Thomsit: Cheftechniker Uwe Elvert wagt einen Blick in die Zukunft
"Technische Kompetenz des Verarbeiters wird immer wichtiger"
Schnellere Produkte, weniger Arbeitsschritte, nachhaltigere Verarbeitungsverfahren - in den vergangenen 15 Jahren hat sich die Fußboden-Technik rapide weiterentwickelt. Dass sich das Tempo der Veränderungen verlangsamt, ist nicht abzusehen. Wohin aber führt der Weg in den kommenden zehn oder 15 Jahren? Deutlich spürbar wird der Unterschied bei der technischen Entwicklung in der Sanierung. "Die Bausubstanz vieler Altbestände, die vor 10 oder 15 Jahren saniert worden sind, war grenzwertig", erläutert Elvert. Nur durch aufwändige Maßnahmen und den Einsatz von Armierungsgeweben und Epoxidharzen konnten instabile Bodensysteme gerettet werden. Was damals gut für den Aufbau war und ihn vielleicht gerade noch nutzbar machte, kann aber im nächsten anstehenden Sanierungszyklus recht großen Aufwand bedeuten.
Das betrifft nicht allein den Untergrund. Auch die Bodenbelagsklebstoffe haben heute meist deutlich höhere Festigkeiten als sie in der Vergangenheit an der Tagesordnung waren. Lösemittelhaltige Kunstharzklebstoffe, die mit der Zeit verspröden können, lassen sich zum Beispiel vergleichsweise leicht entfernen. Moderne Dispersionsklebstoffe verspröden dagegen nicht und sind auch nach Jahren noch sehr robust. "Altflächen werden daher deutlich stabiler sein als Bodenleger sie bislang vorfanden", so Elvert. "Darauf wird sich die Zubehör- und Maschinenindustrie in den kommenden Jahren vermutlich mit der Produktion noch leistungsstärkerer Werkzeuge, Geräte und vor allem Schleifmittel einstellen."
Nachhaltigkeit, Effizienz, Ergonomie große Themen Insgesamt gesehen werden die großen Trends von heute auch die nächsten Jahre dominieren. Nachhaltigkeit, Effizienz und Ergonomie bleiben zentrale Themen, die Hersteller, Handel und Verarbeiter weiterhin beschäftigen werden - beispielsweise im Untergrund. Schon heute ist ein vermehrter Einbau von Fließestrichen zu beobachten, weil sich mit ihnen größere Tagesleistungen erzielen lassen. Nicht minder interessant ist allerdings auch der ergonomische Vorteil.
Fließende Estrichsysteme lassen sich erheblich leichter nivellieren als ihre konventionellen Alternativen. Die Basis der Produkte ist dabei nicht auf ein Bindemittel beschränkt. Zwar machen Calciumsulfat-Fließestriche nach wie vor das Rennen, doch immer häufiger trifft man auf Baustellen auch auf hoch verfließende zementäre Estriche. Der Trend jedenfalls ist offensichtlich: Schon 2009 hatte der Industrieverband Werkmörtel gemeldet, dass der Anteil von Baustellen-Estrichen am Gesamtmarkt die 50 %-Marke unterschritten hat - Tendenz: weiter abnehmend. Das Engagement der Berufsgenossenschaften, die den Einsatz dieser ergonomischeren Technologien aus Arbeitsschutzgründen gegenüber Unternehmen propagieren, befeuern die Entwicklung zusätzlich.
Mit Blick auf die vor Beginn einer jeden Verlegearbeit erforderliche Bewertung des Untergrundes werden sich Parkett- und Bodenleger allerdings noch eingehender auf die Besonderheiten solcher Estrichsysteme einstellen müssen. Schon heute steigt beispielsweise die Zahl an Calciumsulfat-Fließestrichen, deren Oberflächen im Sinne der DIN 18365 (bzw. DIN 18356) als nicht belegreif eingestuft werden müssen. Zum Teil erfordern sie sogar erhebliche Nacharbeiten. Angesichts des allgegenwärtigen, nicht abnehmenden Preisdrucks in diesem Gewerk, dürfte sich dieser Trend weiter fortsetzen. Damit wird die technische Kompetenz des Verarbeiters zugleich immer wichtiger.
