Domotex 2012, Hannover

Gefragt ist, was sich abhebt


Auch in diesem Jahr waren die Hersteller von Maschinenwebteppichen wieder die großen Gewinner der Domotex, der Weltleitmesse für Bodenbeläge. Das wurde einerseits durch die sehr gute Stimmung auf den Ständen der Maschinenweber deutlich, andererseits durch die starke Zunahme an Ausstellern aus diesem Bereich. Um diesem Zuwachs gerecht zu werden, hat die Messeleitung die Hallenbelegung in Teilen neu strukturiert: Halle 3 war erstmals komplett fest in den Händen der Maschinenweber, alteingesessene Aussteller und das Floorforum sind von dort größtenteils in Halle 4 umgezogen. Folge der Umstrukturierung: Die Contract World wanderte in Halle 6 und in Halle 4 stellte die geballte Kompetenz des modernen Mengengeschäfts bis hin zur oberen Mittelklasse ihre Produkte aus. Sowohl Aussteller als auch Besucher waren höchst zufrieden mit dem neuen Konzept.

Über alle Produktgruppen hinweg lässt sich sagen, dass vor allem Ware gefragt war, die sich abhebt - Individualität stand im Mittelpunkt, ganz besonders bei handgefertigten Teppichen. Die Preise spielen nur am Rande eine Rolle, sollten aber im Rahmen bleiben. Deutlich wird das vor allem bei handgefertigten, sehr kreativ gestalteten, Teppichen, wie sie in Halle 20 gezeigt wurde - sie stehen derzeit klar im Mittelpunkt des Interesses. Wenig diskutiert wurde indes die Preissituation in den Ursprungsländern, über Preissteigerungen für Rohmaterial und Arbeitskraft. Im letzten Jahr noch beherrschte das Thema die Messe. In der Zwischenzeit haben sich die Preise stabilisiert, große Preissprünge zumindest sind eher die Ausnahme.

Dauerbrenner Maschinenwebteppiche

In einer eigenen Liga spielt wieder einmal der Maschinenwebteppich: Keine Produktgruppe verkauft im Teppichhandel solch große Mengen. Hier wird nicht in Einzelpositionen, sondern in Containern gerechnet. Bedient wird vor allem die absolute Einstiegspreislage. Der Shaggy, Bestseller der vergangenen Jahre, hat seinen Zenit überschritten, aktuelle Weiterentwicklungen verkaufen sich aber noch immer auf hohem Niveau. In die Fußstapfen des Shaggies tritt immer mehr der Frisée: dicht gewebt, gerne in Blau und Grau oder in knalligen Farben oder im Vintage- und Patchworklook.

Auffällig war wieder die starke Präsenz türkischer Maschinenweber, die mit riesigen und sehr aufwendigen Ständen, ihre Ware präsentierten und bei denen es teilweise zuging wie im Taubenschlag. Doch auch die belgischen und ägyptischen Maschinenweber konnten sich über regen Zulauf freuen. Allerdings ist fraglich, wie lange dieser Produktbereich noch so stark wächst und wann der Verdrängungswettbewerb Opfer fordert. Aus der untersten Einstiegspreislage ziehen sich bereits Anbieter zurück und entwickeln hochwertigere Ware um dem Preisdruck zu entgehen-

Nische Handtuftteppiche

Handtuft-Teppiche werden immer mehr zur Nische, Maschinenwebteppiche laufen ihnen immer mehr den Rang ab - nur noch wenige Aussteller dieses Segments finden ihren Weg nach Hannover. Die, die dort waren, verzeichneten dafür gute Geschäfte. Der Vorteil dieser Produktgruppe liegt in der relativ schnellen Umsetzbarkeit neuer Ideen. Eine Sonderstellung nehmen Anbieter wie Floor To Heaven ein, die zeigen, dass auch in diesem Segment Hochpreis-Produkte realisiert und verkauft werden können.

Thema Natur stark

Sehr solide zeigten sich moderne Knüpfteppiche, die meist aus Nepal, Indien, aber auch aus dem Iran kommen. Hier wurde eine breite Palette an gut verkäuflichen Qualitäten angeboten: Schlichte (Indo-)Nepalknüpfungen in dezenten oder kräftigen Farben. Sehr gut angenommen wurde erneut das Thema Natur, bei dem unbehandelte, ungefärbte Wolle eingesetzt wird. Besonders authentisch agiert in diesem Bereich MB Manfred Barfuss, der Kollektion und Messe- und Ladenbau perfekt aufeinander abgestimmt hat.

Patchwork bricht ein

Die in den vergangenen zwei Jahren stark vertretenen Patchwork- und Vintageteppiche waren 2012 deutlich seltener zu sehen. Die verbliebenen Anbieter liefern sich einen erbitterten Preiskampf, bei dem die Qualität der Ware auf der Strecke bleibt. Vor allem Anbieter aus der Türkei blieben häufig auf ihrer mitgebrachten Ware sitzen. Gute Qualitäten dürften auch hier weiterhin bestehen, allerdings sind keine hohen Absatzmengen mehr zu erwarten. Vor allem im Objektbereich (Hinweis für den Übersetzer: Contract Business) scheint ein hohes Interesse an dieser Warengruppe zu bestehen, weniger seitens der privaten Endkunden. Mittlerweile gibt es einige Anbieter, die maschinengewebte oder handgeknüpfte Teppiche in Patchwork-Optik anbieten, bei denen jedoch keine Teppichstücke aneinander genäht werden, sondern ein neuer Teppich in einem Stück gefertigt wird.

