Homag: Anlagenbau in Shanghai boomt

Das asiatische Jahrhundert hat längst begonnen

Domotex in Hannover oder Surfaces in Las Vegas - noch finden die Hauptmessen der internationalen Fußbodenindustrie in den "alten" Wirtschaftsregionen Europa und Amerika statt. Für Homag, einem führenden deutschen Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen, ist inzwischen die Domotex Asia in Shanghai zur größten und bedeutendsten Veranstaltung für die Vermarktung von Hartbodenbelägen geworden.

Weltweit stagniert der Absatz von Laminatfußböden. Einzig China und einige Schwellenländer melden nennenswerte Zuwächse. Die westliche Branche sucht einen Schuldigen für ihre Margen- und Absatzprobleme, und viele sehen die Sündenböcke in China. Dies führte u.a. dazu, dass chinesische Exporte aufgrund politischen Druckes in den USA mit Zusatzabgaben belegt wurden. Anti Dumping Zölle wurden 2011 zu einem Unwort für die weltweit exportierenden chinesischen Hersteller. Zum Schluss bewegte sich das Strafmaß für die meisten Hersteller in Höhe von 5% und damit in einem vergleichsweise akzeptablen Rahmen. Aus Sicht von Maschinenhersteller Homag ist die westliche Haltung gegenüber China nicht gerecht. Denn viele Fußbodenhersteller aus Europa und Amerika würden ihre Spezialprodukte, wie handbehauene Oberflächen, und sogar Standardware aus China importieren.

"Über Billigkonkurrenz zu lamentieren, bringt die Branche nicht voran", meint Roland Dengler, Leiter des Fußbodenbereichs bei Homag Engineering. "Die Grundfrage muss lauten: Wo und mit welchen Produkten kann die Fußbodenindustrie ihrem Produkt auf die Sprünge helfen?" Tatsache sei, dass der zwischenzeitlich in die Jahre gekommene Laminatfußboden weltweit einen Zenit erreicht habe. Der Status der vergangenen Jahre wurde zementiert. Gerade in Deutschland wird Laminatboden trotz steigender Rohstoffpreise in Baumarktaktionen weiterhin zu aggressiven Preisen angeboten. Gleiches gelte auch für Parkett, insbesondere für den klassischen Dreistab-Schiffsboden. "Hier werden Preise gemacht, die vermutlich nur noch für wenige große Hersteller oder Importeure kostendeckend sind." Die Folge ist die Flucht in die Nische. Hersteller versuchen, sich über Spezialprodukte von ihren Marktbegleitern abzugrenzen. Weltweit setzt sich der Trend zu rustikalen Holzdekoren fort.

Europas Chancen gegen den neuenTrendsetter Asien

War in der Vergangenheit zumeist Europa bei der Entwicklung und Herstellung neuer Produkte der Trendsetter, werde im Bereich der Hartbodenbeläge das asiatische Jahrhundert eingeläutet. Das macht Dengler an den dort entwickelten Design- oder LVT-Böden fest. "Sie sind eines der wenigen wirklich neuen Produkte in der Fußbodenbranche."

Bis vor wenigen Jahren noch als PVC verpönt und in Zentraleuropa umweltschädlich genannt, hat dieses Produkt über Marketingkampagnen mit neuem Namen und neuem Auftreten unter LVT-Flooring für zweistellige Umsatzzuwächse gesorgt. Die meisten europäischen Hersteller sind diesem Trend aber nicht gefolgt. 90% der Produkte kommen aus China oder Korea. Für Dengler ein beunruhigendes Zeichen: "Die traditionellen Strukturen in Europa lassen offensichtlich nur sehr behutsam Produktentwicklungen zu."

Dennoch sieht der Homag-Experte Chancen für Europa. Bisher kommen als Trägermaterial für Laminat- und Parkettböden zu 99% Holzwerkstoffplatten oder Stäbchenmittellagen in Betracht. "Warum stellen wir keine alternativen Trägermaterialien her, Zementplatten oder Kunststoffplatten aus dem Müll der Wegwerfgesellschaft? Warum finanzieren wir Bambusfußöden über CO-Zertifkate, die dann an Fluggesellschaften oder die Schwerindustrie verkauft werden?" Wachstum könne auch mit Outdoorbelägen generiert werden.

"Daher befasst sich Homag längst nicht mehr nur mit normalen Fußbodenanlagen", unterstreicht Dengler die Flexibilität des Anlagenbauers. Artverwandte Produkte gewinnen an Bedeutung. Dazu zählen Anlagen für Outdoorbeläge, für das Aufteilen und Profilieren von Zement- und Gipsplatten für die Bauindustrie und für Dämmplatten mit integrierten Rohrleitungen zum Kühlen und Heizen. Auch an neuen Konzepten in der Möbelindustrie wird mitgewirkt, z.B. bei dem von Unilin entwickelten und patentierten Klick-System für zerlegbare Möbel.

Chinas Standortvorteile im Wandel

Auch in China stehen bisherige Produktionsabläufe zur Disposition. Dafür sorgen stark steigende Löhne (über 20% pro Jahr) sowie steigende Energie- und Raumkosten. Waren geringe Lohnkosten in der Vergangenheit die Stärke des Landes, so sind es heute die nationale Kaufkraft, die gute Infrastruktur und eine gut ausgebaute Maschinen- und Zulieferindustrie. Mit anderen Worten: China ist schon jetzt der Markt der Zukunft.

Um dem Problem steigender Lohnkosten zu begegnen, setzen immer mehr chinesische Firmen auf Automation. Gefragt sind einfache Lösungen, die sich in ein bis zwei Jahren amortisieren und den Hauptvorteil der chinesischen Fertigung - die Flexibilität - nicht behindern. Hier schlägt die Stunde deutscher Anlagenhersteller. Noch nie präsentierte Homag auf einer Fußbodenmesse der Weltöffentlichkeit so viele Neuerungen wie dieses Jahr in Shanghai.

Homag setzt auf den China-Boom

Zugeschnitten auf den mittleren Leistungsbereich ist eine Homag Profilier- und Verpackungsanlage. Mit ihr können 75 Standarddielen in der Minute profiliert, an der Fase lackiert und anschließend automatisch in Kartons verpackt werden. Einzige Einschränkung: Der Karton muss derzeit noch manuell gefaltet werden. Hergestellt wird die Anlage von Homag Machinery Shanghai in Zusammenarbeit mit dem langjährigen Systemlieferanten Wächter. Auch außerhalb Chinas finden sich Interessenten. Eine erste Anlage wurde bereits nach Aserbaidschan verkauft.

Eine weitere Anlage wurde zum Aufteilen von Platten mit eingepresster Fase konzipiert, bei der die Kombination von Doppelendprofiler und Vielblattsäge für eine durchlaufende Bearbeitung sorgt. Ein hierbei genutztes Schulte-Patent (Trennen von oben nach unten) spart zudem ca. 6% Material. Entwickelt in Deutschland, gebaut in China, wurde auch diese Weltneuheit erstmalig in Shanghai ausgestellt.

Schließlich gibt es eine neue LVT-Profilieranlage, mit der die immer dünner werdenden Elemente bei hohen Vorschubgeschwindigkeiten präzise bearbeitet werden können.
Das Fußbodenteam von Homag Group Engineering begleitet die Herstellung neuer Produkte von der Idee bis zu Umsetzung. Dengler: "Daraus entstehen in Asien immer mehr Partnerschaften, die zu gemeinsamen Neuentwicklungen führen."
aus Parkett Magazin 03/12 (Wirtschaft)