Interview mit Dr. Christian Schäfer, Geschäftsführender Gesellschafter von Dura Tufting
"Unsere Auftragsbücher sind voll"
Nachdem Anfang 2012 verunsicherte Lieferanten die Zahlungsziele für die Dura-Gruppe verkürzt hatten, trat der Geschäftsführende Gesellschafter Dr. Christian Schäfer im März die Flucht nach vorn an: Für insgesamt 13 Unternehmen des Konzerns wurde eine Insolvenz in Eigenverantwortung beantragt. Mittlerweile liegt die-Zustimmung der Gläubigerausschüsse vor und das Sanierungsverfahren ist eröffnet. Im Interview mit BTH Heimtex berichtet Dr. Christian Schäfer über die Fortschritte bei der Erstellung des Insolvenzplans, die mit Spannung erwartete neue Dura-Objektkollektion, den großen Rückhalt in der Branche und die Zukunftsaussichten für sein Unternehmen.BTH Heimtex: Herr Dr. Schäfer, nach der Insolvenz haben Sie Lieferanten, Kunden und die gesamte Branche schnell, umfassend und persönlich über die Situation bei der Dura informiert. Trotzdem bleibt ein gewisses Maß an Verunsicherung im Markt. Wie begegnen Sie diesem ? Dr. Christian Schäfer: Zu aller erst mit den vielen guten Argumenten, die für die Dura sprechen. Unser Unternehmen ist profitabel. Wir haben im vergangenen Jahr das beste operative Ergebnis seit fast zehn Jahren erwirtschaftet, schreiben schwarze Zahlen und waren zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Amtsgericht in Fulda nicht zählungsunfähig.
BTH Heimtex: Aber trotzdem befinden Sie sich jetzt im Insolvenzverfahren. Wie passt das zusammen ?Dr. Schäfer: Ja, das ist grotesk. Für uns ist das eine sehr unglückliche Situation. Wir hatten in den letzten Jahren unsere Hausaufgaben gemacht. Die Sanierung und Reorganisation der Unternehmensgruppe mit der Verfolgung der Ein-Marken-Strategie sind in großen Teilen vollzogen. Die Verlagerung und Umsetzung der Produktionskapazitäten von vier auf anderthalb Standorte - Fulda und Hessisch-Oldendorf - ist abgeschlossen. Wir verfügen über die größte, vollstufige Tufting-Produktion in Deutschland und stellen 10 Mio. m
2 im Jahr her, davon ca. 8 Mio. hier in Hessisch-Oldendorf. Mitte Februar haben uns dann einige offensichtlich verunsicherte Lieferanten die Zahlungsziele vehement verkürzt.
BTH Heimtex: Womit wir wieder beim Thema Verunsicherung sind ?Dr. Schäfer: Es ist allgemein bekannt und öffentlich einsehbar, dass wir Mezzanine-Kapital in Höhe von 24 Mio. EUR in Anspruch genommen haben. Ein Teil davon wird im November fällig. Wir hatten im letzten Jahr versucht, gemeinsam mit unseren Finanzierern eine Lösung zu finden. Leider wurde unser Konzept von den Mezzanin-Kapitalgebern nicht akzeptiert. Bis zuletzt sind wir vereinbarungsgemäß unseren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen. Das Näherrücken des Rückzahlungstermins hat verständlicherweise bei einigen Lieferanten für Verunsicherung gesorgt, und sie haben wie beschrieben darauf reagiert. Das ist für mich nachvollziehbar. Aber die Fälligkeit des Mezzanine-Kaptials hat nicht zum Insolvenzantrag geführt, sondern die Kürzung der Lieferantenkredite.
BTH Heimtex: Inwiefern ?Dr. Schäfer: Diverse Lieferanten haben uns mitgeteilt, dass sie die speziell für uns produzierten Produkte erst dann weiter liefern, wenn wir uns auf ihre neuen Kreditlimits eingestellt haben. Wir haben z. B. eine Garn-Lieferzeit von 6 bis 8 Wochen. Hätten wir nicht das Heft selbst in die Hand genommen und gehandelt, hätten wir Ende März u.a. keine Garne mehr gehabt.
Unser Ziel ist es gewesen, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, so lange die Bestände bei den Vorlieferanten noch hoch sind und die Zeit ausreicht, die Vorprodukte wieder in die Produktion zu bringen. Auf diese Weise haben wir es geschafft, die Versorgung wieder aufzunehmen. Einige Kunden mussten zwar Lieferverzögerungen hinnehmen, aber wir haben kein einziges Band gefährdet. Das wäre uns nicht nur sehr teuer gekommen, sondern hätte vor allem für unsere Kunden zu großen Schäden geführt. Dies galt es unbedingt zu vermeiden.
