Rasch: Interview mit Atelierleiterin Sigrid Frommberger und Marketingleiterin Ulrike Feierabend-Hoffmeier

"Im Studio Rasch machen wir uns von allen Zwängen frei"

Bei der Tapetenfabrik Rasch entwerfen inzwischen 14 Designer aus 5 Ländern Wandbeläge für die internationalen Märkte. Ihre Ideen fußen auf intensiver Trendrecherche und orientieren sich an den individuellen Ansprüchen der jeweiligen Abnehmerländer. Sigrid Frommberger, die das Team seit rund zwei Jahren leitet, setzt den Schwerpunkt dabei auf ein klares Design-konzept, das sich mit den verschiedenen Zielgruppen auseinander setzt. BTH Heimtex-Redakteurin Cornelia Küsel sprach mit ihr und Marketingleiterin Ulrike Feierabend-Hoffmeier über kreative Prozesse, die Ansprüche der Verbraucher und die Zukunft der Tapete.

BTH Heimtex: Frau Frommberger, Sie sind vor rund zwei Jahren als Chefdesignerin in die großen Fußstapfen Ihres Vorgängers Bernhard Holzapfel getreten. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Sigrid Frommberger: Ich hatte das große Glück, von Bernhard Holzapfel ein sehr professionelles Team übernehmen zu dürfen. Er hat mit seinem hohen gestalterischen Anspruch ein Designteam mit feinem Gespür und Sinn für Qualität und Präzision hinterlassen. Ich war beeindruckt von dem fundierten technischen Know how aller Designer. Somit hatte ich eine komfortable Ausgangsposition.

BTH Heimtex: Welche Schwerpunkte setzen Sie?

Frommberger: Alle Kollektionen orientieren sich an einem klaren Designkonzept. Vor diesem Hintergrund ist sicherlich ein Schwerpunkt die umfangreiche und kontinuierliche Trendrecherche. Darüber hinaus fließt das Wissen über unsere Zielgruppen und Zielmärkte mit in das Gesamtkonzept ein. Parallel werde ich im Team noch mehr eigene Kreativität freisetzen, um das Alleinstellungsmerkmal von Rasch zu stärken.

BTH Heimtex: Was hat Sie an der Position als Chefdesignerin bei einem Tapetenhersteller gereizt?

Frommberger: Ein großes internationales Designerteam zu leiten, ist eine besondere Chance. Das Studio setzt sich aus 14 Designern aus 5 Ländern zusammen. Bei der Tapetenfabrik Rasch in Bramsche arbeiten Designer aus den Niederlanden, Russland und Deutschland. Die Kollegen aus England und Frankreich haben ein Studio vor Ort. Eine sehr heterogene und spannende Zusammenarbeit ist das, die eine große Vielfalt und gleichzeitig eine fokussierte Marktorientierung ermöglicht.

BTH Heimtex: Vor Ihrem Wechsel zu Rasch waren Sie für Jab Anstoetz tätig. Worin unterscheiden sich Tapeten- von Stoffdesigns?

Frommberger: Zunächst einmal gibt es viele Parallelen. Denn in beiden Fällen handelt es sich um Flächengestaltung, die sich immer mit der Wiederholung des Musters auseinandersetzen muss, dem Rapport.

Ein wichtiger Unterschied ist aber, dass ein Tapetendesign im Raum in der Regel mehr Fläche einnimmt als Gardine, Möbel- und Dekostoff. Daher gibt es auch etwas andere Anforderungen an die Dominanz des Musters. So darf es natürlich auch einmal erlaubt sein, ein sehr dekoratives und präsentes Muster zu entwerfen, das sich für eine "Featurewall" eignet, also eine auffällige Wand, die schon fast wie ein einzelnes Bild wirkt. Dies in Kombination mit ruhigen Uniwänden.

Der wichtigste Unterschied liegt aber darin, dass die Tapete immer flach in mehreren Bahnen auf der Wand liegt und keinen Fehler im Rapport verzeiht - sei er noch so klein. Der Stoff dagegen, der leicht in Falten gelegt ist oder in Rundungen auf dem Sofa, ist in dieser Beziehung deutlich gnädiger.

BTH Heimtex: Es gibt jedes Jahr eine Fülle neuer Tapetenkollektionen. Sehen Sie allmählich ein Ende dieses Ideenreichtums?

Frommberger: Im Gegenteil. Uns Designer inspirieren eher neue Entwicklungen. Auch kommen viele Impulse von Innovationen aus anderen Bereichen. Ich beobachte permanent, wie sich Oberflächen im Allgemeinen entwickeln, ob in der Architektur, der Mode, im Produktdesign oder bei Verpackungen. Daraus lassen sich auch für die Tapete interessante und zeitgemäße Oberflächen ableiten.

