FHR Fachhandelsring: Interview mit Geschäftsführerin Sabine Wiegand
"Unser Fernlehrgang zum Fußbodenfachverkäufer hat Vorbildcharakter"
FHR-Geschäftsführerin Sabine Wiegand ist nach einer Krankheitspause zurück in der Harthausener Zentrale. Die operative Verantwortung im Fachhandelsring liegt nach den Frühjahrsmessen 2013 in wesentlichen Bereichen wieder bei ihr. Im Gespräch mit BTH-Heimtex Chefredakteur Michael Steinert äußert sie sich zu den aktuellen Herausforderungen für den Fachhandel. Mit der starken Eigenmarke "Werkhaus", einem umfangreichen Weiterbildungsangebot, zu dem jetzt auch ein Fernlehrgang gehört, und der TÜV--Zetifizierung "Fachbetrieb für Fußbodentechnik" steht die Kooperation den FHR-Partnern im verschärften Wettbewerb zur Seite.
BTH Heimtex: Frau Wiegand, für Sie stand in den letzten Monaten die vollständige Genesung an erster Stelle. Wie haben Sie in dieser Zeit das Branchengeschehen verfolgt?
Sabine Wiegand: Wenn man wie ich über 30 Jahre in der Branche tätig ist und seine Arbeit auch als Berufung empfindet, kann man nie ganz vom Thema lassen. Über mein Team war ich in komprimierter Form immer bestens informiert.
BTH Heimtex: Wie bewerten Sie dann die bisherige Entwicklung im Jahr 2012?
Wiegand: Der Markt ist von Verdrängung gekennzeichnet. Diese Entwicklung hat sich schon in den letzten Jahren angekündigt und ist aktuell ausgeprägter denn je. Der Wettbewerb läuft dabei entweder unter dem Motto "Wer ist der Schönste im Land", also Erlebniseinkauf, oder "Wer hat den niedrigsten Preis", sprich Rabattschlachten.
BTH Heimtex: Wie positioniert sich da der FHR?
Wiegand: Wir setzen nach wie vor auf Qualität bei Produkten und Verarbeitung. Aber natürlich dürfen auch wir das Mengengeschäft nicht aus den Augen lassen.
BTH Heimtex: Welche Rolle spielt dabei die FHR-Marke "Werkhaus"?
Wiegand: Werkhaus ist ein Markenkonzept mit umfassenden Kollektionen in besseren Preislagen, die zur Wertschöpfung im Fachhandel beitragen. Im Internet hat die Marke eine eigene Webseite. Dort finden Verbraucher und Händler auch einen Raumplaner. Mit dem können sie virtuell Räume gestalten, auch ihre eigenen. So lässt sich relativ leicht die Wirkung von Designs und Farben austesten.
BTH Heimtex: Zum Stichwort Qualität passt auch Ihre Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland bei der Zertifizierung zum "Fachbetrieb für Fußbodentechnik". Die Initiative läuft seit 2011. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Wiegand: Für die teilnehmenden Betriebe ist die Zertifizierung ein Erfolg. Das TÜV-Siegel bescheinigt ihnen einen Sicherheits- und Kompetenzstandard, der von professionellen Auftraggebern als Qualitätsmerkmal angesehen wird. Das können die Unternehmen dann auch in höhere Preise umsetzen.
Was die Zahl der Zertifizierungen angeht, sind wir allerdings noch nicht da, wo wir eigentlich hin wollen.
BTH Heimtex: Muss man FHR-Mitglied sein, um das Zertifikat bekommen zu können?
Wiegand: Nein. Es ist ja kein FHR-Zertifikat und wir sehen die Aktion als Initiative für und Angebot an die gesamte Branche. Wir bieten die Zertifizierung über ein Tochterunternehmen allen Interessenten an. Ansprechpartner sind unsere beiden Mitarbeiter Michael Bergfeld und Eberhard Schübel.
BTH Heimtex: Weiterbildung wird im FHR ja traditionell großgeschrieben, sowohl was den Verkauf als auch was die Verarbeitung angeht. Was ist 2013 geplant?
Wiegand: Zu etwa zehn Themen bieten wir Individualschulungen vor Ort beim FHR-Partner an. Außerdem veranstalten wir zweimal im Jahr zentral den Lehrgang "Geprüfter Bauleiter Fußbodentechnik".
Ergänzend dazu wird es ab 2013 auch einen Fernlehrgang zum Fußbodenfachverkäufer geben. Schon im Vorfeld stellen wir dazu eine große Resonanz fest. Offenbar kommt es den FHR-Partnern entgegen, dass durch den Fernlehrgang keine Reise- und Übernachtungskosten entstehen und es im Betrieb keine Ausfallzeiten gibt.
Wir sehen das als innovativen Schritt mit Vorbildcharakter bei der Weiterbildung.
BTH Heimtex: Ein immer wichtigeres Thema ist das Online-Geschäft. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung?
Wiegand: Mit einem Wort: ruinös. Im Netz tobt ein Preiskrieg, von dem auch ein Teil der Marken unserer Branche betroffen sind. Und das wird früher oder später unsere Handelsspannen noch weiter reduzieren.
