Die neue Bauwerk Boen Group: Wachstumsstrategien werden fortgesetzt
Ausbau vorhandener Vertriebs-wege und neue Märkte im Focus
Die Parketthersteller Boen aus Norwegen und Bauwerk aus der Schweiz haben sich zur Bauwerk Boen Group zusammengeschlossen und sind damit hinter Kährs/Karelia zum zweitgrößten Produzenten Europas vor Barlinek (Polen) geworden. Im Mai müssen noch die Wettbewerbshüter zustimmen. Wer und was steht hinter diesem neuen Konzern? Das ParkettMagazin traf bereits kurz nach der Fusion in der Redaktion führende Mitarbeiter beider Seiten zum Gespräch: Ansgar Igelbrink, in Zukunft Markenverantwortlicher auf Bauwerk-Seite, Guido Müller, Geschäftsführer Boen Deutschland, und Sven Adebahr, Boen-Vertriebsleiter Deutschland.
ParkettMagazin: Wer gab den Anstoß zum Zusammenschluss von Boen und Bauwerk?Guido Müller: Der norwegische Boen-Eigentümer, die Johan Olsen Group, betreibt drei Geschäftsbereiche: Beton, Parkett und Gewächshausprodukte. In jedem dieser Bereiche wurde für die kommenden drei Jahre eine Entwicklungsstrategie erstellt. Dazu sind Investitionen nötig. Das Kapital dazu sollte über den Parkettbereich, der sich gut entwickelt hat, beschafft werden. Unter verschiedenen Interessenten erhielten die Bauwerk-Eigentümer den Zuschlag. So hat die neue Bauwerk Boen Gruppe jetzt drei gleichberechtigte Großeigentümer. Ein kleiner Anteil gehört darüber hinaus dem Management von Bauwerk.
PM: Welche Ziele hat sich die neue Bauwerk Boen Gruppe gesetzt?
Ansgar Igelbrink: Wir wollen weiter wachsen. Wir wollen das wertvollste Parkettunternehmen werden. Wertvoll bedeutet dabei nicht nur Profit, den man durch Sparen erreichen kann. Ziel ist keineswegs, der größte, sondern der erfolgreichste Parketthersteller in Europa zu sein. Das nehmen wir für uns in Anspruch, ohne arrogant zu sein. Die Grundlage für Erfolg sind Umsatz, Ertrag und Wirtschaftlichkeit. Unsere Umsatzrendite war schon vor dem Zusammenschluss besser als die der meisten anderen Parketthersteller.
PM: Wer ist künftig innerhalb der neuen Gruppe für Boen, wer für Bauwerk verantwortlich?
Müller: Der Markenverantwortliche für Boen wird der heutige Vertriebsdirektor Geir Waland. Ich bleibe weiterhin Geschäftsführer Boen Deutschland. Auch die weiteren Personalstrukturen am Möllner Standort bleiben wie sie heute sind.
Igelbrink: Mir wird fortan die Markenverantwortung für die Marke Bauwerk übertragen.
PM: Ist der Zusammenschluss eine Zwangsheirat oder eine Wunschheirat?
Igelbrink: Dies ist ein Zusammenschluss von gleich starken Unternehmen. Wir brauchen nicht einmal eine gleiche Unternehmensphilosophie, wir brauchen zwei starke Marken mit eigenem Profil, motivierter Mannschaft und eigenen Produkten. Da darf es ruhig internen Wettbewerb geben. Jede einzelne Marke muss sich weiterentwickeln dürfen. Wir wollen keine Mischung, mit der sich dann keiner mehr identifizieren kann.
Müller: Es ist eine absolute Wunschheirat. Bei dem Zusammenschluss hat nicht Bauwerk die Firma Boen übernommen, sondern die Eigentümer der Firma Bauwerk haben auch in Boen investiert.
PM: Wer entscheidet über Investitionen?