BTH Heimtex: Wird die Nachfrage nach Tapeten anhalten?

Frommberger: Auf jeden Fall. Durch die Digitalisierung unserer Arbeits- und Lebenswelt sind viele unserer Tätigkeiten heute virtuell und weniger physischer Natur. Technik und Touchscreens sind allgegenwärtig. Diese Entwicklung steht noch am Anfang. Daraus wird sich als Kompensation ein starkes Bedürfnis nach Haptik ergeben. Das kann das eigene handwerkliche Tun oder die Popularität von strukturierten Oberflächen mit reizvollen taktilen Eigenschaften sein. Und genau das kann die Tapete der Wand hinzufügen.

BTH Heimtex: In Ihrem Studio arbeiten Designer aus vielen Teilen der Welt. Welche Aspekte müssen sie auf den wichtigen Abnahmemärkten beachten? Jedes Land hat doch eine eigene Geschmacksrichtung.

Frommberger: Richtig. Genau deshalb ist das Studio international aufgestellt. Denn in der Tat hat jede Nation ihre eigenen Anforderungen und Vorlieben. Und in einem Land wie Russland, das für uns eins der wichtigsten Exportländer ist, gibt es darüber hinaus auch noch regionale Präferenzen.

Allgemein zeigen sich die Unterschiede auf den verschiedenen Märkten vor allem in der Bedeutung der Tapetenqualitäten. Während beispielsweise heißgeprägtes Kompaktvinyl in Russland die wichtigste Artikelgruppe ist, erweist es sich in Skandinavien als völlig uninteressant. Zum anderen müssen wir die Design- und Farbvorlieben der einzelnen Länder verstehen, um mit unseren Kollektionen den jeweiligen Nerv zu treffen. Daher ist es sehr wichtig, dass wir Designer mit einem guten Gespür für die Märkte an Bord haben und diese auch regelmäßig bereisen.

BTH Heimtex: Planen Sie eine weitere personelle Aufstockung des Designstudios?

Frommberger: Ja, für den Bereich Osteuropa, auch weil wir in der Ukraine eine weitere leistungsstarke Produktion haben.

BTH Heimtex: Fällt es besonders schwer, für den anspruchsvollen deutschen Konsumenten Tapeten zu entwerfen?

Frommberger: Auf jeden Fall achtet der deutsche Verbraucher sehr stark auf Qualität. Diesem Anspruch müssen unsere Tapeten gerecht werden. Das ist aber ohnehin einer der Kernwerte des traditionsreichen deutschen Herstellers Rasch.

BTH Heimtex: Welche Designs verkaufen sich denn nach Ihrer Erfahrung in Deutschland am besten?

Ulrike Feierabend-Hoffmeier: Eine interessante Frage, auf die es keine kurze Antwort gibt. Auch der deutsche Markt ist sehr heterogen. Wir haben unsere Produkte vor zwei Jahren in Rasch Taste, Rasch Style und das Hochwertsegment 1861 aufgeteilt. Dazu ist in diesem Jahr das Segment Ecomotion hinzugekommen, in dem wir ökologische und nachhaltige Produkte führen. Allein die Segmentierung zeigt schon, dass es sehr unterschiedliche Tapeten für unterschiedliche Zielgruppen gibt.

Rein auf den Absatz bezogen, ist dieser im Segment Taste am größten, in dem wir leicht verständliche Designs in aktuellen, aber wohnlichen und nicht zu avantgardistischen Kolorits finden. Neben einem eingängigen Design sind Unistrukturen die Hauptakteure.

BTH Heimtex: Rasch ist einer von nur noch wenigen verbliebenen Tapetenherstellern in Deutschland. Mit der Segmentierung haben Sie eine klare Marktposition bezogen. In welchen Bereichen gibt es dennoch Überschneidungen mit Wettbewerbern?

Feierabend-Hoffmeier: In den einzelnen Segmenten und auf den verschiedenen Ländermärkten begegnen wir ganz unterschiedlichen Mitanbietern. Die größten Überschneidungen haben wir sicherlich im Taste-Segment. Deswegen ist es so wichtig, über die Markeninhalte eine radikale Differenzierung sichtbar zu machen. Die Herausforderung besteht darin, eine klare Botschaft zu senden und eine enge Beziehung zum Verbraucher herzustellen.

BTH Heimtex: Die Tapete ist zwar wieder beliebt, aber die wenigsten Verbraucher kennen die Vielfalt des Produkts. Wäre es nicht an der Zeit, dass sich die verschiedenen Designstudios zusammensetzen, um eine Werbekampagne zu entwickeln? Für Teppichboden hat die Großhandelskooperation Copa gerade eine derartige Aktion gestartet.