Als bedenklich empfinde ich, dass der Gesetzgeber diesem Treiben noch Vorschub leistet über Wettbewerbsrecht, Belieferungspflichten, Internet-Verbraucherschutz usw. Das wird Arbeitsplätze und Investitionen kosten. Mehr Angebot bedeutet nicht mehr Umsatz, denn wer kauft schon Bodenbelag auf Vorrat - egal wie niedrig der Preis auch sein mag?
BTH Heimtex: Aber all das lässt sich wohl kaum aufhalten...
Wiegand: Das stimmt leider und wir verschließen unsere Augen auch nicht vor den Tatsachen. Der FHR wird das Thema Multichannel neu aufgreifen. Aber an einer Marken-Preisschlacht werden wir uns nicht beteiligen. Allen Beteiligten muss daran gelegen sein, dass auch im Internet Preise erzielt werden, die eine Gewinnmaximierung beinhalten.
BTH Heimtex: Was erwarten Sie sonst für die Zukunft? Wie sehen Sie das kommende Jahr?
Wiegand: Nimmt man die aktuellen Wirtschaftsprognosen, wird das Niveau 2013 wohl leicht über dem von 2012 liegen. Die Erfahrung zeigt, dass Wahljahre auch Verbraucherjahre sind. Das heißt, die Konsumfreudigkeit wird leicht steigen, speziell auch im Verschönerungs- bzw. Renovierungsbereich.
Wer am Geschäft teilhaben will, muss nicht nur das Internet im Auge behalten, sondern sich vor allem auf Veränderungen in den gesellschaftlichen Werten einstellen. Work-Live-Balance ist mehr als ein Modebegriff; sie führt zu einem veränderten Freizeitverhalten, das an unserer Branche nicht vorübergehen wird.
Für mich ist "Betongold" ein Wort des Jahres. Es umschreibt die Angst vor der Geldentwertung und die Flucht der Verbraucher in Sachwerte. Immobilien, dazu gehört auch die Wohnungsausstattung, stehen hoch im Kurs und führen die Kunden zu unserem Handwerk.
Ich wünschte mir daher etwas mehr Bildungsinvestitionen, speziell im Handel. Denn die Chancen sind da und durch eine bessere Beratung lassen sich auch höhere Verkaufspreise erzielen.
Das umzusetzen, dazu leisten auch wir als FHR unseren Beitrag: Neben den schon erwähnten Weiterbildungsangeboten planen wir für 2013 wieder fünf Regionaltagungen, die aktuelle Schwerpunktthemen haben werden. Auch zum FHR-Objektforum werden wir wieder einladen.
BTH Heimtex: Lassen Sie uns zum Abschluss noch über die wichtigsten Sortimente reden. Erstes Stichwort: Bodenbeläge.
Wiegand: Hier geht es derzeit um Verschiebungen bei Anteilen an einem insgesamt gleichbleibenden Markt. Bei textilen Belägen bleiben Tufting- und gewebte Teppichböden das Komfort-Produkt im gehobenen Bereich. Im unteren bis mittleren Segment haben wir Absatzeinbußen, die aber auf dem jetzigen Stand bleiben werden. Nadelvlies wird im Objekt sein Volumen beibehalten.
Homogene Fußböden stehen im Wettbewerb mit Designbelägen und werden stagnieren. Linoleum kann sich als nachhaltiger Bodenbelag in der Menge erholen. Die PVC-freien Beläge werden ihren Markt finden, aber kurzfristig keine entscheidende Bedeutung hinsichtlich des Absatzvolumens haben.
BTH Heimtex: Designbeläge haben Sie schon angesprochen. Aktuell ist das "der" Wachstumsmarkt.
Wiegand: Aus dem Vinyl-Plankenboden ist ein Designprodukt geworden, das sich zuerst im Ladenbau, der Gastronomie und Hotels etabliert hat. Jetzt gerät zunehmend der Privatkunde ins Visier. Hier werden Designbeläge dem allgegenwärtigen Laminat Konkurrenz machen. Wir bieten Qualitätsware an, speziell die hochwertigen Klick-Varianten.
Optisch dominiert Holz. Auch Steinnachbildungen finden zunehmend Liebhaber. Bei den Formaten gilt: je länger, je lieber.
BTH Heimtex: Bliebe am Boden noch Parkett.
Wiegand: Nach meiner Einschätzung wird das Absatzvolumen noch leicht zunehmen, vor allem weil preisgünstige Ware aus dem Ausland eingeführt wird. Wir bewegen uns hier in einem VK-Bereich vergleichbar mit qualitativ gutem Laminat und Designbelägen.
Bei den Edelhölzern wird es aufgrund der begrenzten Ressourcen keinen Zuwachs geben. Die Preise gehen eher nach oben, was gleichzeitig die Menge potenzieller Käufer schrumpfen lässt.
Landhausdielen dürften ihren Marktanteil erheblich steigern. Heimische Hölzer werden unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit verstärkt nachgefragt.
BTH Heimtex: Auf das Parkett gehört ein Teppich.
