ABK Cheftagung
Überraschungscoup im hohen Norden
Rostock - Die Einladung zur Cheftagung der ABK war recht kurz gefasst, denn zum zweitägigen Informationsprogramm war darauf lediglich "Lassen Sie sich überraschen" zu lesen. Außerdem hatte man mit dem Tagungsort Rostock eine auf der Landkarte eher peripher gelegene Stadt gewählt, verbunden mit einer ziemlich langen Anreise für viele der Teilnehmer. Aber die letztjährige Veranstaltung in Lindau hatte offenbar Appetit auf mehr gemacht, jedenfalls konnte Verbandsgeschäftsführer Thomas Fehr mit deutlich über 120 Teilnehmern so viele Gäste aus Handel und Industrie wie noch nie begrüßen. "Mehr geht eigentlich nicht", so Fehr.Wer die Entwicklung der ABK in den letzten Jahren beobachtet, erkennt immer mehr, dass hinter den vorgenommenen aktuellen Veränderungen im Verband eine Art Masterplan steht. Nicht nur, dass das Sortiment insgesamt gestrafft und konzentriert wurde und mit Royal Dream sowie Aventura nur noch zwei Verbandsmarken zu finden sind. Auch der veränderte Ablauf der alljährlichen Cheftagung im Herbst und deren Inhalte zeigen, dass Geschäftsführer Thomas Fehr und sein Team klare strategische Vorstellungen haben. Im vergangenen Jahr drehte sich alles um die Optimierung des Status Quo: in den Geschäften selbst, aber auch zwischen den Gesellschaftern, die bekanntlich aus zwei eigenständigen Verbänden zur ABK verschmolzen sind. In diesem Jahr ging es nun, wie der Überraschungscoup zum Ende allen deutlich machte, um die Zukunftsgestaltung der ABK-Häuser und des Verbandes selbst.
Dabei ist es dem Verband gelungen, eine "wohltemperierte" Veranstaltung auf die Beine zu stellen, eine gelungene Mischung aus Information und Unterhaltung. Sie begann am Abend der Anreise mit einer Fahrt auf der Warnow von Rostock bis Warnemünde, begleitet durch Fischer Kai, der im wahren Leben wahrscheinlich noch nie einen Fisch gefangen hat. Er weihte die Gäste vor Beginn der Fahrt erst einmal in die Besonderheiten der norddeutschen Kommunikation ein. Nur so viel: Besonders redselig ist man dort nicht, meist reicht ein Wort - wenn es hoch kommt. Während der Flusstour, begleitet von einem imposanten Sonnenuntergang, unterhielt Kai die Gäste durch kleine, aber absolut verblüffende Zaubertricks. Wieder zurück an Land und im Hotel fanden sich noch zahlreiche Tagungsteilnehmer zu einem improvisierten Teambuilding an der Bar ein. Ein Flügel animierte zwei Gäste zu Tastenspielereien aus dem Stegreif, worauf sich schnell ein Chor sangesfreudiger Bettenhändler dazugesellte. Allen gefiel die Gesangseinlage so gut, dass es am zweiten Tag nach dem Gala-Abend ein da capo gab, diesmal sogar begleitet durch Klavier und Gitarre. Smartphones dienten als Mundorgel 2.0 für eine gewisse Textsicherheit.
Frisch motiviert ging es am nächsten Morgen in den ersten Tagungsabschnitt. Er begann, gespielt durch Ensemble-Mitglieder des Business-Theaters Steife Brise, mit einer typischen Verkaufsszene in einem Bettenfachgeschäft des Jahres 1991. Generell schien, zumindest der Handlung zufolge, damals dem Händler der Lieferant wichtiger als der Kunde zu sein. Anschließend wurde unter Leitung von Professor Alexander Doderer herausgearbeitet, was damals vielleicht üblich, aber nicht nur aus heutiger Sicht falsch und verbesserungswürdig war. "Damals wurde die Ware noch verteilt", bemerkte ein Fachhändler einerseits etwas sehnsüchtig, andererseits in voller Kenntnis, dass heute ganz andere Zeiten herrschen. Die Mitglieder der Steifen Brise begleiteten die Veranstaltung bis zum Schluss und sorgten mit ihren Einlagen immer wieder für große Heiterkeit, öffneten mit ihrem Spiel aber auch die Augen der Teilnehmer für zeitgemäßen Bettenfachhandel. Doderer, seines Zeichens Strategieberater und Mitinhaber der Agentur Gruppe Drei, hatte bereits im letzten Jahr der Cheftagung in Lindau und Bregenz seinen Stempel durch fachkundige Begleitung aufgedrückt. Auch in diesem Jahr moderierte er, gemeinsam mit Steife-Brise-Chef Thorsten Brand, die Tagung.