Müller: Es wird eine 7-köpfige Gruppenleitung unter Klaus Brammertz als CEO geben. Neben den beiden Markenverantwortlichen wird es mit Peter Schmitter den CFO, Irmantas Rajuncius den Produktions- und mit Christian Koch den Supply Chain-Verantwortlichen (Einkauf, Lagerhaltung und Transport) geben. Thorleif Hals wird als Integrationsmanager für wesentliche Integrationsprojekte verantwortlich sein und auch als stellvertretender CEO agieren. In diesem Managementteam wird der Businessplan erarbeitet, zu dem auch Investitionen gehören, der dann vom Verwaltungsrat genehmigt werden muss.
PM: Welche Auswirkungen hat der Zusammenschluss auf die weitere Entwicklung des Parkettherstellers Boen? Welchen Einfluss wird die Olsen Group dabei noch geltend machen können?
Müller: Die Boen-Gruppe hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt. Wir haben unseren Produktionsstandort in Litauen gezielt ausgebaut. Dort verfügen wir mit den Sägewerken und der durchgängigen Wertschöpfungskette über einen der interessantesten Standorte in der gesamten Parkettbranche. Jetzt gilt es, mit einem starken Partner die Marktposition weiter auszubauen und Synergien im Investitionsbereich, bei Einkauf und Logistik umzusetzen. Um damit profitabler zu arbeiten und damit eine Lokomotive im Konsolidierungsprozess der kommenden Jahre zu werden. Das ist die Perspektive.
Der Boen-Firmenwert steckt weiter im Unternehmen Bauwerk Boen Group.
PM: Gibt es in den Sortimenten beider Hersteller Überschneidungen?
Müller: Die Produkte von Boen und Bauwerk ergänzen sich extrem gut. Boen ist im Dreischichtbereich unterwegs, hat auch Zweischichtkompetenz und produziert Massivparkett und Sportböden. Bauwerk produziert ausschließlich Zweischichtparkett, kauft Dreischichtparkett zu und hat auch noch Mosaikparkett im Sortiment.
PM: Macht es in Zukunft Sinn, dass beide Unternehmen sowohl Zweischicht- als auch Dreischichtparkett produzieren?
Müller: Ja, hundertprozentig. Wie man die Produktion unter den Standorten künftig aufteilt, wird sich zeigen. Natürlich ist davon auszugehen, dass es Kooperationen im Produktionsbereich geben wird.
Igelbrink: Bauwerk wird dank Boen zunächst sein Dreischicht-sortiment optimieren können. Das wird unterschiedlich zu dem von Boen vertriebenen Dreischichtprodukt sein. Wir möchten wieder den Dreischichtabsatz erreichen, den wir vor wenigen Jahren hatten.
Müller: Sicher wird die neue Bauwerk Boen Gruppe schauen, wo man Volumenprodukte später am sinnvollsten herstellt. Da geht es um die kleinformatigen Elemente wie Prestige, Monopark, Economy, Solopark, für die sich eine gemeinsame Basis finden ließe. Dann gibt es eine Reihe von Spezialprodukten, etwa die großformatigen Zweischichtelemente, bei denen auch über eine gemeinsame Plattform nachgedacht werden kann. Das alles sind Synergien, die man nutzen könnte.
Igelbrink: Bauwerk produziert seine Volumenprodukte in Österreich und das hochwertigere Parkett in der Schweiz. Wie und was hier optimiert werden könnte, hängt u. a. auch von der nach wie vor anhaltenden Stärke des Franken ab.
PM: Ist daran gedacht, elastische LVT-Beläge in das Sortiment der neuen Gruppe aufzunehmen?
Igelbrink: Eine solche Strategie gibt es nicht. Wir sind und bleiben Parketthersteller und wollen uns ganz auf unser Kernprodukt fokussieren.
PM: Wird es künftig eine gemeinsame Produktentwicklung geben?