BTH Heimtex: Sie sprechen vom Segment Automotiv, das 2011 auch nach den Verkäufen diverser Standorte noch die Hälfte ihres Jahresumsatzes in Höhe von 137 Mio. EUR ausgemacht hat.Dr. Schäfer: Das ist richtig. Hätten wir nicht so verantwortungsbewusst gehandelt, wäre der mögliche Schaden wesentlich größer ausgefallen. Anfang April wäre die Versorgung der Bänder bei mehreren Premium-Automobil-Herstellern gefährdet gewesen. In diesem Fall hätten wir uns hohen Schadensersatzansprüchen gegenüber gesehen. Und dann wären die Quoten für die Gläubiger, die im Rahmen des Insolvenzplans gerade evaluiert werden, gegen Null gegangen.
BTH Heimtex: Diese Quoten stehen für den Anteil der Forderungen, den jeder Gläubiger der Dura nach Verabschiedung des Insolvenzplans erhält. Diese handelt der von Ihnen zum Mit-Geschäftsführer bestellte, erfahrene Fachanwalt für Insolvenzrecht Dr. Stefan Oppermann gerade mit den Gläubigern aus. Wie laufen die Gespräche ?Dr. Schäfer: Die Stimmung unter den Gläubigern ist zuversichtlich. Experten sagen uns, dass ein Insolvenzplan, wie er von uns jetzt erstellt wird, erheblich bessere Ergebnisse und sehr viel höhere Quoten für die Gläubiger bringt als eine normale Regelinsolvenz. Das ist im Übrigen die seitens des Gesetzgebers geforderte Voraussetzung für ein Eigenverwaltungsverfahren. Dabei heißt unser oberstes Ziel: optimale Befriedigung der Gläubiger bei gleichzeitiger Entschuldung des Unternehmens.
Eine Regelinsolvenz kommt hingegen faktisch einer Zerschlagung gleich. Dabei werden Werte realisiert, beispielsweise für das Umlaufvermögen, die nur einen Bruchteil von dem darstellen, was bei der Fortführung der Geschäftstätigkeit herauskommt. Wir wissen dies aus praktischer Erfahrung, haben wir doch mehrere Unternehmen aus Insolvenzen übernommen. Die Quoten sind dann schnell einstellig.
BTH Heimtex: Wann ist der Insolvenzplan fertig ?Dr. Schäfer: Für jedes der angemeldeten Unternehmen gibt es einen eigenen Plan. Wir wollen sie im Spätsommer vorlegen. Diese Zeit brauchen wir auch, weil die Gespräche nicht einfach sein werden. Die Gläubiger sind keine homogene Gruppe. Jeder hat andere Interessen. Manche sind in die Zukunft gerichtet, manche eher kurzfristig orientiert. Hier gilt es einen Kompromiss zu finden. Wir möchten am Ende möglichst hohe Quoten für alle erzielen. Kurz gesagt: Es wird ein Geben und Nehmen auch unter den Gläubigern sein. Es ist auch möglich, dass die einzelnen Pläne zeitlich nacheinander realisiert werden.
BTH Heimtex: Sie sprachen die Mezzanine-Gelder an. Gehören deren Geldgeber auch zum Kreis der Gläubiger des Insolvenzverfahrens ?Dr. Schäfer: Ja, aber nachrangig. Nach meinem Kenntnisstand bedeutet das, dass sie erst zu einer Quote herangezogen werden, nachdem alle anderen Gläubiger zu 100 % befriedigt sind.
BTH Heimtex: Was sehr unwahrscheinlich ist ...Dr. Schäfer: Leider ja. Wir können heute nicht davon ausgehen, dass alle anderen Gläubiger komplett befriedigt werden können.
BTH Heimtex: Das kommt Ihnen nicht ungelegen.Dr. Schäfer: Es ist nach wie vor unser Ziel, möglichst alle Gläubiger voll zu befriedigen. Die spezielle Situation der Mezzanine-Kapitalgeber war auf jeden Fall nicht unsere Motivation, diesen Schritt zu gehen. Wir haben lange mit ihnen verhandelt, sind aber leider zu keinem Ergebnis gekommen.
