Interview mit Henning Cronemeyer, ZVR-Geschäftsführer
"Der offene Arbeitsmarkt kann eine Chance sein"
Das Raumausstatter-Handwerk scheint sich bei den Bürgern der neuen EU-Staaten in Osteuropa großer Beliebtheit zu erfreuen. Bereits vor Inkrafttreten der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit zog es viele von ihnen nach Deutschland, um sich als Raumausstatter selbstständig zu machen. BTH Heimtex sprach mit Henning Cronemyer, Geschäftsführer des Zentralverbands Raum und Ausstattung (ZVR), über die Auswirkungen des seit dem 1. Mai 2011 offenen Arbeitsmarktes.BTH Heimtex: Seit 1. Mai ist der deutsche Arbeitsmarkt auch für EU-Bürger aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechischer Republik und Ungarn geöffnet. Welche Auswirkungen hat die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf das Raumausstatter-Handwerk?Henning Cronemeyer: Schon vor dieser Öffnung konnten sich ausländische Unternehmen in Deutschland als Raumausstatter niederlassen. Das haben auch viele getan. Nunmehr können jedoch Arbeitnehmer aus (fast) allen Mitgliedsstaaten in der EU eine Arbeitsstelle suchen. Diese Freizügigkeit kann aber als Chance gesehen werden: Noch sind die Bewerberzahlen im Raumausstatter-Handwerk einigermaßen befriedigend. Doch gibt es schon jetzt in einigen Branchen Fachkräftemangel. Aufgrund der demographischen Entwicklung steht dies auch dem Raumausstatter-Handwerk bevor. Zwar müssen wir die Auswirkungen der Öffnung erst noch abwarten, um eine valide Auskunft geben zu können. Festzuhalten ist jedoch, dass die Freizügigkeit nicht umkehrbar ist und wir daher das Beste aus der Situation machen müssen.
BTH Heimtex: Nach Feststellung des DIW ist die Zahl der osteuropäischen EU-Bürger, die sich in Deutschland selbstständig gemacht haben, bereits seit der Ost-Erweiterung gestiegen. Besonders betroffen war das Raumausstatter-Handwerk. Können Sie das bestätigen?Cronemeyer: Das ist richtig. Im vergangenen Jahr waren 2.672 Betriebe mit Inhabern aus den neuen EU-Ländern bei den Handwerkskammern als Raumausstatter eingetragen.
BTH Heimtex: Worin sehen Sie den Grund für diese Entwicklung?Cronemeyer: Das Raumausstatter-Handwerk ist in der Anlage B1 der Handwerksordnung. Dies bedeutet, dass man keinen Meisterbrief benötigt, um sich mit einem Betrieb selbstständig zu machen. Hinzu kommt, dass viele glauben, die Leistungen eines Raumausstatters auch ohne eine fundierte Ausbildung anbieten zu können. Dies ist natürlich ein Trugschluss. Deswegen gehen wir davon aus, dass diese Betriebe in den meisten Fällen keine große Überlebenschance haben.
BTH Heimtex: Werden im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit weiterhin viele osteuropäische EU-Bürger in Deutschland den Schritt in die Selbstständigkeit im Raumausstatter-Handwerk wagen?Cronemeyer: Höchstwahrscheinlich wird es aufgrund der vollen Freizügigkeit zu einem erneuten Anstieg kommen. Wir gehen aber davon aus, dass sich am Markt Qualität durchsetzen wird. Dies soll nicht bedeuten, dass alle ausländischen Anbieter nichts vom Raumausstatter-Handwerk verstehen. Jedoch verfügen viele nicht über eine entsprechende Ausbildung. Aber das betrifft auch die vielen inländischen "Unternehmer", die sich ohne jegliche Ausbildung bei den Handwerkskammern als Raumausstatter eintragen lassen haben.
aus
BTH Heimtex 07/11
(Wirtschaft)