Igelbrink: Für jede der beiden Marken wird es weiterhin eine eigene Produktentwicklung geben. Davon unabhängig werden wir in Bereichen, die beide gleichermaßen betreffen, wie etwa die Oberflächenentwicklung, vorhandene Potentiale nutzen. Gerade jetzt haben wir bei Bauwerk ein modernes Labor für die Grundlagenforschung eingerichtet.
Adebahr: Wenn man etwa einen Klimabeständigkeitstest für Dreischichtböden durchführt, wird man Erkenntnisse natürlich untereinander austauschen. Auch Emissionsuntersuchungen für bauaufsichtliche Zulassungen wird man gemeinsam machen.
PM: Hätte Boen in Mölln die große Investition in die Ölbeschichtung getätigt, wenn der Zusammenschluss zu jenem Zeitpunkt schon erkennbar gewesen wäre?
Müller: Das war da noch nicht absehbar, aber die Investition in naturgeölte Oberflächen ist aus heutiger Sicht ohnehin richtig und zukunftsweisend.
PM: Wie müssen wir uns den Auftritt der Bauwerk Boen Gruppe in nächster Zukunft vorstellen?
Igelbrink: Die Webseiten der beiden Firmen werden sich nicht ändern und die Auftritte auf Messen auch nicht. Jeder wird seine Markenbotschaft getrennt voneinander verkünden. Wir haben ja eine unterschiedliche Kommunikation zu unseren Kunden. Jeder muss seine Zielgruppe zur eigenen Marke hinführen. Wenn es natürlich um große finanzielle Entscheidungen geht, muss auf Gruppenebene geklärt werden, wer welche Gelder nutzen kann. Aber zur Markenbildung gehört auch, dass wir weiterhin getrennt in Verbänden Mitglied sind. Boen ist zum Beispiel bei Holzland, Holzring und Hagebau gelistet. Bauwerk ist dort nirgends vertreten, arbeitet aber im Verband der Deutschen Parkettindustrie intensiv im technischen Bereich mit. Die Pipelines beider Unternehmen sind gefüllt. Wir haben jetzt schon im Plan, was wir bis 2015 auf die Märkte bringen wollen. Wir wollen einander natürlich nicht das Wasser abgraben, sondern unsere Aktivitäten sinnvoll koordinieren.
PM: Wird es im Vertrieb Überschneidungen geben?
Müller: Im Vertrieb ergänzen sich Bauwerk und Boen ideal. Es gibt nur kleine Überschneidungen in einzelnen Märkten. In Norwegen ist Bauwerk gar nicht vertreten. In Skandinavien wird ohnehin so gut wie kein Zweischichtparkett verkauft. In der Schweiz ist Bauwerk unbestritten der Marktführer. Boen verkauft dort auch, so dass wir zusammen mit unseren Kunden eine sehr gute Marktdurchdringung erreichen. In Deutschland bedient Bauwerk mit seinem Shop-in-Shop-System die größeren Verlegeunternehmen.
Adebahr: und das Objektgeschäft. Denn Bauwerk arbeitet sicher viel mehr Objekt bezogen als Boen. Wir, d.h. Boen, beliefern den Parkettgroßhandel als klassischen Kunden mit Zweischichtstäben und in den vergangenen zehn Jahren zunehmend den Bodenbelagsgroßhandel mit Dreischichtparkett für Bodenleger, Raumausstatter oder Malermeister. Neu ist für uns der klassische Holzhandel.
Müller: Unsere beiden Unternehmen decken alle Vertriebskanäle ab, die es in Deutschland gibt. Der große Verleger und der Objekteur, das ist die Bauwerk-Stärke, der Groß- und Fachhandel, aber auch die kleinen Verlegebetriebe sind das Metier von Boen.
Igelbrink: Für meinen Vertrieb ist allein wichtig, dass ich das verlangte Produkt in der gewünschten Qualität zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort habe. Dazu könnte es durchaus auch ein gemeinsames Lager in Deutschland geben.
PM: Können Handel oder Handwerk Boen- und Bauwerk-Parkett im Paket ordern?