BTH Heimtex: Zu welchem Ergebnis möchten Sie mit ihren Handelspartnern aus der Bodenbelagsbranche kommen ?Dr. Schäfer: Wir möchten, dass alle Handelsstufen auch in Zukunft viel Freude an Dura-Produkten haben. Das erreichen wir gemeinsam mit den neuen Kollektionen. Bis zum Sommer werden wir 4.000 Koffer der neuen Kollektion Caprice im Markt platziert haben. Für unsere neue Contract Objekt-Kollektion, deren Entwicklung wir gerade abschließen, nehmen wir eine siebenstellige Summe in die Hand. Das machen wir, weil wir und die uns beratenden Experten von der Zukunftsfähigkeit der Dura überzeugt sind.
Bis September werden wir die Contract Objekt-Kollektion im Markt eingeführt haben. Eine Qualität wird ein besonderes Novum sein. Wir werden ein den aktuellen Bedürfnissen entsprechend entwickeltes Green-Label-Produkt sowohl in solution-dyed als auch als Stückfärber anbieten. Das macht uns farblich und mengenmäßig flexibel wie keinen anderen. Die Fertigung dieses Produktes werden wir bereits Ende Mai aufnehmen.
BTH Heimtex: Können denn ihre Lieferanten und Kunden sicher sein, dass ihre Rechnungen von der Dura auch beglichen werden ?Dr. Schäfer: Was seit März geliefert wird, wird auch zu 100 % bezahlt. Das ist eine Verpflichtung unseres Hauses und eine Bedingung für die Eröffnung des Hauptverfahrens in Eigenverwaltung. Deswegen haben wir die Eröffnung auch zügig angestrebt. Das macht es unseren Lieferanten leichter, uns wieder bzw. weiter zu beliefern. Und darauf sind wir auch angewiesen. Unsere Auftragsbücher sind voll. Wir haben die Versorgung wieder komplett sichergestellt und arbeiten in allen Bereichen mindestens zweischichtig, zum Teil sogar dreischichtig.
BTH Heimtex: Wie reagiert die Branche auf all das ?Dr. Schäfer: Die Reaktionen sind überragend positiv. Wir haben gerade Listungsbestätigungen sowie auch Neulistungen von den wichtigsten Filialisten, Großhandelsunternehmen und Verbänden erhalten. Zudem konnten wir zwei neue Großaufträge in unserem Automotive-Segment akquirieren.
Sowohl diese Erfolge als auch die Reaktionen im März zeigen mir, dass uns in dieser schweren Situation große Sympathien entgegen gebracht werden. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle nochmals bedanken. Dabei ist mir wichtig zu sagen, dass wir jetzt nicht nur gelistet werden, weil wir seit Jahren einen sehr guten, engen und persönlichen Kontakt zu unseren Geschäftspartnern pflegen. Aus meiner Sicht wird das auch gemacht, weil unsere Produkte gut sind und der Markt sie haben will. Das ist für mich die beste Bestätigung, dass die Dura zukunftsfähig und wichtig für den deutschen Teppichbodenmarkt ist.
Dura - Sanierungsverfahren in Eigenverantwortung
Eröffnet: am 1. Mai 2012
Ziel: optimale Befriedigung der Gläubiger und Entschuldung des Unternehmens
Betroffen: 12 Unternehmen der Gruppe mit insgesamt 650 Mitarbeitern:
- Dura Tufting, Fulda
- Dura Flooring Systems, Fulda
- HorusTec, Schmallenberg
- Dura Carpet, Fulda
- Hebu, Empfingen
- Dura Bremen, Bremen
- Dura Teppichwerke, Fulda
- Wirth Admin, Fulda
- Wirth Logistics, Fulda
- Tectus Hessisch-Oldendorf, Fulda
- Tectus Großenlüder, Fulda
- GVK Grundstücksverwaltung, Schmallenberg
Nicht betroffen ist die Wirth Fulda-Gruppe, zur der u.a. die Filzfabrik Fulda gehört.
Der Geschäftsbetrieb läuft weiter.
Die Löhne werden weiterbezahlt; in den drei Monaten vor Verfahrenseröffnung (Mai 2012) von der Agentur für Arbeit und in der Folge wieder vom Unternehmen.
Die Mezzanine-Gläubiger, die der Dura 24 Mio. EUR zur Verfügung gestellt haben - von denen ein Teil im November 2012 fällig wird -, werden erst zu einer Quote herangezogen, nachdem alle übrigen Gläubiger zu 100 % befriedigt sind.
aus
BTH Heimtex 06/12
(Wirtschaft)