Interview mit dem scheidenden TKB-Vorsitzenden Dr. Roland Krieger
"Viele Konflikte bergen auch die Chance für gute Lösungen"
Der TKB-Vorsitzende Dr. Roland Krieger scheidet Ende des Jahres 2007 bei der Uzin Utz AG aus und gibt damit gleichzeitig auch den Vorsitz der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB), in der fast alle Verlegewerkstoffhersteller organisiert sind, an Dr. Frank Gahlmann (Stauf) ab. FussbodenTechnik befragte Dr. Roland Krieger, der in der Fußbodenbranche wie kaum ein anderer polarisierte, nach seinem Fazit, seinen größten Erfolgen und bat um einen Blick in die Zukunft.
FussbodenTechnik: Herr Dr. Krieger, Sie waren seit 1994 Vorsitzender der TKB. Was war vorher?
Dr. Roland Krieger: Das ist richtig. Ich bin seit 1986 TKB-Mitglied und seit 1994 TKB-Vorsitzender. Ich habe mein großes Vorbild, den TKB-Vorsitzenden Otto Stein, noch 8 Jahre lang erlebt, bis er dann 1994 aus Altersgründen ausgeschieden ist und ich zum Vorsitzenden gewählt wurde.
FT: An welche großen TKB-Erfolge erinnern Sie sich im Rückblick gerne?
Dr. Krieger: Bei angemessener Wertung möchte ich hier vor allem drei Punkte nennen. Einer der größten Erfolge der TKB ist der GISCODE (Klassifizierungssystem für Bodenbelagsklebstoffe). Dann der Namensvetter EMICODE (anerkannter Standard für Bauprodukte mit geringen VOC-Emissionen) und die damit verbundene GEV (Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte). Interessanterweise ist da auch immer ein Konflikt vorausgegangen, der dann letztlich zu guten Ergebnissen geführt hat. Ein weiterer bemerkenswerter Erfolg war sicher auch die Nicht-Teilnahme fast der gesamten Verlegewerkstoffhersteller beim völlig überflüssigen Blauen Engel für Bodenbelagklebstoffe. Es gäbe hier noch viele weitere erfolgreiche Aktivitäten der TKB zu nennen, wie die TKB-Fachtagung oder die TKB-Merkblätter, aber das sind wiederkehrende Dinge.
FT: Anfang der 90er Jahre ist die TKB mit der Bauberufsgenossenschaft ins Gespräch gekommen. Wie ist damals die erste Gefahrstoffverordnung entstanden?
Dr. Krieger: Mit dem Entstehen der GefStoffV, die ja ein allgemeines Gesetzeswerk für Gefahrstoffe aller Art ist, hat die TKB direkt nichts zu tun. Sehr wohl war die TKB dagegen maßgeblich am Entstehen der TRGS 610 (Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Vorstriche und Klebstoffe für den Bodenbereich) und der TRGS 613 (Ersatzstoffe, Ersatzverfahren und Verwendungsbeschränkungen für chromathaltige Zemente und chromathaltige zementhaltige Zubereitungen) beteiligt. So hat z. B. die bereits früher entwickelte Lösemitteldefinition der TKB (Siedepunkt < 200 C) direkt Eingang in die TRGS 610 gefunden. GISCODE ist aus einem Konflikt zwischen TKB und GISBAU entstanden, weil wir statt Einzelinformationen, Produktgruppeninformationen wollten. Ich sage das nur, um zu zeigen, wie sinnvoll Konflikte oft sein können, wenn sie auf eine konstruktive Art ausgetragen und gelöst werden.
FT: Was sind Ziele, an denen Sie gerne noch weiter gearbeitet hätten?