Es folgte ein Verkaufsgespräch im Jahr 2011. Es irrte wer meinte, nun vorgeführt zu bekommen, wie man es wirklich machen soll. Tatsächlich traf ein überforderter Mitarbeiter des Geschäfts auf eine sehr von sich überzeugte Verbraucherin, die meinte, mit ihrem aus dem Internet gesammelten Halbwissen im Gespräch punkten zu können. Auch das konnte nur schief gehen. Erneut arbeitete Doderer mit den Teilnehmern auf, was auffiel und verbesserungsfähig war. Anschließend moderierte Brand eine kleine Podiumsdiskussion, bei der verschiedene ABK-Partner über beispielhafte Maßnahmen in ihren Geschäften befragt wurden. Susanne Heller von Betten Heller in Göttingen hat in diesem Jahr ihr Geschäft umgebaut. Es war vorher von drei Seiten von Schaufenstern umgeben und entsprechend leicht von außen einsehbar. Dies wurde, um nur eine Maßnahme von vielen zu erwähnen, durch den Umbau verändert, wobei flexible Wände eingezogen wurden. Obwohl laut Heller die gleiche Warenmenge auf der gleichen Verkaufsfläche untergebracht wird wie vor dem Umbau, wirke das Geschäft nun deutlich größer. Ihr ist es gelungen, das Geschäft zu modernisieren, ohne die Stammkundschaft, vor allem älteren Jahrgangs, zu irritieren. Allen gefalle das neue Geschäft sehr gut, betonte Heller. Die Baumaßnahme ist so kalkuliert worden, dass ein Mehrumsatz zur Amortisierung der Kosten nicht notwendig ist. Umso erfreulicher, dass bei gleich bleibender Kundenzahl die Höhe des Durchschnittsbons erhebllich gesteigert werden konnte. Im ersten Halbjahr konnte Betten Heller daher ein Umsatzplus von 15 Prozent verzeichnen.
Henrike Beck von Betten Stiegeler in Freiburg hat in diesem Jahr die Schlafabteilung im Untergeschoss neu gestalten lassen und in dem Zuge eine Fläche für das verbandseigene Schlafsystem Royal Dream installiert. Es bildet laut Beck eine gute Ergänzung zu den Markenprodukten auf der Fläche. Franz Köhler vom Fuldaer Bettenhaus Köhler zieht es vor, auf Wellnessmessen statt auf Gesundheitsmessen auszustellen, denn auf Gesundheitsmessen, so seine Beobachtung, treffe man immer nur auf kranke Leute. Das Thema Wellness hingegen spreche ein ganz anderes und breiteres Publikum an. Köhler teilt sich familienintern den Fuldaer Markt mit seinem Sohn Jochen, der mit seinem Geschäft eher die Kunden im Alter bis 50 Jahre bedienen möchte. Mit den Kunden im Alter von 50+ spreche er aber auch eine zahlungskräftige Verbrauchergruppe an. Entsprechend hat er sich für das Futura-System von Royal Dream entschieden, mit dem er seitdem gute Erfahrungen macht. Besonders das Messsystem komme bei seinen Kunden gut an.
