Wettbewerb der Systeme
Der Holzgroßhandel kann selbstbewusst sein
Unabhängig von den globalen und übergreifenden Änderungen im Marktumfeld gibt es speziell in Deutschland zurzeit Entwicklungen, die die Wertschöpfungsfunktion des Großhandels unter anderem im mehrstufigen Vertrieb auf den Prüfstand stellen. Von Olaf RützelFür die Abnehmerstruktur Einzelhandel erfährt der Großhandel immer mehr, dass über eine direktive Preisgestaltung/Verkaufspreisempfehlung der Industrie der Spielraum zur Erzielung einer auskömmlichen Marge für die Übernahme der Risikofunktionen nicht mehr gegeben ist. Das Delkredererisiko und das Lagerhaltungsrisiko, um hier nur zwei Beispiele zu nennen, kann bei einer Preisgestaltung der Industrie, in der lediglich die Marge für den Einzelhandel marktgerecht kalkuliert ist, nicht kostendeckend übernommen werden. Die zunehmende Verdichtung der Industriemarke im Absatzmarkt führt weiterhin dazu, dass der Aufbau einer Unique-Selling-Position auf Großhandelsebene und die Entwicklung einer differenzierten Preis- und Markenpolitik aus Großhandelssicht erschwert wird. Als Resultat dieses Prozesses verlieren sowohl der Holzgroßhandel als auch in diesem Fall der industrielle Hersteller an gegenseitiger Attraktivität für die Marktbearbeitung im mehrstufigen Vertrieb.
Wenn aber im mehrstufigen Vertrieb die Holzindustrie und der Holzgroßhandel ergebnis- und ertragsorientiert zusammen arbeiten wollen, müssen die Instrumente des Marketing-Mix so eingesetzt werden, dass sie den entsprechenden Funktionen in der Wertschöpfungskette gerecht werden. Nur so ist eine effiziente gemeinsame Bearbeitung des Marktes möglich.
Über die Risikofunktionen hinaus übernimmt der Holzgroßhändler eine Vielzahl von Funktionen, die allesamt das Ziel haben, Angebote (Produkte und Dienstleistungen) der Holzindustrie möglichst effektiv und effizient mit den Bedürfnissen, bzw. mit der Nachfrage von Abnehmern (z.B. Einzelhändler oder Verarbeiter) in Übereinstimmung zu bringen. Der Holzgroßhandel verringert die Anzahl der Schnittstellen auf dem Weg vom Produzenten zum Abnehmer und umgekehrt. Er verbindet mehrere Lieferanten mit einer Vielzahl von Abnehmern und wird über diese Bündelungsfunktion seiner klassischen Aufgabe, der Reduzierung von Transaktionskosten, gerecht.
Im Gegensatz zu dieser klassischen Großhandelsfunktion der Lieferantenbündelung gibt es speziell im Holzwerkstoff-Bereich Stützpunkt- oder Vertragshändlersysteme, die sich darauf beschränken, nur Produkte eines ausgewählten Lieferanten zu verkaufen. Die von den Lieferanten festgelegten Bedingungen verlangen dabei fast immer die Einhaltung bestimmter Spielregeln in Bezug auf Marketing, Preisgestaltung und Absatzgebiet.
Unabhängig von der wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit, die sich angesichts der sich verändernden Größenstrukturen von Industrie und Handel wohl eher als ein Problem für den Händler als für die Industrie darstellt, birgt dieses System der Vermarktung auch Vorteile für die Beteiligten. Die Profilierung des Händlers vor Ort durch eine exklusive Industriemarke, relative Preisstabilität und die Erzielung einer tendenziell höheren Marge durch nicht vergleichbare Produkte und Dienstleistungen sind sicherlich die Hauptargumente für die Etablierung von Stützpunkt- oder Vertragshändlersystemen. Darüber hinaus bietet die Konzentration und Intensivierung der Zusammenarbeit mit wenigen, aber marktstarken und wachstumsorientierten Lieferanten einen erfolgsversprechenden Weg, die Wertschöpfungsprozesse vom Lieferanten zum Abnehmer zu optimieren, das heißt den Weg vom Produzenten zum Endabnehmer zu beschleunigen und zu verbilligen.
Die Gefahr für den Handel in solch exklusiven Systemen besteht aber auch in einer Reduzierung auf jene Funktionen, die ausschließlich dem Vertragslieferanten dienen und die in dessen strategische und konzeptionelle Ausrichtung passen. Unternehmen des Holzgroßhandels sind nämlich auch Marketing- und Vertriebsorganisationen, die einer Vielzahl von Lieferanten und Abnehmern eine hochentwickelte Dienstleistungskultur anbieten müssen. Inhalte dieser Dienstleistungskultur sind u. a. die Angebotsgestaltung, die Preisgestaltung, die Werbung und natürlich der Vertrieb. Ein teilweises Herauslösen dieser Funktionen und Übernahme durch die Industrie führt nachhaltig zu einem Ungleichgewicht in der Aufgabenverteilung und somit zu einseitiger Abhängigkeit, die dem gemeinsamen Ziel, das Ergebnis der Wertschöpfungskette insgesamt zu verbessern, nicht zuträglich ist.
In Abwägung der Vor- und Nachteile von produkt- oder lieferantenfokussierten Vertriebssystemen ist es aus Handelssicht wünschenswert, dass sich auf der Industrieseite ein Verständnis für die elementaren Großhandelsfunktionen entwickelt, obwohl diese vermeintlich in teilweisen Widerspruch zu dem Exklusivitätsanspruch industrieller Vermarktungsstrukturen stehen. Die Rolle des Holzgroßhandels als aktiver Mitgestalter ganzer Wertschöpfungssysteme muss auch von der Holzindustrie akzeptiert sein und darf nicht einseitig beschnitten werden.
