Gardinia Home Decor: Interview mit Reinhard und Sven Heidemann sowie Martin Sept
"Unser Mitbewerber ist der Direktimport"
Gardinia Home Decor ist in der Sonnenschutz- und Dekotechnik-Branche eine namhafte Größe. Die im Baumarktgeschäft führende Unternehmensgruppe vertreibt ihre SB- und Maßprogramme europaweit. BTH Heimtex Redakteurin Petra Lepp-Arnold unterhielt sich in Bünde mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Reinhard Heidemann, seinem Sohn Sven Heidemann, Verantwortlicher für das Osteuropageschäft, sowie Marketingleiter Martin Sept über länderspezifische Produkte, die Chancen neuer Handelsformen und "Rosinenpicker" als Mitbewerber.
BTH Heimtex: Herr Heidemann, wir führen unser Gespräch an Ihrem zweiten deutschen Firmenstandort, dem ostwestfälischen Bünde. Das Stammwerk liegt im Süden, in Isny im Allgäu. Wie kommt es zu dieser ungewöhnlichen Konstellation?
Reinhard Heidemann: Die beiden Standorte des Unternehmens sind historisch bedingt und die Aufteilung bewährt sich seit über 40 Jahren. Ich stamme aus der Nähe von Bünde und habe dort das Vertriebs- und Marketingzentrum Europa für unsere beiden Sparten Gardinia und Alugard etabliert. Wir konnten dadurch den Standortnachteil von Isny in Bezug auf Gesamtdeutschland ausgleichen. Bünde befindet sich an der Ost-West-Achse im Norden, mit Anbindung an die Autobahn sowie den Flughafen in Hannover - also ideal für unsere internationalen Kunden.
BTH Heimtex: Sie sprechen es an: Gardinia agiert international.
Reinhard Heidemann: Gardinia ist gewissermaßen mein Kind. Ich habe dem Unternehmen über Jahrzehnte zu der Marktstellung geführt, die es heute hat. Im europäischen Kontext sind wir inzwischen gut aufgestellt. Aber wir haben noch viel vor. Das erfordert klare Strukturen und in unserem Führungsteam sind die Aufgaben und Kompetenzen entsprechend geregelt. Unsere Tochtergesellschaften in Osteuropa werden bereits erfolgreich von meinem Sohn Sven geführt.
BTH Heimtex: Dann fragen wir doch den Osteuropa-Chef: Wie laufen die Geschäfte?
Sven Heidemann: Die wirtschaftliche Krise 2008 hat uns vor neue Herausforderungen gestellt. Auch in Osteuropa wachsen die Bäume nicht mehr ganz so schnell in den Himmel. Aber wir haben alle Niederlassungen gehalten und sehen, dass die Geschäften gehen wieder besser. Es ist uns durch schlanke Hierarchien sehr gut gelungen, die Strukturen an die sinkenden Umsätze anzupassen. Der Erfolg steht und fällt auch mit dem Personal und dem Service vor Ort.
BTH Heimtex: Und wie sieht es bei den Produkten aus? Gibt es länderspezifische Besonderheiten?
Sven Heidemann: Wenn sich ein Produkt im deutschen Markt durchsetzt, dann ist es oftmals auch für unsere osteuropäischen Kunden geeignet. Das verdanken wir auch dem hohen qualitativen Anspruch an Made in Germany. Ein weiteres Plus ist die Breite unseres Angebots.
Martin Sept: Das Gros der Artikel - 60 bis 70% - sind ohnehin Basics in den bevorzugten Farben Weiß, Silber und Beige. Aber in der Tat gibt es einen leicht abweichenden osteuropäischen Geschmack, etwa in Russland und Polen eine Vorliebe für das eher opulente Design. Die Niederlassungen vor Ort sind aber in der Lage, im Rahmen der Großkundenbindung auf länderspezifische Belange einzugehen.
BTH Heimtex: Sie setzten in Ihrem Unternehmen auf eine Zwei-Marken-Strategie: Das Gardinia-Programm mit SB- und Maßprodukten für den Baumarkt und die Premium-Marke Alugard für den Fachhandel, Raumausstatter und Objekteure. Weshalb konzentrieren Sie sich nicht komplett auf das Großflächengeschäft im DIY-Bereich?