Richard Hennecke hat im letzten Jahr sein Geschäft in Schmallenberg-Fleckenberg einer Potenzialberatung unterzogen. Er hat daraufhin das Sortiment des Geschäftes bereinigt und ausschließlich auf Haustextilien und Matratzen konzentriert. Außerdem hat er direkt in Schmallenberg eine Filiale eröffnet, Bett & Bad by Hennecke, die auf die zahlreichen Touristen zielt, die Jahr für Jahr dorthin reisen. Darüber hinaus ist Hennecke auch im Facebook aktiv. Allein durch den Verkauf des Abi-Handtuchs habe er 240 neue "Freunde" in dem Sozialen Netzwerk gewinnen können.
Uwe Remstedt von Betten Remstedt in Hamburg erläuterte seinen Kollegen sein besonderes Service-Angebot. Es reicht von einem intensiven, oft zwei Stunden dauernden Beratungsgespräch bis zu der fest angestellten Physiotherapeutin, die für Problemfälle kompetenten Rat bereit hält. Vor etwa zehn Jahren hat Remstedt damit begonnen, die Beratungs- und Servicequalität nachhaltig zu steigern. Nach solch einem ausführlichen Verkaufsgespräch stelle sich dem Kunden in der Regel nicht mehr die Frage, warum er dort und nicht woanders kaufen solle. Andererseits spricht Remstedt mit seinem Service besonders "anspruchsvolle" Kunden an, um das Wort Problemkunden zu vermeiden. Die Latte für ein adäquates Kundengespräch liege damit auch besonders hoch, räumt er ein.
Es schloss sich die Simulation eines Verkaufsgesprächs an, wie es heute sein sollte. Der Verkäufer widmete sich ganz der Kundin, ging auf ihre Bedürfnisse ein und lenkte das Gespräch geschickt und ohne Preisangst. Die Kundin wiederum erkannte die Kompetenz des Verkäufers an, benannte ihre körperlichen Probleme beim Schlafen und ließ sich auf die Ratschläge des Verkäufers ein. Nicht unbedingt typisch war allerdings die Tatsache, dass die Kundin bei dem Preis von 4.000 Euro für Matratze und Unterfederung nicht mit der Wimper zuckte. Ihr einziger Kommentar: "Och, das gönne ich mir." Wenn es doch immer so einfach wäre...
Damit die Industrie-Partner der ABK und ihre Sichtweise des Handels auch nicht zu kurz kamen, durfte Yves Weibel von Tempur Regisseur spielen bei der Simulation eines Gesprächs zwischen Händler und Lieferanten. Zwei Schauspieler der Steifen Brise versuchten nachzuempfinden, wie so ein Gespräch wohl am besten ablaufen könnte und Weibel signalisierte als Teilzeit-Regisseur durch Hupen (nein, nicht richtig) und Klingeln (ja, so ist es gut), ob das Verhalten der beiden realitätsnah ist, woraufhin die Schauspieler ihr Handeln korrigieren mussten. Das Ganze war natürlich mit mehr als nur einem Augenzwinkern zu verstehen, und Weibel erhielt von den Zuschauern für seine Einlage jubelnden Applaus.
Professor Doderer lenkte den Blick der Tagungsteilnehmer danach auf die Zukunft, indem er anhand der Fortschreibung aktueller Trends eine Perspektive des Handels für das Jahr 2025 zeichnete. Auch in Deutschland gebe es den Trend zur Metropolen-Bildung, während die Bevölkerung auf der Fläche abnimmt. Verschärft wird die Situation in ländlichen Strukturen durch den generellen Rückgang der Bevölkerungszahl. Im Jahr 2025 wird es in Deutschland laut Doderer maximal noch 78 Millionen Einwohner geben, also rund vier Millionen weniger als heute. Mit 36 Prozent wird ein gutes Drittel davon über 50 Jahre alt sein und über etwa 45 Prozent der Kaufkraft verfügen. Der Berater weigert sich strikt, von dieser Generation als den Silver- oder Bestagern zu sprechen, sympathischer findet er den Begriff "Connaisseure", da diese Altersgruppe aufgrund ihrer Erfahrung weiß, wie man gut leben kann. Diese Bevölkerungsschicht hat durch ihre persönliche Historie in den letzten Jahrzehnten die Konsumfreude quasi verinnerlicht. Gespeist wird ihr Wohlstand zu einem großen Teil durch Erbschaften in Billionen-Höhe. Dieses Vermögen wird somit vermehrt in Metropol-Regionen angesiedelt sein.
