik verstärken wird. Dabei liegen die Konzepte für eine Berufsfamilie Farbe - Raum - Boden bereits in der Schublade. Wir versprechen uns davon auch eine größere Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungsberufen. Wer beispielsweise als Raumausstatter im Bodenlegen ausgebildet wird, bekäme dies in einer Malerlehre anerkannt, und umgekehrt."
aus
BTH Heimtex 07/11
(Wirtschaft)