Fachverband Matratzen-Industrie
Recyceln macht glücklich
Weimar/Lahn. Wie sollen rund acht Millionen Matratzen jährlich in Deutschland künftig entsorgt werden? Bei der Tagung des Fachverbands Matratzen-Industrie stand die Frage im Mittelpunkt, wie die Branche künftig mit dem Thema Recycling umgehen soll. Außerdem wählten die Mitglieder bei ihrer Versammlung im oberhessischen Weimar-Wenkbach einen neuen Vorstand. Auch die Situation in Halle 9 der Kölner Möbelmesse war Thema.Für seine diesjährige Mitgliederversammlung hatte sich der Matratzenverband den Produktionsstandort des Reißverschlussherstellers YKK in Weimar-Wenkbach an der Lahn ausgesucht; das Unternehmen ist neues assoziiertes Verbandsmitglied. Auf der Tagesordnung des nicht-öffentlichen Teils stand die turnusgemäße Wahl eines Vorstandes, die alle zwei Jahre anliegt.
Mit Werner Trenz (Recticel) schied der bisherige Vorstandsvorsitzende aus Altersgründen aus, auch Martin Winter (Carpenter) verließ das Gremium. Auf Trenz folgt Manfred Greiner (Selecta Matratzen). Außerdem gehören dem Gremium an: Jochen Brinkmann (Fey) als stellvertretender Vorsitzender und Ebia-Beauftragter, Carmen Bühler-Wahl (Akva Waterbeds) als Kassenprüferin sowie Markus Veutgen (Recticel) als Beisitzer.
Der Verband verabschiedete ein neues Modell zur Mitgliedschaft: Künftig wird pro Unternehmensverbund nur noch eine Marke nach außen kommuniziert. Dies war bislang anders, da nicht die jeweiligen Firmen in der Außendarstellung benannt wurden, sondern deren Marken. "Persönlich bedauere ich diese Entscheidung, denn in der Arbeit nach außen werden uns in Zukunft wichtige, im Markt bekannte Marken als Mitglieder verloren gehen", erklärte Verbandsgeschäftsführer Dr. Ulrich Leifeld. Die inhaltliche Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen verändere sich jedoch nicht.
Die Zukunft von Halle 9 auf der Möbelmesse in Köln war ein weiteres zentrales Thema der Mitgliederversammlung. "Mehrere Mitglieder, die im letzten Januar nicht dabei waren, haben ihre Absicht, im kommenden Jahr ausstellen zu wollen, nachdrücklich bekräftigt", teilte Leifeld mit. Damit stehe die Branche vermutlich auch im kommenden Jahr vor dem "Luxusproblem", eine komplett ausgebuchte Sleep-Halle zu haben, in der nicht alle angemeldeten Firmen Platz fänden. Es gelte nun, den Eingang aller Anmeldungen abzuwarten und dann zu entscheiden, wie es konzeptionell in der Halle 9 weitergehe. Leifeld lobte in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit der Kölnmesse. Er ist davon überzeugt, dass die Halle 9 so gut läuft, weil ein Konzept und eine Strategie hinter der Arbeit stünden. Erkennbar sei das nicht zuletzt an der Loungefläche des Verbandes und der "meet@sleep" am Messedienstag.
Beim öffentlichen Verbandstag des Matratzenverbandes, der auf die Mitgliederversammlung folgte, wurden die Mitglieder vor eine eher ungewöhnliche Frage gestellt: Macht Recyceln glücklich? Wenn es nach Dr. Thomas Hillebrand geht, ist die Antwort klar: Als Geschäftsführer der Firma PDR (Produkte durch Recycling) organisiert er Branchenlösungen für Wiederverwertung und Müllvermeidung. In Weimar referierte Hillebrand über ein Thema, das nicht nur die Branche umtreibt, sondern auch die Verbraucher.
Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen einem nachhaltigen Lebensstil und persönlicher Zufriedenheit: "Wer aktiv recycelt, ist mit seinem Leben signifikant zufriedener als Menschen, die einfach alles wegwerfen", zitierte Verbands-Geschäftsführer Leifeld eine WWF-Studie. "Menschen, die aktiv Recycling betreiben, bezeichnen sich zu 77 Prozent als sehr zufrieden/zufrieden, bei den weniger konsequenten Recyclern sind es nur 66 Prozent." Recyceln macht also offenbar glücklich - ein Umstand, der sich für Unternehmen nutzen lässt.
Durch das gestiegene Umweltbewusstsein der Verbraucher lässt sich auch für die Industrie ein Gewinn erzielen, wenn sie beim Thema Recycling eigenständig vorangeht. "Wenn sie ihre Erfolge hier nach außen tragen, transportieren sie ein positives Image", appellierte Hillebrand an die Verbandsmitglieder. "Wer das nicht tut, verpasst die Möglichkeit, sich als jemand zu positionieren, der Gutes tut."