Reinhard Heidemann: Unser Ziel ist nach wie vor, beide Sparten mit ganzem Herzen weiterzuentwickeln. Warum sollen wir uns nur auf einen Vertriebskanal beschränken, wenn wir Kompetenzen in zwei Sparten haben? Unsere Kunden sagen, dass Alugard das beste Aluminium-Vorhangschienensystem bietet, das es im Augenblick am europäischen Markt gibt. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir aus dieser Markenstrategie Erkenntnisse gewinnen, von der die jeweils andere Sparte profitieren kann.
Außerdem entwickeln sich auch die Baumärkte weiter. Dort gibt es inzwischen Kompetenzabteilungen, die durchaus in der Lage sind, neben dem SB-Sortiment ein reduziertes Maßprogramm zu verkaufen.
Sven Heidemann: Wir beobachten, dass Plissee als fertige Lösung zunehmend in den DIY-Bereich geht. Man kann den Kunden dadurch auch zu einem Upgrade bringen. Findet er im eingeschränkten SB-Angebot nicht den passenden Artikel, ist es möglich, auf die breite Auswahl im Maßbereich zurückzugreifen.
Reinhard Heidemann: Wir sehen durchaus die Problematik von Billigware in den Baumärkten. Wird ein Fenster mit einer preiswerten Schlaufengardine ausgestattet, kauft keiner eine dreimal so teuere Stilgarnitur dazu. Und leider ist das Fenster dann mit dieser billigen Dekoration über Jahre belegt.
BTH Heimtex: Aber es gibt noch einen anderen Trend: Endkunden können Plissees, Rollos, Schienen & Co. jetzt auch in Online-Shops kaufen oder in den Filialen einer bundesweiten Franchise-Kette. Wie beurteilen Sie die Chancen und Risiken dieser speziellen Vertriebsformen?
Reinhard Heidemann: Wir machen keinen Internetshop. Hier sehe ich vor allem unsere Kunden aus dem Fachhandel in der Pflicht. Es gibt eine ganz klare Unternehmensphilosophie: Alugard und Gardinia sind Partner des Handels und gehen nicht direkt an den Markt. Es sei denn, der Druck wird so immens, dass man gewisse Dinge über den Handel nicht mehr absetzen kann.
Der Raumausstatter wird weiterhin seine Daseinsberechtigung haben. Wer bereit ist, zu dienen - im Sinne von Dienstleistung -, wer Problemlösungen anbietet und dazu noch kreativ ist, wird überleben. Einzelhandelsfilialen, die ihr Angebot nur auf technischen Sonnenschutz reduzieren, sehe ich nicht auf dem richtigen Weg. Der Endkunde möchte das Fenster nicht isoliert sehen. Der ganzheitliche Wohnaspekt kommt zu kurz.
Aber unser direkter Mitbewerber ist ja nicht der Internethandel, sondern der Direktimport aus Asien. Wir bringen unser Know how ein, setzen Trends, schulen das Personal und dann kommen die "Rosinenpicker", suchen die schnelldrehenden Artikel aus und importieren diese aus China.
BTH Heimtex: Nach dem Messe-Herbst stehen jetzt die Heimtextil in Frankfurt vor der Tür sowie Ende Februar die R+T in Stuttgart. Gardinia Home Decor hat sein Engagement als Aussteller zuletzt verstärkt. Werden Sie auch auf diesen Messen anzutreffen sein?
Sept: Ja, wir hatten uns entschlossen, auf der Comfortex in Leipzig und den Raumtex-Fachmessen in Ulm, Essen und Hamburg auszustellen, um mit unserer Fachhandelsmarke Alugard präsenter zu sein. Das Maßgeschäft wird immer stärker, weil der Endkunde ein individuelles Produkt haben will.
Auf der R+T werden wir diesmal mit keinem Stand vertreten sein. Das ist für uns wirtschaftlich nicht sinnvoll. Unsere internationalen Kunden kommen zur Heimtextil nach Frankfurt, zum Beispiel die Einkäufer der großen Baumarktketten. Wenn die Sonnenschutz-Branche jährlich abwechselnd in Frankfurt und Stuttgart ausstellen würde, dann wären wir wahrscheinlich bei beiden Messen dabei.
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BTH Heimtex 01/12
(Wirtschaft)