Dr. Krieger: Die Zusammenarbeit und Koordination mit dem Handwerk und seinen Verbänden ist zweifellos eine Sache, an der die TKB ständig dranbleiben muss. Am wichtigsten bleibt hier die Schulung und die verständliche Aufklärung über das Funktionieren der Aufbausysteme. Die "Klebstoffempfehlungen" sind dabei für uns eher eine Sache, an der die Belaghersteller noch feilen müssen, denn wir Klebstoffhersteller haben hier kaum Lücken. Jeder Handwerker bekommt von uns auf Anfrage ausgefeilte schriftliche Aufbauempfehlungen. Die Forderung des Handwerks nach Klebstoffempfehlungen war ja auch hauptsächlich an die Belaghersteller gerichtet und die TKB hat hier sozusagen flankierende Mitarbeit angeboten. Ganz klar muss aber sein, dass keine wie auch immer gearteten "Klebstoffempfehlungen" in irgendeiner Weise ein Mehr an Gewährleistung geben werden. Hier gibt sich das Handwerk einer Illusion hin, wenn es das erwartet. Der entscheidende Part ist die Leistung des Bodenlegers, von der das Gelingen der Arbeit zu 80 bis 90 % abhängt.
Grundsätzlich ist der Handwerker natürlich gut beraten, sich nicht blind auf irgendwelche Werbe- oder Prospektaussagen der Industrie zu verlassen. Derartige Aussagen können naturgemäß nur pauschal und undifferenziert sein. Der Handwerker muss sich vielmehr mit jedem Produkt oder System eigene Erfahrungen erarbeiten. Geht das nicht, z. B. mit neu auf dem Markt erscheinenden Produkten, sollte er damit nicht gleich riskanten Großprojekte starten. Er sollte wenn möglich Vorversuche durchführen und sich am besten vom Hersteller baustellenbezogen entsprechende Eignungs- und Aufbauempfehlungen geben lassen. Naive und gutgläubige Handwerker werden es immer schwer haben.
Restfehler sind auf falsche oder missverständliche Beratung zurückzuführen, die aber häufig nur deshalb falsch ist, weil der anfragende Handwerker unrichtige oder unvollständige Informationen vorlegt. Nur ein wirklich verschwindender Prozentsatz von Mängeln ist tatsächlich auf Produktfehler zurückzuführen.
FT: Zu einer der herausragenden Leistungen der TKB gehört sicherlich die Gründung der GEV. Können Sie im Rückblick erklären, wie die Entwicklung damals war?
Dr. Krieger: Tatsache ist, dass die Branche schon seit Ende der 80er Jahre zunehmend ein Riesenproblem mit Geruchsentwicklungen hatte, vor allem nach dem Verlegen von Textilbelägen. Die Hersteller von Textilbelägen, die schon mit der Milben- und Permethrin (Insektizid)-Problematik genug zu tun hatten, hatten als Gegenmaßnahme die GuT (Gemeinschaft umweltfreundlicher Teppichboden) gegründet, eine an sich sehr gute Sache.
Unklar war leider zum damaligen Zeitpunkt, mit letzter Klarheit übrigens bis heute, wodurch die sehr unterschiedlichen Gerüche ausgelöst wurden. Die seit Mitte der 80er Jahre zunehmend verwendeten, wasserbasierten Dispersionsklebstoffe mit z. T. recht geruchsintensiven Harzen und Hochsiedern hatten hier sicher einen erklecklichen Anteil. Aber eben nicht nur sie. Das zeigt sich heute, wo es auch ohne Harze und Hochsieder noch zu Gerüchen kommen kann. Welche Rolle Sekundäremissionen spielten, nämlich durch Oxidation oder Hydrolyse entstehende geruchsintensive Stoffe wie höhere Alkohole, Aceton, Acetylaceton usw., war noch nicht so bekannt. Kompliziert wurde die Sache durch eine recht unsichere Methodik der Raumluftuntersuchungen und vor allem auch durch populistische Vereinfacher (Hersteller, Umweltambulanzen usw.), die zu jedem Zeitpunkt ihre zwar simplen und nur halbwahren, dafür aber um so leichter verständlichen Erklärungen unters Volk brachten.
