Heimtextil Tapeten

Die Branche setzt auf Dieter Bohlen

Die Heimtextil 2013 umgab sich mit Glamour. Dafür sorgte nicht nur der Pop-Titan Dieter Bohlen, der bei der Vorstellung seiner ersten, für P+S entworfenen Tapetenkollektion im Blitzlichtgewitter stand, sondern auch der Trend zu Glanz und Glimmer auf den Wandbelägen. Dabei bekannten sich die Hersteller in Zeiten wachsenden E-Commerces eindeutig zu ihren Handelspartnern. Alles in allem erwies sich die von Jahr zu Jahr internationaler werdende Leitmesse nicht nur als erfolgreicher Vermittler von Geschäften, sondern auch als kommunikativer Branchentreff mit hohem Anspruch - wobei sich die Tapete wieder als einer der Hauptanziehungspunkte herausstellte.

Die Heimtextil 2013 könnte als Messe der Stars in die Geschichte eingehen: In der Tapetenhalle stellten die international bekannten Designer Luigi Colani, Karim Rashid und Jette Joop sowie der Pop-Titan Dieter Bohlen ihre neuen Kollektionen vor. Vor allem Bohlen zog mit seinen für P+S International entworfenen Tapeten das Interesse von Ausstellern, Fachbesuchern und Journalisten auf sich. Dank seiner Präsenz wurde ausführlich in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen über die Messe berichtet. "Sein Auftritt sorgte für gigantischen Medienrummel und viel Aufmerksamkeit", meinte Martin Auerbach, Geschäftsführer des Heimtex-Verbands. Davon werde die Tapete insgesamt profitieren, waren sich sowohl Hersteller als auch Zulieferer einig - wenngleich über das Thema Testimonials kontrovers diskutiert wurde. Dennoch goutiert die Branche, dass ein prominentes Zugpferd die Wandbekleidung in die Publikumsmedien brachte. Diese Furore scheint auch nötig, denn der Tapetenabsatz ist im Inland rückläufig - allerdings bei steigenden Umsätzen -, was so manch einen Aussteller die Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

Mehr Umsatz - weniger Rollen


Laut Verband der Deutschen Tapetenindustrie (VDT) haben die Mitglieder 2012 im Inland mit einem Plus von 2% abgeschlossen und mehr als 142Mio.EUR umgesetzt. Gleichzeitig sank jedoch die Zahl der abgesetzten Rollen um 3% auf 32Mio.; wobei nicht unterschlagen werden soll, dass nach dem Austritt von Erfurt aus dem Verband, deren Zahlen aus der Statistik gefallen sind.Vor 10 Jahren wurden noch 50Mio.Rollen abgesetzt. Besser entwickelten sich die Zahlen im Ausland mit einer Umsatzsteigerung von mehr als 4% auf 290Mio.EUR und einem Mengenwachstum von über 2% auf 63Mio.Tapetenrollen. Insgesamt erhöhte sich der Umsatz deutscher Hersteller um rund 3% auf 433Mio.EUR. Verkauft wurden knapp 95Mio.Tapetenrollen, was einem Anstieg von 0,5% entspricht. Die Exportquote liegt bei 67 %.

Um im Inland stärker zu punkten, sind die Anbieter gezwungen, sich werbewirksame Maßnahmen einfallen zu lassen. P+S International versucht es mit dem Musiker und DSDS-Juror Dieter Bohlen. Der sagt von sich selbst, geschmacklich im Mainstream zu schwimmen. Entsprechend soll die von ihm entworfene Kollektion die Tapete einer breiteren Masse zugänglich machen. Dieser Ansatz könnte von Erfolg gekrönt werden, denn mehr Aufmerksamkeit hat in der Tapetenhalle bisher wohl niemand auf sich und seine Kollektion gelenkt.

"Wegen der gesunkenen Absatzzahlen versucht sich die Branche mit Zugpferden zu profilieren", erklärte Christian Schmitz, Geschäftsführer der Verlage Essener, Schmitz und Tescoha. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen beobachtet er die Aktivitäten jedoch zwiespältig. Zwar bestehe die Möglichkeit, dass Bohlen der Tapete zu weiterem Ansehen verhelfe. Aber die Beschäftigung von Promis dürfe nicht übertrieben werden, sonst wende sich der Endverbraucher ab. Sinnvoller sei es, die Tapete mit attraktiven Kollektionen für sich selbst sprechen zu lassen. Das sei eine nachhaltige Strategie.

Designer im Dienst der Tapete


So viel auch über Bohlen als neuem Tapetendesigner diskutiert wurde - neu ist der Werbeauftritt von Größen aus der Unterhaltungsbranche nicht. Für A.S. Création warb bereits 1998 das Ski-As Rosi Mittermeier. Sechs Jahre später präsentierte die Schauspielerin Senta Berger eine Kollektion aus Gummersbach. Die Tapetenfabrik Gebr. Rasch lässt seit vier Jahren Tapeten von der Schauspielerin und Designerin Barbara Becker entwerfen. Sehr viel häufiger als Sport- und Fernsehstars engagieren die Hersteller aber bekannte Maler, Designer und Architekten, die von ihrem Beruf her dem Entwerfen von Tapetenmustern näher stehen. So entwickelte in den 60er Jahren der spanische Maler, Grafiker, Schriftsteller, Bildhauer und Bühnenbildner Salvador Dal für Rasch eine Kollektion. Die Reihe lässt sich bis heute mit zahlreichen Namen fortsetzen.