Müller: Nein, beide Marken werden weiterhin absolut eigenständig agieren. Für den Kunden soll sich am allerwenigsten ändern. Bestellungen und Marketingunterstützung bekommt er immer noch entweder aus Mölln oder aus Bodelshausen. Eine Markenverschmelzung würde keinen Sinn machen. Wir wollen nicht so ein Modell entwickeln, wie es mit der Nybron-Gruppe schon einmal existiert hat. Es wird also durchaus Konkurrenz und Wettbewerb beider Marken geben. Der Name Bauwerk Boen Group erscheint nur im Einkaufs-, Produktions- und Logistikbereich, aber nicht beim Kunden.
PM: Was überwiegt bei den Eigentümern der Bauwerk Boen Group? Interesse an Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Parkett oder wollen sie eher schnelle Rendite erzielen?
Müller: Ich habe die Leute als sehr versiert kennengelernt, mit großen Detailkenntnissen vom Markt. Gemeinsam haben wir in Deutschland einen Marktanteil von 10% und da ist noch eine Menge Luft nach oben.
Igelbrink: Alle Investoren arbeiten schon lange mit unseren Firmen zusammen. Klar, sie setzen hohe Ziele, aber es wurde nie Kapital abgezogen. In Marke und Infrastruktur wurde immer investiert, um das langfristig zu sichern. Selbst der Private Equity Fund ist operativ im Geschäft aktiv und deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass eine dauerhafte Partnerschaft zu einem gesteigerten Unternehmenswert führt.
PM: Könnte es sein, dass die Olsen-Gruppe ihre Anteile irgendwann ganz an die Schweizer abgeben möchte?
Müller: Dahingehend gibt es keine Anzeichen. Das sind sehr solide Leute. Bisher sehen alle drei Eigentümer ihr Engagement langfristig. Aber wenn einer verkaufen möchte und ein anderer mit langfristigem Interesse übernehmen würde, ist das auch nicht verkehrt.
Zusammenschluss Boen und Bauwerk
Auslöser des Zusammenschlusses war offenbar der Wunsch des Boen-Eigentümers, der norwegischen Johan G. Olsen Group, über eine Teilveräußerung der Parkettsparte Kapital für Investitionen innerhalb der eigenen Gruppe zu beschaffen. Für Bauwerk bot sich als Investor die Möglichkeit, gemeinsam mit Boen zum führenden Anbieter im Premium-Segment und mit einem Gesamtumsatz von 230Mio.EUR europaweit zum zweitgrößten Marktteilnehmer im Holzbodenmarkt zu werden. Die Bauwerk-Eigner, Ernst Göhner Stiftung Beteiligungen und der Equity Fund Zurmont Madison, stellen die für den Zusammenschluss erforderlichen Mittel zur Verfügung, u.a. über eine Obligationsanleihe über 65Mio.CHF, die von der Bauwerk Parkett AG an der Börse platziert wird. Nach Abschluss der Transaktionen werden die bisherigen Besitzer von Boen und Bauwerk, die Johan G. Olsen Group, Zurmont Madison und die EGS Beteiligungen AG, je rund ein Drittel an der neuen Gruppe halten.
In den Verhandlungen seit Sommer 2012 sind sich Boen und Bauwerk auf Augenhöhe begegnet. Das zeigen die Umsätze 2012: 111Mio.EUR bei Boen und 122Mio.EUR bei Bauwerk. Auch die Produktionsmenge von etwa 3,9 und 4,1Mio.m weist gleichberechtigte Partner aus.
Die neue Bauwerk Boen Group setzt auf Synergien beim gemeinsamen Rohstoffeinkauf, weltweit gemeinsamer Logistik und Lagerhaltung sowie bei zentralen Investitionsentscheidungen. Die beiden Marken bleiben bestehen, ebenso der Außendienst und Vertrieb. Für Handel und Handwerker ändert sich nichts. Sie behalten die ihnen bekannten Ansprechpartner.
aus
Parkett Magazin 03/13
(Wirtschaft)