Negativ auf die Konsumenten wirken sich diverse Einflüsse der heutigen Zeit aus, wie unter anderem der Zwang zu permanenter Verfügbarkeit, ein hoher Innovationsdruck, Globalisierungsdruck und eine kaum zu bändigende Informationsflut. Darauf reagieren die Verbraucher laut Doderer mit einem Wunsch nach Individualisierung, dem Rückzug ins Private, der Suche nach fundamentalen Werten jenseits der täglichen Anforderungen. Die Kompensation des permanenten Drucks findet in diversen Komfortzonen der Bürger statt, dem Garten, der Küche oder dem Schlafzimmer beispielsweise. "Der Mensch tendiert somit zu ,Biedermeier 21 und zur Dauerbetreuung", folgert Doderer daraus. Dies biete dem Fachhandel die besten Chancen.
Am folgenden Tag sorgte zum Einstieg erneut ein launiges Improvisations-Stück der Steifen Brise dafür, dass die Tagungsgäste nach einem geselligen Abend wieder voll bei der Sache waren, denn Karl-Hermann Hahn von der ABK Akademie berichtete, was die Akademie für die Fachhändler tun kann, damit sich die Geschäfte auf die Herausforderungen der nächsten Jahre einstellen können. Er erklärte, dass sich die ABK und deren Mitglieder weiter profilieren müssten, um im Konzert der Anbieter weiter vorne mit dabei zu sein. Das Kerngeschäft drehe sich nicht mehr um Produkte, sondern um Dienstleistungen rund ums Schlafen. Und erfolgreicher ist derjenige, der in Partnerschaften agiert, seien sie im Handel oder im Kontext mit den Lieferanten. "Keiner kann auf Dauer alleine erfolgreich sein", so Hahns Credo, "denn keiner ist alleine so schlau wie alle zusammen."
Professor Doderer blieb es dann vorbehalten, zum guten Schluss das Highlight zu setzen, auf das die gesamte Tagung hinauslief. Er gab einen kurzen Rückblick auf die letztjährige Cheftagung und das bisher Erreichte, um dann zu erklären, wie der Verband sich für die Zukunft fit machen möchte: mit dem ABK-Future-Store. Dabei handelt es sich nicht um eine virtuelle Geschichte, vielmehr soll an einem noch festzulegenden Standort in Deutschland tatsächlich ein Bettenfachgeschäft der Zukunft entstehen. Derzeit schwebt dem Verband Haßloch vor, weil dieser Ort eine Bevölkerungsstruktur aufweist, die nach verschiedenen Kriterien dem deutschen Durchschnitt sehr nahe kommt, zum Beispiel in der Altersstruktur und den sozialen Schichten. Die GfK testet daher im Auftrag der Industrie dort gerne neue Produkte auf ihre Verkaufsfähigkeit.
Das ABK-Geschäft mit dem Arbeitstitel "Future Store 2030" soll eine Verkaufsfläche von rund 150 qm haben und wird eine Investitionssumme von etwa 300.000 Euro erfordern. Gemeinsam mit Industrie-Partnern, Hochschule und Forschung sowie Medienpartnern soll dieses Projekt bis 2013 entstehen, so die derzeitigen Planungen. Für eine erste Arbeitsgruppe, begleitet von ihm und Brand, rekrutierte Doderer unter den ABK-Mitgliedern und den Industrie-Partnern in Rostock zahlreiche Interessenten, mehr als wahrscheinlich am Anfang sinnvoll sind, aber das Interesse daran war einfach so groß. Die erste Tagung der Gruppe ist für den November dieses Jahres ins Auge gefasst worden.
Auf der nächsten Cheftagung, die laut Fehr wahrscheinlich erneut in einer etwas veränderten Form stattfinden wird, wird es sicherlich schon Konkreteres zu dem geplanten Store geben. Die Tagung findet dann in Zell am See statt.
aus
Haustex 11/11
(Wirtschaft)