Bei der Heimtextil stellte Erismann die neue Kollektion "My life is sweet" der holländischen Designerin Jill vor. Ihr Kollege Ulf Moritz kreierte für Orac Decor Zierprofile, Karim Rashid unterstützte Hewlett Packard und Jette Joop präsentierte ihre Farbedition "Gold Edition" von Signeo. Einen sehr charismatischen Designer ließ Marburg schon zum dritten Mal für sich arbeiten: Luigi Colani entwarf die viel beachtete Tapeten-Kollektion "Visions". "Wir machen Marketing mit Persönlichkeiten, die von Design wirklich Ahnung haben", stellte Geschäftsführer Dieter Buhmann klar. Auch für A.S. Création sind Promis aus der Unterhaltungsbranche kein Thema mehr. Das Unternehmen setzt inzwischen sehr erfolgreich auf Kollektionen von Designer Lars Contzen und Modelabels als Lizenzgeber. Jüngster Zugang ist die Modemarke "Versace". "Damit fahren wir gut", betonte Vorstandschef Jörn Kämper.

Dem Handel steht mit den Künstler-, Designer- und Lizenzmarken-Kollektionen eine kaum noch überschaubare Fülle an Tapeten zur Auswahl. Sie decken alle Einrichtungsstile von klassisch bis modern ab und bieten jede gewünschte Farbgebung. Echte Trends sind im Sortiment nicht ganz eindeutig, das Motto lautet: Im Trend ist, was gefällt. Allerdings kristallisiert sich auch in diesem Jahr wieder die Tendenz zu Glamour heraus. Ob barocke Ornamente, naturgetreue Blütenabbildungen oder grafische Muster - auf vielen Tapeten glitzert und schimmert es. Großen Raum nehmen Designs nach Vorbildern aus der Natur ein sowie das Thema Nachhaltigkeit. Aber auch knallige Farben sind zu sehen. Und Grau könnte sich zur Trendfarbe entwickeln. Dies alles gilt auch für die Digitaldrucktapete, die sich als technisch perfektes Produkt anschickt, die Wohnzimmer und den Objektbereich zu erobern. Faszinierende Technik kam von der Objektlinie Architects Paper bei A.S. Creátion. Das Unternehmen präsentierte seine überarbeitete LED-Tapete.

Industrie unterstützt den Handel


Während einige Unternehmen nach wie vor ausschließlich über den stationären Handel vertreiben, setzen Hersteller wie Rasch und A.S. Création auch auf eigene Internet-Shops. Dabei binden sie ihre Handelspartner jedoch mit ein. "Der stationäre Handel soll den größtmöglichen Nutzen haben", betonte Dario Rasch, Geschäftsführer der Tapetenfabrik Rasch, fügte jedoch hinzu: "Internet ist ein Mega-Trend, den keiner aufhalten kann." Hubert Esser, Inhaber der Vertriebsagentur Pro-Ambiente, will aber genau dies versuchen. "Wir sind fachhandelstreu, wir verkaufen nicht über Internet", versicherte er: "Wir wollen den Vertrieb über den stationären Handel so lange wie möglich beibehalten." Ähnlich äußerte sich Marburg-Geschäftsführer Dieter Buhmann: "Wir sind keine Konkurrenten für unsere eigenen Kunden und beabsichtigen auch nicht, es zu werden." Christian Schmitz gab zu bedenken: "Es gibt kein Produkt, das man nicht im Internet vermarkten kann." Aus diesem Grund riet die Industrie dem Handel, sowohl stationär als auch über das Netz zu verkaufen. Den neuen Entwicklungen dürfe sich dieser nicht verschließen.

Angesichts solcher Gesprächsthemen zeigt sich einmal mehr, dass bei der Heimtextil nicht nur neue Produkte präsentiert, sondern auch Probleme angesprochen werden, die den Branchenteilnehmern auf den Nägeln brennen.

Schweigen herrscht hingegen beim kartellrechtlichen Verfahren gegen fünf Tapetenhersteller, das wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen schwebt. Ein kurzfristiges Ende dieser unbefriedigenden Situation ist nicht abzusehen. "Unter uns herrscht Funkstille", wie es ein Betroffener formulierte. Bleibt die Hoffnung, dass die durch die Messe initiierten Geschäfte für einen Ausgleich sorgen.


Stimmen aus dem Handel


Sabine Wiegand, Geschäftsführerin Fachhandelsring (FHR)

Auf der Heimtextil ist mir die positive Grundstimmung bei den deutschen Lieferanten aufgefallen. Die Besucherfrequenz war gut, aber der einheimische Handel sollte in Frankfurt mehr Präsenz zeigen.

Überzeugend beim Thema Ökotrend fand ich die "grünen" Rollos von Kadeco und bei Rasch die Papiertapeten mit allen Zertifizierungen. Bemerkenswert ist auch die Zunahme von Marken wie Esprit und personalisierten Kollektionen etwa von Dieter Bohlen oder Luigi Colani.


Thomas Prutky, Fachmarktbetreiber aus Aschaffenburg

Die Heimtextil hat mir gut gefallen. Hier passt der Mix aus Ausstellern und Produkten. Die Messe hat Flair. Ich fände es aber klasse, wenn Domotex und Heimtextil wieder gemeinsam stattfinden würden. Die Verantwortlichen sollten sich Gedanken über die zukünftige Ausrichtung machen, insbesondere, wenn parallel die BAU stattfindet.
aus BTH Heimtex 02/13 (Wirtschaft)