GuT/TFI jedenfalls fanden 1994 offene Ohren bei der TKB, gemeinsam in einem Arbeitskreis Ursachenforschung zu betreiben. Leider trugen auch hier einige Teilnehmer nicht zur Lösung des Problems bei, wie man so schön sagt, sondern waren ein Teil des Problems. Als der Arbeitskreis schließlich daraufhin arbeitete, jeden Klebstoff vom TFI (Deutsches Teppich-Forschungsinstitut) zertifizieren zu lassen und nur noch derart zugelassene Klebstoffe zu empfehlen, als es keine Protokolle des Arbeitskreises mehr gab, dafür nur noch Missverständnisse und Indiskretionen, blieben die TKB-Vertreter schließlich dem AK fern.
Nun forderte die GuT 1996 jeden einzelnen Klebstoffhersteller mit einem Schreiben ganz ultimativ auf, Klebstoffe beim TFI zertifizieren zu lassen und bot an, solche Klebstoffe in eine für GuT-Mitglieder verbindliche Positivliste aufzunehmen. Andere Klebstoffe würden nicht mehr empfohlen und Geruchsreklamationen damit auch nicht mehr bearbeitet werden. Das war ein sehr ungutes Szenario, bei dem die GuT mit dem eigensüchtigen Verhalten und Ausscheren einzelner Klebstoffhersteller rechnete. An der TKB hat sie sich hier aber die Zähne ausgebissen. Kein Klebstoffhersteller ließ sich aus der Phalanx brechen und die Positivliste kam mangels Masse nicht zustande.
Proaktiv beschlossen die Verlegewerkstoffhersteller darauf hin aber, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Dazu gehörte erst einmal eine gründliche Bestandsaufnahme, mit der die Fa. Miljö-Chemie aus Hamburg, heute Eurofins, beauftragt wurde. Als man die Klebstoffklassifizierung und EMICODE nach vielen Untersuchungen praktisch in trockenen Tüchern hatte, ergab sich die Frage, wie eine solche Klassifizierung vor Trittbrettfahrern, vor Missbrauch und Verfälschung, geschützt werden könne. Das war nur durch die Gründung eines Vereins und den Markenschutz der verwendeten Zeichen möglich, leider, denn manche hielten eine solche Vereinsmeierei schon für überzogen. Folgerichtig wurde 1997 die GEV gegründet, als spin-off der TKB sozusagen. Die GEV und das geschützte Kennzeichnungssystem EMICODE ist seitdem eine Erfolgsstory ohnegleichen.
Bedroht wird die GEV heute durch so halbgare Systeme wie das NIK-Konzept des AgBB (Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten), das trotz nachgewiesener Funktionsprobleme von allmächtigen Institutionen des öffentlichen Rechts, nämlich UBA (Umweltbundesamt) und DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) einfach durchgedrückt wird. Funktionsprobleme ganz einfach deswegen, weil das NIK-Konzept eine hohe Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Prüfergebnisse voraussetzt, die es aber, wie die GEV mehrfach bewiesen hat, nicht gibt. Man könnte besser und billiger auch würfeln. Die freiwillige Initiative der GEV wird nun durch die Regulierungswut und die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einer ausufernden Institutsbürokratie einfach überrollt. Das ist schade, aber es scheint der vorgezeichnete zukünftige Weg zu sein. Darunter werden alle leiden, denn statt freiwilliger kontinuierlicher Verbesserung und ständiger Eigenüberwachung wird wieder das Minimierungsprinzip (nur soviel wie unbedingt nötig) treten.
Das UBA halte ich im Übrigen für eine der entbehrlichsten und kontraproduktivsten Behörden in diesem Lande. Das UBA hat mit Vehemenz REACH (neues europäisches Chemikalienrecht) unterstützt und wird es schon noch schaffen, eine deutsche Schlüsselindustrie, die Chemie zu ruinieren und Deutschland dorthin zu bringen, wo andere Länder längst sind, unter den Durchschnitt.