Neue Orientteppiche

Beim klassischen Orientteppich war erneut weniger Bewegung zu sehen als in den Vorjahren. Allerdings war dieses Segment in zwei Lager gespalten: In Aussteller, die eine sehr erfolgreiche Messe hatten und in Aussteller, bei denen es sehr ruhig war. Das liegt vor allem an den Sortimenten. Wer qualitativ gute individuelle Stücke wie Bauern- und Nomadenteppiche, Gabbeh und Loribaft zeigte, war zufrieden. Problematisch war wieder einmal der Verkauf persischer Kommerzware, von Patchworkteppichen und von günstigen Zieglern, die teilweise in großen Partien wie Blei in Hannover lagen.

Antike Orientteppiche

Schon das zweiten Mal zog es in diesem Jahr einige Anbieter antiker Orientteppiche und Textilien auf die Domotex. Eine kleine, aber feine Auswahl an antiken Teppichen und Sammlerstücken wurde in Halle 21 gezeigt. Auch wenn sich diese Produktgruppe erst noch auf der Messe etablieren muss, waren die gut zehn internationalen Aussteller mit der Nachfrage zufrieden.

Halle 23 in indischer Hand

Auch in diesem Jahr wurde Halle 23 wieder komplett von der indischen Teppichexportförderung, dem Carpet Export Promotion Council (kurz: CEPC), gemietet. 179 Firmen waren hier auf 2.300 m Ausstellungsfläche vertreten. Weitere 70 indische Anbieter kamen ohne Unterstützung des CEPC nach Hannover, stellten in anderen Hallen aus oder waren auf den Ständen ihrer europäischen Partner untergebracht.


And the winner is... Jan Kath

Dass erfolgreiche Teppichmuster und Ideen kopiert werden, ist auch in der Teppichbranche nicht neu. So deutlich sichtbar wie auf dieser Domotex wurde allerdings noch nie kopiert: Einige Kopien wurden offen und stolz angepriesen, und zum Teil als eigene Idee verkauft. Den Titel "meistkopierter Designer 2012" dürfte Jan Kath erhalten - eine Auszeichnung, auf die der Bochumer sicherlich gerne verzichten würde. Es muss die Frage erlaubt sein, ob es nicht besser wäre, wieder mehr selbst zu entwickeln und mutig eigene Entwürfe vorzustellen, statt die Kraft in Kopien zu stecken. Das Interesse an kreativen Teppichen ist auf jeden Fall vorhanden.

Mit Konzepten überzeugen

Auch diese Domotex hat gezeigt, dass Erfolg hat, wer sich das gesamte Jahr über Gedanken über Kollektion, Vertrieb und Außendarstellung macht und das Bestehende auf den Prüfstand stellt - und sich auch traut, Veränderungen anzuschieben. Es muss ja nicht gleich so radikal sein wie bei Wissenbach, die sich trotz - oder gerade - wegen des Totalumbaus über einen vollen Messestand und eine hohe Akzeptanz der klar definierten Kollektionen freuen konnten. Beispiel Otto Golze: Mit den Marken Schöner Wohnen und Contzen wird dort eine klare Linie verfolgt, die die Markenauftritte klar von einander abgrenzen. Immer neue Qualitäten in den Markenwelten sorgen im Handel ebenso für Aufmerksamkeit, wie hochwertige, emotionale, den Endverbraucher ansprechende Kataloge. Abgerundet wird das Werbekonzept von Schöner Wohnen von im Handel beworbenen Teppichberatertagen und kurzen Lieferzeiten. Weiteres Beispiel: OCI, die mit einem ausgeklügelten Bis-auf-den-Stapel-Lieferservice punkten.

Besucherplus? Jein!

Auf das Messegelände kamen in diesem Jahr 45.000 Besucher, um sich über die aktuellen Trends im Bodenbelagsbereich zu informieren - ein "Besucherplus im zweistelligen Bereich", wie die offizielle Abschlusspressemitteilung der Deutschen Messe AG informiert. Im Teppichbereich war von diesem Zuwachs allerdings wenig zu spüren, hier gingen die gefühlten Besucherzahlen laut Aussage vieler Aussteller zurück.


Das Floor Forum hat sich überlebt


Die Idee ist gut, die Umsetzung denkbar schlecht. Dies war der Tenor vieler Besucher zum Thema Floorforum in Halle 4. Als Trendshow wurde das von Ulf Moritz gestaltete "Forum für moderne Teppiche" überhaupt nicht wahrgenommen. Die Präsentation war unauffällig, ja fast lieblos. Die drei Trendthemen Natural, Classic und Fashionable waren wegen der unübersichtlichen Präsentation ebenso wenig auszumachen, wie "Impulse für attraktive POS-Konzepte", wie in der Ankündigung zum Floorforum 2012 zu lesen war. "Innenarchitekten, Raumausstatter und Fachbesucher aus dem gehobenen Bodenbelagshandel sowie aus Einrichtungs- und Möbelhäusern" sollten angesprochen werden, innerhalb weniger Minuten einen umfassenden Überblick über die aktuellen Trends erhalten - sie wurden leider eher verschreckt und verwirrt. Für das kommende Jahr muss hier dringend nachgebessert werden, ein neues, attraktives Konzept her.


Souk Deluxe zieht das Publikum


Ein echter Besuchermagnet waren die High-End-Anbieter in Halle 20: Rund um den Souk Deluxe durften sich Aussteller gar über ein "total ausverkauft" freuen. Designfreude zeichnete viele Aussteller in Halle 20 aus. Trends gingen in Richtung Farbigkeit sowie dem kreativen Umgang mit klassischen Orientmustern. Für hohe Frequenz sorgte ebenfalls in Halle 20 wieder einmal der Souk Deluxe, der viele Stücke der angesagtesten Designer zeigte. So viele bunte und verrückte Designs gefielen allerdings nicht allen Besuchern.
aus Carpet Magazin 02/12 (Wirtschaft)