Die Holzgroßhandelsunternehmen, die sich im zum Beispiel im Holzring zusammengeschlossen haben, füllen diese Rolle in professioneller Weise aus:
1. Distribution und LogistikMit Hilfe umfangreicher Lagerhaltung und einer aufwändigen, modern organisierten Logistik bieten sie ihren Abnehmern aus dem mittelständigen Handwerk, dem Facheinzelhandel und der Industrie einen perfekten Lieferservice, kurze Lieferfristen und hohe Zuverlässigkeit sowie Abholmöglichkeiten durch eine Vielzahl regionaler Lager vor Ort. Durch die Bündelung der Sortimente kann diese Leistung effizient erbracht werden. Dabei erreichen die Holzring-Unternehmen ungezählte Kunden auch in den entlegensten Gebieten, womit sie eine wichtige Versorgungsfunktion in der Fläche übernehmen und somit die von der Industrie entwickelten und angebotenen Produkte erst für die verarbeitenden Betriebe verfügbar machen.
2. Sortimentsbündelung und HandelsmarketingDie Betriebe des Holzgroßhandels bieten ihren Abnehmern eine unvergleichlich große Sortimentsbreite und Tiefe, teilweise mit weit über 40.000 Artikeln. Die Kenntnis und genaue Beobachtung der internationalen Beschaffungsmärkte versetzt den leistungsstarken Großhandel in die Lage, das optimale Sortiment abgestimmt auf die Bedürfnisse seiner Abnehmer zusammenzustellen und vielfach auch unter eigener Marke anzubieten. Die Etablierung einer eigenen Handelsmarke ermöglicht eine für alle Beteiligten differenzierte Preispolitik, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Marktsegmente mit intelligenten Preismodellen bearbeitet werden können. Angesichts der These, dass vergleichbare Produkte und Dienstleistungen zu einer Umsatzrendite 0 führen, ist dieses zwischen Holzgroßhandel und Industrie abgestimmte differenzierte Vorgehen ein Garant für einen tendenziell höheren Ertrag für alle Beteiligten. Darüber hinaus verschafft sich der Großhandel mehr Handelsfreiheit in der Preisgestaltung und im Vertrieb.
Die Bereitstellung dieser enormen Sortimentsbreite- und tiefe und die entsprechende Verfügbarkeit ist die Voraussetzung, dem hohen Dienstleistungsanspruch gerecht zu werden, den der Markt an den einzelnen Verarbeitungsbetrieb stellt. Sicher könnte dieser das ein oder andere Produkt auch "direkt", also unmittelbar vom Erzeuger kaufen, jedoch bedarf es auch der Ergänzungs- und Zubehörsortimente, Speziallösungen etc., die nur der leistungsstarke Großhändler als Vollsortimenter bieten kann.
3. VertriebMit einer großen Zahl qualifizierter Vertriebsmitarbeiter im Außen- und Innendienst betreut der Holzgroßhandel tausende von Betrieben, die sich mit der Verarbeitung von Holzwerkstoffen, Bauelementen und Bodenbelägen beschäftigen. Dabei bietet er ein sehr umfangreiches Betreuungskonzept an.
4. FinanzierungDurch die Bereitstellung von umfangreichen Warenkrediten schafft der Großhandel vielfach für seine Abnehmer erst die Voraussetzungen, um zum Beispiel im Objektgeschäft entstehende Finanzierungslücken zu überbrücken.
Für die Abnehmer ist der kompetente lagerhaltende Großhandel somit ein unverzichtbarer Servicepartner, mit dessen Unterstützung er seine eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken und ausbauen kann. Großhandel und Handwerk bzw. Facheinzelhandel sind dabei eine Erwerbsgemeinschaft, um im Wettbewerb zu konkurrierenden Vertriebsformen wie z.B. dem des großflächigen Einzelhandels, eine ernstzunehmende, marktgerechte und langfristig existenzsichere Vermarktungsform zu bilden.
Für die Industrie ist der Großhandel ein berechenbarer Marktpartner, der in der oben beschriebenen aufwändigen Form die Vermarktung der Produkte in seinem fein verästelten Vertriebs- und Logistiknetz an eine große Zahl Abnehmer unterschiedlicher Betriebsgröße sicher stellt. Mit seiner Lagerhaltung und Logistik übernimmt er dabei die wichtige zeitliche und räumliche Überbrückung zur marktgerechten Versorgung. Durch die zuverlässige Abnahme berechenbarer Absatzmengen schafft er eine wichtige Planungssicherheit für die Produktionsprozesse der Hersteller. Aber auch die Übermittlung von Marktentwicklungen hinsichtlich Produktdesign und Qualität und der Know-how Transfer vom Hersteller zum Handwerker hat in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Leit- und Stützpunkthändlersysteme, Markenbildung und Distributionskanäle kann der Holzgroßhandel selbstbewusst auf diese Wertschöpfungsfunktionen verweisen. Mehr noch: Diese komplexen Funktionen sind zukünftig vermehrt die entscheidenden Profilierungsinstrumente für den Händler in seinem relevanten Markt. Das Holzgroßhandelsunternehmen als Marke, mit einer für seine Kunden unverwechselbaren, positiven Identität und einem erlebbarem Nutzen, erfüllt am besten die mächtige und nachhaltige Erfolgsformel: Es ist - im Gegensatz zu vielen industriellen Produkten - kurzfristig nicht kopierbar.
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Parkett im Holzhandel 05/12
(Wirtschaft)