Neben den Fließestrichen gewinnen auch die Trockenbauelemente im Fußbodenbereich sicher weiter an Marktbedeutung. Ihre einfache Installation ohne längere Trockenzeiten und die damit verkürzten Bauzeiten bleiben ebenso wichtige Hauptargumente wie der erreichbare Wärme- und Schallschutz. Die technischen Eigenschaften der Trockenelemente machen wiederum speziell auf sie abgestimmte Verlegewerkstoffsysteme notwendig. Daher ist mit einem vermehrten Einsatz von Gipsspachtelmassen zu rechnen. Die zukünftige Entwicklungsarbeit auf diesem Gebiet wird sich voraussichtlich auf die Beschleunigung von Trocknungsprozessen konzentrieren.
Hohlraumböden gefragtProzentuale Verschiebungen von Hohlraumböden gegenüber konventionellen Fußbodenaufbauten erwartet der Technik-Profi dagegen nicht. Zwar befreit die Zunahme kabelloser Netzverbindungen zwangsläufig von der Aufgabe, meterweise Kabel unsichtbar im Raum verstecken zu müssen. "Aber auch andere Versorgungsleitungen in den Bürohäusern müssen je nach Bauart durch die Räume geführt werden", so Elvert. "Damit wird sich an dem großen Bedarf von Hohlraumböden auch in den nächsten Jahren wenig ändern."
Allerdings bleibt die Kombination von Hohlraum- und Doppelböden weiter auf dem Vormarsch. Zunehmend erhalten Bürogebäude inzwischen Hohlraumböden mit integrierten Doppelbodentrassen. Besondere Aufgaben entstehen primär an den Übergängen beider Systeme, die sich nicht nur auf den Untergrund beschränken, sondern auch den Oberbelag betreffen. Planer wünschen in aller Regel durchgehende Oberböden, obwohl die reversiblen Doppelbodenplatten diese prinzipiell nicht ohne Weiteres zulassen. Somit bedürfen die nächsten Generationen von Bodenbelägen neuer Lösungen.
Fußbodenheizungen erleben Konjunktur Fußbodenheizungen prognostiziert der Fußboden-Techniker einen Entwicklungsschub. Elvert weiß, "versteckte Heizsysteme und wohlige Wärme von unten haben Konjunktur - nicht nur im Badezimmer. Soll eine Fußbodenheizung im Zuge einer Sanierung installiert werden, kommen meist nur Flächenheizsysteme infrage.
Die vergleichsweise dickeren Durchmesser klassischer Warmwasser-Rohrleitungen würden im Bestand kaum einen weiteren Höhenaufbau von Spachtelmasse - gegebenenfalls Dämmunterlage - und Oberbelag zulassen. Damit bleibt ihr Einsatz auf konventionelle Estrichsysteme beschränkt. Solche Heizestriche aber lassen sich ausschließlich im Neubausegment oder bei Kernsanierungen von Gebäuden installieren, nicht in der Sanierung", begründet der Experte.. Und noch ein Aspekt wird für die weitere Entwicklung eine maßgebliche Rolle spielen: Nach Angaben des Bundesverbandes Flächenheizung und Flächenkühlung stellt die Elektrofußbodenheizung im Gesamtkostenvergleich mittlerweile die günstigste Variante dar.
Ohnehin steht der Produktgattung der Nivellier- und Ausgleichsmassen wachsende Nachfrage ins Haus. "Schon heute zeichnet sich ab, dass die Ebenheitsansprüche der Nutzer von Holz- und elastischen Belägen an den Untergrund größer werden", so Elvert. "Angesichts dieser Entwicklung wird das Spachteln in Schichtdicken von mindestens 2 bis 3 mm, und damit die Verarbeitung mit Rakel und Stachelwalze, weiter an Bedeutung gewinnen." Zumal Sachverständige die Bewertungskriterien für die Oberflächenebenheit fertiger Böden mittlerweile tendenziell enger auslegen und stärker auf die Nutzerforderung eingehen.
Wünschenswerte Folgewirkungen glatter Oberflächen zeigen die Ultraglatt-Produkte von Thomsit, allen voran der XXL Premium-Ausgleich, bereits heute auf. Ihre fast spiegelglatte Oberfläche erleichtert dank einem niedrigeren Widerstand den Klebstoffauftrag. Zugleich sinkt der Verbrauch des jeweils eingesetzten Bodenbelagsklebstoffs spürbar. Außerdem könnte der Arbeitsgang des Schleifens auf Sicht aus dem Arbeitsalltag des Bodenlegers verschwinden - und damit auch ein großer Teil der Staubbelastung.
Emissionen drängen gegen Null Auch die Qualität der Innenraumluft wird weiter in den Fokus rücken. Energetische Sanierungsprojekte, die Wohnungen und Häuser auf der Basis der aktuellen Energiesparverordnung hermetisch gegen Wärmeabstrahlung abdichten, sowie die steigende Nachfrage an "Green Building"-Zertifizierungen werden Emissionen aus Grundierungen, Spachtelmassen und Klebstoffen weiter gegen Null treiben, vermutet Elvert.