FT: Andere TKB-Mitglieder sagen Ihnen nach, dass Sie das Klima stets positiv gestaltet haben. Dadurch hat es von den auf dem Markt konkurrierenden Mitgliedern immer die Bereitschaft gegeben, Know-how zusammen zu werfen. Wie muss man sich das vorstellen?
Dr. Krieger: Es würde mich sehr freuen, wenn man mir das nachsagt. Viele meinen ja auch nur, ich sei autoritär. Richtig ist aber schon, dass koordiniertes gemeinsames Handeln in der TKB immer mein Ziel war und zwar so, dass nach außen Stärke und Geschlossenheit gezeigt, der individuelle Wettbewerb dadurch aber nicht tangiert wird. Voraussetzung dafür ist unbedingt ein Klima gegenseitigen Vertrauens und Verlässlichkeit. Ich glaube, das haben in der TKB fast alle verinnerlicht, so dass es keine Tricksereien mehr gibt, wie in vielen anderen Verbänden. Dabei werden Meinungsunterschiede sehr offen und argumentativ ausgetragen. Die Streitkultur ist sehr gut und auch die der Meinungsbildung.
Eigenes wertschöpfendes Know-How wird auch in der TKB nicht willkürlich in einen gemeinsamen Topf geworfen. Wichtig ist aber das Angebot einzelner Firmen, in gemeinsamen Arbeitskreisen mitzuarbeiten und an Ringversuchen teilzunehmen. Auf diese Weise wird gemeinsames Know-How erarbeitet, in das natürlich die Erfahrung einzelner durchaus einfließen kann. Das war so bei der Diskussion in den 80ern, ob ein guter Linoklebstoff hart oder weich, langsam oder schnell abbindend zu sein hat. Und Dinge wiederholen sich. Die gleichen Fragen stellten sich wieder jüngst bei den Nadelvliesbelägen, bei denen die Rohstoffhersteller in der TKB einige wichtige Grundsatzuntersuchungen durchgeführt haben.
Gemeinsame Know-How-Erarbeitung und Wissensaustausch kam bei vielen Themen zum Tragen, nicht nur in Sachen Geruch, man denke nur an die Problematik chemisch leitfähiger PVC-Beläge, an Weichmacherwanderung, an elektrisch leitfähige Klebstoffe, an Chromat in Zementprodukten, an Formaldehyd- und Methanolemissionen, an Spachtelzahnungen usw. Nicht zu unterschätzen ist auch die disziplinierende Funktion der TKB in einer Art freiwillige Selbstkontrolle sozusagen, z.B. in Sachen Negativauslobungen, Verbrauchsangaben usw.
FT: Wofür steht die TKB aus Ihrer Sicht?
Dr. Krieger: Die TKB ist unstrittig das Gremium eines Interessenverbandes. Wir vertreten primär die Interessen unserer Mitglieder, der Hersteller von Verlegewerkstoffen. Damit aus der Vielstimmigkeit dieser Branche bei gemeinsamen Belangen ein klarer Ton kommt, ist Koordination und daraus folgendes gemeinsames Handeln erforderlich. Dafür steht die TKB und dafür stehe ich. Die TKB sieht sich darüber hinaus aber auch als Ansprech- und Kommunikationspartner für die anderen Branchenpartner, für das Handwerk, für die Belagsindustrie und nicht zuletzt auch für die Fachpresse. Sie ist darin in vieler Hinsicht aussagekräftiger und glaubwürdiger als die oft verkaufsorientierten Aussagen einzelner Hersteller. Die TKB muss keinen Umsatz machen, sie kann offener und direkter sein, dennoch spiegelt sie jedoch fast immer die anerkannte Meinung der dahinterstehenden, namhaften Hersteller. Die TKB zu einem starken, glaubwürdigen und verlässlichen Gesprächspartner zu machen, war immer mein Ziel.
FT: Mittlerweile gibt es das 10. TKB-Merkblatt. