imm 2013

Boxspring-Hype setzt sich fort


Köln. Das Wetter meinte es in diesem Jahr mit den Besuchern der Möbelmesse nicht so gut. Schneefälle sorgten in den ersten Tagen für kilometerlange Staus auf den Autobahnen, auch die Bahn hatte unter den widrigen Bedingungen zu leiden. Trotzdem strömten mit rund 142.000 mehr Besucher zur imm als zuvor erwartet. Die Kölnmesse spricht daher auch von einem guten bis sehr guten Ergebnis. Für die Sleephalle gilt dies allerdings nur mit Abstrichen.

Da in diesem Jahr mit der Messe Living Kitchen auch wieder die nur alle zwei Jahre teilnehmenden Küchenanbieter auf dem Kölner Messegelände ausstellten, war schon im Vorhinein damit zu rechnen, dass besonders viele Besucher den Weg nach Köln finden würden. Vor zwei Jahren kamen 138.000, in diesem Jahr rund 142.000, davon knapp 100.000 Fachbesucher und 43.000 Endverbraucher. Gerechnet hatte Messechef Gerald Böse nur mit rund 140.000. Zuwachs auch auf Ausstellerseite, denn mit rund 1.250 Unternehmen konnte die Zahl um rund zehn Prozent gesteigert werden. Die vermietete Fläche in den Messehallen erhöhte sich laut Böse sogar um zwölf Prozent.

Gerne wird im Vergleich zur Möbelmesse die hohe Internationalität der Heimtextil betont. In dieser Hinsicht holt Köln allerdings auf, sowohl auf Aussteller- als auf Besucherseite. Die Zahl der ausländischen Aussteller habe um 17 Prozent zugenommen, berichtete Böse. Besonders aus Italien, Österreich, Spanien, der Türkei und aus Brasilien seien diese Zuwächse gekommen. Unter den knapp 100.000 Fachbesuchern kamen 42 Prozent aus dem Ausland. Das waren laut Messegesellschaft 13 Prozent mehr als vor zwei Jahren. Vor allem in den für die Branche wichtigen Zukunftsmärkten Osteuropa und Asien verzeichnete die Messe ein positives Wachstum.

In der Sleep-Halle 9 begann die Messe eher schleppend, da ging es der Matratzenbranche nicht anders, als den Ausstellern in den übrigen Hallen auch. Schneefälle sorgten in Nordrhein-Westfalen und drumherum für Autobahnstaus von insgesamt mehreren hundert Kilometern. Manch einer verschob die Anreise lieber auf später. So richtig fing die Messe daher erst am Dienstag an, als die Gänge deutlich voller als am Vortag waren. Auch in den folgenden Tagen waren die Messestände gut frequentiert.

Traditionell ist der Dienstag ohnehin aus gutem Grund ein Tag mit vielen Besuchern. Am zweiten Messeabend findet der von der Kölnmesse und dem Matratzenverband ausgerichtete Branchenabend meet@sleep statt, der sich von Anbeginn der Halle 9 als Sleep-Halle zu dem Treffpunkt der Branche schlechthin entwickelt hat. Viele Besucher aus der Matratzenbranche planen ihren Messebesuch so, dass sie die Party am Abend mitnehmen können. Dort sieht man dann nicht nur Fachhändler, Einkäufer aus der Möbelbranche und Aussteller, sondern auch hochrangige Vertreter von Industrie-Unternehmen, die selbst gar nicht ausstellen. Sie sind nicht unbedingt vergnügungssüchtig, vielmehr nutzen sie den Treff für informelle Gespräche mit Geschäftspartnern. Dass es dazu handfeste Kost, Kölsch bis zum Abwinken und fetzige Live-Musik gibt, schadet der Veranstaltung allerdings auch nicht. Bedauerlich ist nur, dass ein paar Unentwegte es nicht schaffen, Rücksicht zu nehmen und auf ihre Nikotin-Ration zu verzichten. Die Veranstaltung mit dem Qualm von Zigarren zu beeinträchtigen ist ein Anachronismus, den die Party-Veranstalter im kommenden Jahr gerne unterbinden könnten.

Wer sich auf den Ständen der Halle 9 umblickte, konnte vor lauter Boxspring-Betten auf die Idee kommen, dass sich der Verbraucher nichts anderes mehr wünscht. Die Realität, der Fachhandel weiß es, sieht in den deutschen Schlafzimmern noch ein wenig anders aus. Die ersten Anbieter dieses Bettsystems wurden daher vor einigen Jahren noch belächelt. Mancher Experte gab damals angesichts des angeblich so konservativen deutschen Verbrauchers keinen Pfifferling auf dieses Thema. Aber Komfort ist doch ein wichtiges Verkaufsargument. Inzwischen schätzen Branchenexperten den Marktanteil von Boxspring-Betten im deutschen Bettenhandel im knapp zweistelligen Prozent-Bereich. Mit weiter wachsender Bedeutung. Außerdem sind Boxspring-Betten in Skandinavien, den Niederlanden und England inzwischen Standard. Wer als Hersteller also auch auf den Export setzt, muss zwangsläufig diese Betten im Sortiment führen.

Im Vorfeld der Messe sorgte die Belegung der Halle 9 für Gerede, die Haustex berichtete auch darüber. Tempur wollte nach einem Jahr Messepause wiederkommen, konnte aber nicht aus Platzgründen. Recticel (Swissflex, Superba, Grand Luxe) wollte eigentlich ausstellen, zog aber kurzfristig zurück, sehr zur Freude des Marktriesen Hilding Anders, der sich in diesem Jahr die Recticel-Fläche sicherte. Neu dabei war Billerbeck mit seinem brandneuen Matratzensortiment. Von den Herstellern von Randsortimenten verzichtete das Bettwaren-Unternehmen Sanders auf die Messe. Dafür war mit Schlafgut ein weiterer Anbieter von Bettwäsche mit seinem breiten Spannbetttuch-Sortiment erstmals auf der Möbelmesse.