"Vor rund zwei Jahren haben wir einen großen Teil unseres Verlegewerkstoff-Portfolios gemäß GEV Emicode als sehr emissionsarm (EC 1 Plus) zertifizieren lassen", so der Cheftechniker. "Das war ein wichtiger und bedeutender Schritt, da die neue Emissionsklasse die schärfsten Anforderungen stellt. Dass die Produkte auch die neue Zertifizierung mühelos erhielten, zeigt wie emissionsarm die Thomsit-Klebstoffrezepturen heute schon sind", so Elvert weiter. Mit den - wenn auch nur noch in geringem Umfang - messbaren Emissionen ist immer auch die Frage nach Gerüchen verbunden. Elvert: "Erfindergeist, verbesserte Rohstoffreinigung und neue Entwicklungsmethoden werden es möglich machen, dass die Klebstoffsortimente in absehbarer Zeit nicht nur sehr emissionsarme, sondern auch nahezu geruchsfreie Produkte enthalten. Ohne Einbußen in den technischen Eigenschaften."
Recycling von Altmaterialien Eine Frage, die sich in Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit ebenfalls aufdrängt, ist die des Recyclings. Wird es künftig möglich sein, Belag, Verlegewerkstoffe und Untergrund so voneinander zu trennen, dass die einzelnen Stoffgruppen spezifischen Recyclingprozessen zugeführt werden können? Diese Frage sei von solcher Bedeutung, dass sie sich zu einem branchenbeherrschenden Thema entwickeln wird, erwartet Elvert.
Die entsprechenden Recycling-Technologien sind bereits seit Jahren auf dem Markt. Wiedergewonnener Zement wird beispielsweise zur Herstellung von Schotter oder Füllstoffen verwendet. Auch Alt-PVC wird recycelt. In speziellen Anlagen wird es zunächst klein gemahlen. Als Feinmahlgut setzt die Belagsindustrie das Altmaterial dann zur Produktion neuer Beläge ein.
Darüber hinaus gelangen immer öfter Oberbeläge auf den Markt, die aus alternativen Rohstoffen hergestellt sind. Dank dieser Basis wird die spätere Entsorgung bereits in der Entwicklungsphase berücksichtigt. Die Klebstoff-Industrie wird sich auf diese Entwicklung einstellen müssen, denn nicht alle Materialien lassen sich gleich gut kleben. Daher warten speziell in dieser Hinsicht in den kommenden Jahren einige Aufgaben auf alle Marktteilnehmer.
Absehbar scheint auch, dass sich die Renovierungszyklen in den kommenden Jahren erheblich verkürzen könnten. "Designbeläge liegen bei allen Zielgruppen hoch im Kurs", sagt Elvert. Die Gründe für die Popularität klingen ausgesprochen pragmatisch und sind unter anderem in der Qualität naturgetreuer Nachbildungen verschiedener Materialien begründet. Beispiel Parkett: Auftraggebern, die die Eigenschaft des Holzes scheuen, sich im Zuge klimatischer Wechsel zusammenziehen oder ausdehnen zu wollen, kommen Designbeläge mit Parkettdekoren zupass. Außerdem lassen sich die dünnen Beläge nahezu überall einsetzen, während die vorhandenen Höhenmaße echtem Parkett in der Sanierung natürliche Aufbaugrenzen setzen.
Zum Vergleich: Fertigparkett wird marktüblich ab etwa 10mm angeboten. Ein Designbelag ist dagegen gerade einmal etwa 2 mm stark. Damit bliebe, so Elvert, der Designbelag mit Parkettanmutung häufig die einzige Möglichkeit, um im Bestand Parkettflair in die eigenen vier Wände einziehen zu lassen. Diese Entscheidung wird sich auf den Renovierungszyklus auswirken. Der Grund: Die Nutzungsdauer für Parkettböden kalkuliert man mit durchschnittlich 30 Jahren. Ähnliche Zeiträume werden vermutlich auch für keramische Beläge veranschlagt. Dagegen müssen elastische Beläge grob geschätzt nach etwa zehn Jahren erneuert werden. "Damit könnten sich Sanierungsaufträge in den kommenden Jahren von den Parkett- und Fliesengewerken zu den Bodenlegern verschieben", prognostiziert Elvert.
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FussbodenTechnik 06/12
(Wirtschaft)