Ralf Wollenberg: Objekteur appelliert an Industrie
"Produkte müssen auch unter ungünstigen Bedingungen funktionieren"
Objekteur Ralf Wollenberg sieht die Nachhaltigkeitsdebatte in der Bodenbranche kritisch. Für den Bundesfachgruppenleiter der Bodenleger im Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik muss ein Produkt in erster -Linie funktionieren, erst in zweiter Linie nachhaltig sein. Er wünscht sich außerdem von der Industrie, dass über veränderte Verlegeanleitungen und Arbeitsweisen besser informiert wird.Als Bundesfachgruppenleiter Bodenleger im Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik und in meiner Funktion als Geschäftsführer eines Bodenlegerbetriebes habe ich die FussbodenTechnik immer gern als Informationsmedium für alle Bereiche aus unserem Handwerk genutzt. Seit 1999 bin ich Abonnent Ihrer Fachzeitschrift. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte wünsche ich Ihnen und mir: Weiter so und bleiben Sie am Ball!
Unwort NachhaltigkeitIn der gesamten Branche kursiert momentan ein Wort, das ich langsam nicht mehr hören kann: Nachhaltigkeit. Sämtliche Belags- und Verlegewerkstoffhersteller ordnen ihre Gedanken, Produktentwicklungen und Werbemaßnahmen diesem Begriff unter. Alles muss heute nachhaltig und umweltfreundlich sein. Ob die Verlegewerkstoffe und Bodenbeläge dann auch noch funktionieren, scheint für einen Großteil der Industrie nur noch zweitrangig zu sein.
Da werden Klebstoffe entwickelt, die unter Normklimabedingungen wahrscheinlich hervorragend funktionieren, aber mit denen der Bodenleger auf der Baustelle unter Realbedingungen seine Bodenbeläge, Treppenstufen und Sockelleisten nicht verlegt bekommt. Bodenbeläge werden verändert, damit sie sich besser unter Nachhaltigkeits- und Umweltgesichtspunkten vermarkten lassen. Diese Produkte müssen teilweise anders verarbeitet werden. Dieses wird uns ausführenden Handwerkern nicht oder nur unzureichend mitgeteilt.
Wenn meine Mitarbeiter heute, z. B. Bodenbeläge auf Treppen, Hohlkehlsockelleisten oder andere Fußleisten unter Verwendung von Trocken- oder Dispersionskontaktklebstoffen verlegen sollen, müssen wir damit rechnen, dass sich die Beläge und die Fußleisten wieder lösen oder das wir ewig warten müssen, bis die Dispersionklebstoffe bei ungünstigen raumklimatischen Bedingungen ihren optimalen Einlegezeitpunkt erreicht haben.
Bedenken anmelden schreckt Kunden ab
Damit komme ich gleich zu einem weiteren Thema: Bedenken anmelden. Selbstverständlich haben wir technische Vorgaben, was die raumklimatischen Baustellenbedingungen betrifft. Würde ich streng nach Vorschrift arbeiten, müsste ich eigentlich bei jeder Baustelle, bei der ich nicht 18 C Lufttemperatur habe, sondern nur 15 oder 13 C, gegenüber dem Bauherren Bedenken anmelden, mit dem Bauherren diskutieren und Streit auf der Baustelle produzieren. Im Tagesgeschäft habe ich für solche Schreibereien und für diese Diskussionen weder Lust noch Zeit.
Dazu kommt natürlich auch, dass die Bodenleger, die an den Baustellen immer über kleinste Unregelmäßigkeiten bei den Verlegebedingungen meckern, nach relativ kurzer Zeit keine Kunden mehr haben. Deshalb wäre es mein großer Wunsch an die Verlegewerkstoffhersteller, ihre Anstrengungen dahingehend zu intensivieren, Produkte zu entwickeln, die auch unter ungünstigen Bedingungen gut, sicher und schnell funktionieren.
Im Moment sehe ich allerdings eher die Tendenz dahingehend, dass, sowohl bei den Verlegewerkstoff- als auch bei den Belagsherstellern - das Ganze dann auch von einigen Berufssachverständigen unterstützt - immer mehr Verantwortung auf den Bodenleger abgewälzt wird. Da werden Aufbau- und Verlegeempfehlungen herausgegeben, die an der Baustelle kaum in dieser Form durchgeführt werden können.
Als Objekteur muss ich dann immer einen Spagat machen. Wenn ich den Auftrag haben möchte, muss ich diesen so kalkulieren, dass der Aufbau nach meiner Erfahrung technisch so funktionieren kann. Ich übernehme dann aber das Risiko, dass sich in einem Schadensfall die Verlegewerkstoff- und Belagshersteller auf ihre Verarbeitungsrichtlinien zurückziehen und Schäden nicht anerkennen, die aus ganz anderen Gründen entstanden sind.
Dazu kommt, dass viele unserer Kunden heute immer kritischer werden. Wir müssen uns mit Fachfragen und aus dem Internet angelesenem Halbwissen auseinandersetzen. Kunden wollen zum Teil jeden Arbeitsschritt begründet haben, wobei die Erwartungshaltung, verstärkt durch fotoretuschierte Hochglanzbroschüren aus Werbeprospekten und Einrichtungszeitungen sehr hoch ist. Die vor einigen Jahren massiv vorhandene "Geiz ist Geil"- Mentalität hat sich zumindest in meinem Kundenkreis wieder ein wenig normalisiert.
Quereinsteiger beherrschen Handwerk nichtEin Problem ist mittlerweile, gerade für anspruchsvolle handwerkliche Ausführungen, geeignete Bodenleger zu bekommen. Nach wie vor ist es so, dass sich in unserer Branche viele Quereinsteiger tummeln, die die einfachsten Grundregeln unseres Handwerks nicht beherrschen. Leider werden von diesen Kollegen die reichlich vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten, die von den Innungen, der Industrie und vom Handel angeboten werden, nicht so angenommen, wie es notwendig wäre.
Dazu kommt natürlich auch, dass gerade im Objektbereich immer wieder neue Unternehmungen auf den Markt drängen, die von vernünftiger kaufmännischer Kalkulation keine Ahnung haben. Da nützt es auch nichts, wenn diese Firmen nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwunden sind. Erstmal sind einige Aufträge weg.
Als Unternehmer muss ich heute nicht nur zusehen, dass ich meine Baustellen ordentlich und termingerecht abwickle, ich muss dabei auch immer mehr Vorschriften beachten. Der Staat mit neuen Gesetzen, die Berufsgenossenschaften, die Europäische Union, die Kommunen, die Sozialversicherungen, das Finanzamt, alle denken sich in immer kürzeren Zeiträumen etwas Neues aus, was uns das Leben schwer macht.
Tipp: FussbodenTechnik lesenAber genug gejammert, letztendlich ist es auch heute noch so, dass man mit termingerechter, handwerklich ordentlicher, zu fairen Preisen ausgeführter Arbeit sein Geld verdienen kann. Mein Wunsch wäre, dass die Industrie uns Verleger dabei unterstützen würde, indem sie Produkte herstellt, die weitestgehend universell einsetzbar sind und dabei gut funktionieren. Ich wünsche mir wieder mehr Bodenleger, die bereit sind, ihren Beruf zu leben und versuchen, technisch immer auf dem neuesten Stand zu sein und sich laufend, wie durch die Lektüre der FussbodenTechnik zu informieren. Unter diesen Voraussetzungen kann es dann unseren Berufsstand auch in den nächsten Jahrzehnten noch geben.
aus
FussbodenTechnik 06/12
(Wirtschaft)