Wiegand: Wir bieten bei etwa 100 Fachhändlern abgepasste Teppiche an, aber so richtig zufrieden ist fast keiner. Die Preisführerschaft eines Anbieters sowie die Rabattschlachten der Möbler lassen keinen Raum für Alternativangebote. Die VK-Preise sind oft auch die Einkaufspreise des Fachhandels. Lediglich im Design- und Manufakturbereich mit höheren Beratungsansprüchen werden angemessene Umsätze generiert.
BTH Heimtex: Sieht das bei Tapeten anders aus?
Wiegand: Eindeutig ja. Die Tapete ist ein ertragreiches Segment. Die deutschen Hersteller bieten alles von traditionell bis modisch, von konsumig bis premium; die besten Sortimente der Welt. Mit diesen Produkten können die FHR-Partner Fachkompetenz zeigen, sowohl was die Beratung als auch was die Verarbeitung angeht.
BTH Heimtex: Blieben noch Sonnenschutz
Wiegand: Der Trend von der Stoffdekoration zu funktionalem, aber immer attraktiveren Innensonnenschutz wird sich fortsetzen. Das sorgt für steigende Umsätze. Die erwarte ich auch für den Außensonnschutz.
BTH Heimtex: und Gardinen.
Wiegand: Hier gibt es seit 2005 eine negative Entwicklung. Die hat aber nichts mit Versäumnissen der Industrie zu tun. Auch der Gardinenhandel hat keine gravierenden Fehler im Marketing gemacht. Der Rückgang liegt schlicht und ergreifend am veränderten Geschmack der Verbraucher; Gardinen sind derzeit einfach nicht "in".
Zertifizierung "Fachbetrieb für Fußbodentechnik"
Als erstes Gütesiegel für verarbeitende Betriebe in der Bodenbranche bietet der FHR in Zusammenarbeit mit dem TÜV-Rheinland seit 2011 das Zertifikat "Fachbetrieb für Fußbodentechnik" an. Durch den prominenten Partner ist die Glaubwürdigkeit besonders hoch, denn der TÜV ist in Deutschland eine Institution in Sachen Zertifizierung und das TÜV-Logo wird praktisch von jedem erkannt.
Grundlage des Zertifikats ist nicht die handwerkliche Kompetenz im Unternehmen. Bestätig werden stattdessen gewissermaßen unternehmerische Softskills: die Kenntnis relevanter gesetzlicher Vorschriften, regelmäßige Weiterbildung der Mitarbeiter, der Einsatz geeigneter bzw. zugelassener Maschinen, Werkzeuge und Verlegewerkstoffe, ein standardisiertes Dokumentationswesen, aber auch die Umsetzung von innerbetrieblichen Verbesserungen.
Damit Fachbetriebe für Fußbodentechnik die TÜV-Zertifizierung leichter erlangen, veranstaltet der FHR entsprechende Schulungen. Schwerpunktthemen sind Organisations- und Zeitmanagement, die in Richtung einer ISO 9000 Prüfung zielen. Anhand eines umfangreichen Handbuches werden die für Verlegebetriebe wichtigen Themen abgearbeitet. Nach der zweitägigen Fortbildung bekommen die Teilnehmer "Hausaufgaben" mit in ihren Betrieb. Sind die gemacht und die Voraussetzungen für das Zertifikat erfüllt, führt ein TÜV-Mitarbeiter im jeweiligen Unternehmen ein Audit durch. Diese Überprüfung muss alle zwei Jahre wiederholt werden.
Erste Rückmeldungen aus den teilnehmenden Betrieben sind sehr positiv. Das betrifft einerseits die innerbetrieblichen Verbesserungen, die interne Abläufe transparenter und effizienter machen. Andererseits hat der Einsatz des Zertifikats in der Außendarstellung und bei Ausschreibungen schon dazu geführt, dass neue Kunden gewonnen wurden.
Das Angebot richtet der FHR nicht nur an die eigenen Mitglieder, sondern an alle Verarbeiter. Ansprechpartner für Interessenten an der Zertifizierung "Fachbetrieb der Fußbodentechnik" sind beim FHR die beiden Schulungsleiter Michael Bergfeld (0151/22 34 50 00) und Eberhard Schübel (0172/6 30 80 96). Zu erreichen sind sie auch über info@infra-interieur.de. Die Termine 2013 für die Schulungen zur TÜV Rheinland-Unternehmenszertifizierung stehen schon fest: 27./28. Februar, 24./25. April, 25./26. September und 27./28. November.
FHR Daten und Fakten
FHR Fachhandelsring GmbHAm Pfaffensee 4
67376 Harthausen
Tel.: 06344 / 95 33-0
Fax: 06344 / 95 33-98
info@fhr-verbund.de
www.fhr-verbund.de
www.werkhaus-raum.de
Geschäftsführender Gesellschafter: Kurt Reichelt
Geschäftsführerin: Sabine Wiegand
Prokurist: Michael Bergfeld
Gründungsjahr: 1976
Mitarbeiter: 16
Mitglieder: 600
aus
BTH Heimtex 12/12
(Wirtschaft)