Feierabend-Hoffmeier: Sicher eine Idee, über die man im Zeitalter sozialer Netzwerke und einem radikalen Marketingansatz in Richtung content nachdenken sollte. Um aber die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten einer Tapete zu zeigen, helfen heute natürlich digitale Tools wie eine App, mit der man Räume gestalten und die Tapete an die Wand bringen kann.

Rasch als Markenanbieter muss immer wieder dafür sorgen, dass der Verbraucher die Chance hat, das Produkt emotional zu erleben. Hierzu gehört natürlich auch die Vielfalt in der Raumgestaltung. Eine reine Produktkampagne hat es heutzutage sehr schwer, aus der Flut der Botschaften aufzutauchen und den Verbraucher zu inspirieren.

BTH Heimtex: Frau Frommberger, Ihr Kollege Colani hat kürzlich in einem Pressegespräch gesagt, er möchte einmal unabhängig von marktwirtschaftlichen Zwängen eine völlig verrückte Tapete entwerfen. Haben Sie einen ähnlichen Traum?

Frommberger: Im Studio Rasch leben wir diesen Traum und genau darin liegt die Kraft unserer Kreativität. Ein künstlerischer Freiraum, der erst später eingegrenzt, marktgerecht verwandelt und in Tapete umgesetzt wird. Um etwas Innovatives hervorzubringen, muss der Designer sich wenigstens vorübergehend gedanklich von allen Zwängen freimachen dürfen. Was dann für die Tapete umsetzbar ist, erarbeiten wir später.

BTH Heimtex: Wie würde Ihre Traumtapete aussehen?

Frommberger: Wie sie aussieht, weiß ich noch nicht, aber intelligent sollte sie sein. Ich denke oft darüber nach, welchen Nutzen eine Tapete haben könnte. Ein Element im Raum, das eine große Fläche einnimmt, könnte in Zukunft auch noch weitere Zusatzfunktionen bieten. Ideen sind willkommen.

BTH Heimtex: Blicken Sie doch bitte weiter in die Zukunft. Welche Trends erwarten uns?

Frommberger: Wir werden eine Fortführung der architektonischen Themen sehen, insbesondere monochrome 3D-Optiken. Ebenso sind Oberflächen aus der Natur ein wichtiges Thema, das sich in neuen Interpretationen fortsetzt. Und die Rückbesinnung auf tradierte Werte gibt klassischen Designs wieder viel Raum.

BTH Heimtex: In der Geschichte von Rasch hat es immer wieder die Zusammenarbeit mit Prominenten gegeben, zuletzt mit Barbara Becker. Wird die Kooperation fortgesetzt?

Feierabend-Hoffmeier: BB Home Passion ist eine eigenständige Interiormarke geworden, die nächstes Jahr in die vierte Kollektionsrunde gehen wird. Ihre Stärke liegt in dem Konzeptgedanken und in dem positiven Image von Barbara Becker. Hier passen Marke, Designer und Verbraucher gut zusammen. Erfolg ist der beste Fürsprecher. Selbstverständlich werden wir diese Marke weiter aufbauen und stärken. Und wir freuen uns auf eine ganz besondere Idee, die wir auf der Heimtextil 2014 zeigen werden. Bis dahin muss sie aber noch unser Geheimnis bleiben.

BTH Heimtex: Was halten sie allgemein von Testimonals: Bringen Stars wie Dieter Bohlen die Tapete insgesamt voran?

Feierabend-Hoffmeier: Positives Designer-Image bringt die Tapete voran. Natürlich strahlen Testimonials mit Glaubwürdigkeit in Sachen Design und Gespür für Ästhetik positiv auf die Tapete ab. Ob Dieter Bohlen zu einem solchen Testimonial gehört, mag jeder Marketing- und Markenverantwortliche für sich bewerten. Am Ende entscheidet der Verbraucher, ob das Testimonial "Dieter Bohlen" dem Produkt Tapete etwas hinzufügen kann, was er bereit ist zu honorieren.


Rasch Tapeten Daten und Fakten


Tapetenfabrik Gebr. Rasch GmbH & Co. KG
Raschplatz 1
49565 Bramsche
Tel.: 05461/8 11-0
Fax: 05461/8 11-277
info@rasch.de
www.rasch.de


Gründungsjahr: 1861
Tochtergesellschaft: Rasch Textil GmbH & Co. KG
Konzernumsatz 2012: 201Mio.EUR
Geschäftsführende Gesellschafter: Dario Rasch-Schulze Isfort, Dr. Frederik Rasch
Geschäftsführer: Manfred Brosda
Vertrieb West: Jens Klotmann
Vertrieb Ost: Miroslav Berndt
Marketing: Ulrike Feierabend-Hoffmeier
Chefdesignerin: Sigrid Frommberger
aus BTH Heimtex 07/13 (Wirtschaft)