Man kann das als normale Aussteller-Fluktuation sehen, muss es aber nicht. Sowohl von Ausstellerseite, beispielsweise Froli, als auch von Fachhändlern wurde in diesem Jahr moniert, dass inzwischen einige wichtige Anbieter für den Bettenfachhandel nicht mehr nach Köln kommen. Das mindert die Attraktivität der Sleep-Halle insgesamt. "Jetzt finde ich keinen meiner Lieferanten mehr in der Halle', drückte es ein Bettenhändler gegenüber der Haustex bedauernd aus. Die Liste der Firmen, die Köln den Rücken gekehrt haben, wird somit immer länger, schließlich waren auch mal hochwertige Anbieter und klassische Fachhandels-Lieferanten wie Lattoflex und Röwa in Köln zu finden.

Ausländische Anbieter freut diese Entwicklung, sie stoßen mit ihren Programmen in das entstehende Vakuum. Zahlreiche Anbieter aus Belgien und den Niederlanden beispielsweise erkennen ihre Chancen und umwerben den deutschsprachigen Bettenfachhandel, zum Teil sehr erfolgreich. Diese Firmen punkten mit Vermarktungskonzepten und preisstarken sowie differenzierten Sortimenten.

Die Messe hat das Problem abwandernder Anker-Aussteller generell erkannt. Nicht umsonst stellt Messechef Böse fest, dass keine andere Branche sich mit annähernd 60 Events pro Jahr in Deutschland eine derartige Veranstaltungsvielfalt leistet wie die Möbelbranche: Die Verbundgruppen des Handels installieren Verbandsmusterungen, Regionalveranstalter versuchen Nischen zu besetzen, die Industrie setzt das Instrument eigener Hausmessen und Showrooms ein. Damit wird der Möbelmesse, warum auch immer, das Wasser abgegraben. Aber nicht ganz zu unrecht warnte Böse auf der Pressekonferenz vor Messebeginn, dass eine Branche im Zustand der permanenten Dauermusterung sich irgendwann selbst überhole und die internationale Ausstrahlung am Heimatstandort schwäche: "Gerade die letzten, für die Messewirtschaft nicht immer leichten Jahre haben gezeigt, dass manche Marktführer ihre Messeteilnahme nicht mehr als selbstverständlich betrachten. Diese Entwicklung wieder umzudrehen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre, gerade auch im Hinblick auf die Präsenz der heimischen Marktführer.'

Auch Dr. Ulrich Leifeld vom Matratzenverband ist um eine gesunde Aussteller-Struktur speziell in der Halle 9 sehr gelegen. Gegenüber der Haustex versicherte er, dass sein Verband alles daran setzen werde, dass zumindest Tempur im kommenden Jahr wieder mit von der Partie ist. Und er hofft auch sehr, dass Recticel seine Ankündigung wahr macht, 2014 wieder in Köln auszustellen. Ihm ist aber auch bewusst, dass die Realisierung nicht einfach sein wird. Zum einen war die Halle in diesem Jahr überbucht und es stehen zahlreiche Firmen auf der Warteliste, die auch gerne im nächsten Jahr in der Sleep-Halle ausstellen möchten. Zum anderen ist ja noch lange nicht ausgemacht, dass beispielsweise Hilding Anders willig den Stand räumt, den Recticel bis zum letzten Jahr genutzt hatte. Und um die Probleme für nächstes Jahr komplett zu machen, haben einige Firmen bereits den Finger gehoben und den Wunsch angemeldet, bei der nächsten Messe einen größeren Stand haben zu wollen.

Geht man davon aus, dass für die Halle 9 die Nachfrage nicht dramatisch einbricht, wofür momentan nichts spricht, scheint die Quadratur des Kreises demgegenüber ein vergleichsweise geringes Problem darzustellen. Was also tun? Leifeld sieht beim gegenwärtigen Stand der Dinge verschiedene Optionen, die alle die Betroffenen nicht unbedingt begeistern dürften. Da ist die Möglichkeit, das gesamte Schlafthema in eine andere, größere Halle zu verlegen, die aber wahrscheinlich nicht in Gänze mit den Schlafsystem-Herstellern gefüllt werden könnte. Also müsste man sich a) mit Möbelherstellern als Nachbarn anfreunden oder b) darauf setzen, dass weitere Anbieter von Haustextilien von Frankfurt nach Köln abwandern. Beides ist aus Sicht Leifelds keine gute Lösung, zumal es auch nicht das Interesse der Kölnmesse sei, die Heimtextil zu schwächen.

Als praktikablere Lösung betrachtet Leifeld die gemeinsame Anstrengung aller Aussteller in Halle 9, näher zusammenzurücken. Dabei nimmt er auch ausdrücklich nicht die Fläche aus, die dem Matratzenverband in bester Lage in der Hallenmitte eingeräumt wird. Es besteht somit reichlich Gesprächsbedarf, und die Messegesellschaft ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden, es möglichst allen recht zu machen. Allerdings fließt bis zur nächsten Möbelmesse noch viel Wasser den Rhein herab. Sie findet statt vom 13. bis 19. Januar 2014.
aus Haustex 03/13 (Wirtschaft)