Doch natürlich geht es nicht nur um den ideellen Nutzen. Auch das Abfallrecht ist eindeutig. Bislang werden Matratzen in keiner EU-Verordnung ausdrücklich erwähnt. Sie fallen auf kommunaler Ebene in Deutschland entweder unter Sperrmüll oder gemischte Siedlungsabfälle. Oberstes Ziel der EU ist die Müllvermeidung. Die entsprechenden Pläne für die kommenden Jahre sollen die Mitgliedsstaaten bis Ende des Jahres nach Brüssel melden.
Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht vor, dass bis zum Jahr 2020 ein Anteil von 65 Prozent der Siedlungsabfälle zu recyceln ist. "Die Frage ist also nicht, ob da etwas geschieht, sondern wie es geschieht", betonte Leifeld. Hier sei eine zweckmäßige und effektive Lösung gefragt: "Wir sollten proaktiv etwas tun und uns mit dem Thema befassen, um so zu verhindern, dass wir später auf rechtliche Vorgaben nur noch reagieren können." Bis zu acht Millionen Matratzen werden in der Bundesrepublik schätzungsweise jährlich entsorgt, rund fünf Millionen davon entfallen auf Hersteller, die im Matratzenverband organisiert sind.
Recycling-Fachmann Hillebrand schlug eine deutschlandweite Branchenlösung auf freiwilliger Basis vor. Das Ziel: möglichst viele Matratzen möglichst hochwertig zu verarbeiten. Ein Vorteil einer branchen-internen Lösung sei der Erstzugriff und damit die Vermarktung der Rohstoffe, die beim Recycling anfallen. "Durch die verwerteten Materialien, die wieder eingesetzt werden, entsteht eine zusätzliche Wertschöpfung." Hierzu sei ein Lizenzsystem erforderlich, über das die Rückholung und Verwertung der Matratzen abgegolten wird.
Hersteller, die sich an einem solchen Recyclingsystem beteiligten, müssten hierfür eine Lizenzgebühr zahlen, die sie über den Preis an den Endverbraucher weitergeben könnten. Für den müsse das System so einfach wie möglich sein. "Da muss man sich extrem kundenfreundlich aufstellen", so Hillebrand. Mit einer entsprechenden Logistik und einem Servicecenter sei dies machbar, erklärte der PDR-Geschäftsführer. Als Beispiel für ein funktionierendes Recyclingsystem stellte Hillebrand die Lösung für PUR-Bauschaumdosen vor, die sein Unternehmen entwickelt hat.
Umwelt- und Verfahrensingenieur Gerd Lampel wies den Verbandsmitgliedern in einem zweiten Vortrag einen möglichen Weg zu einem Geschäftsmodell für die Wiederverwertung. "Definieren sie eine Modellregion, in der bereits mehrere Matratzen- und Textilrecycler ansässig sind", riet er den Herstellern. Dort ließen sich offene Fragen zu Mengen und Kosten klären, so Lampel. Bislang fehlten genaue Matratzenzahlen, da es keine ausreichend genaue Abfallstatistik gebe. Außerdem seien die Kosten für Erfassung, Transport und Sammelsysteme im Handel nicht bekannt.
Gleichwohl riet auch Lampel zu einer Branchenlösung, da die Matratze aufgrund ihres geringen Anteils am Gesamtaufkommen der Siedlungsabfälle für die großen Entsorger uninteressant sei. "Das wird immer ein Nischenmarkt bleiben, um den sich die Großen nicht kümmern werden. Hier liegt die Chance für eine spezielle Branchenlösung", glaubt der Umweltingenieur. Die Wirtschaftlichkeit hierfür sei in jedem Falle gegeben: Geringen Investitionskosten stünde eine geringe Bearbeitungstiefe gegenüber, sprich niedrige Lohnkosten durch geringqualifizierte Mitarbeiter.
Einen kleinen Favoriten für die stoffliche Verwertung alter Matratzen nannte Lampel der Versammlung auch: "Saubere Federkerne sind sehr gut recycelbar. Die nimmt man mir mit Kusshand ab." Das Problem seien die Taschenfederkerne, deren Ummantelung vom Stahl nur sehr aufwendig zu entfernen sei. "Das sind unsere Sorgenkinder", sagte Lampel, was die anwesenden Hersteller mit einem eher skeptischen Lächeln zur Kenntnis nahmen. Immerhin: "Der Impuls, aktiv zu werden, ist gegeben", bilanzierte Verbands-Geschäftsführer Leifeld die abschließende Diskussion. "Jetzt müssen die Mitglieder entscheiden, was sie tun wollen."
aus
Haustex 05/13
(Wirtschaft)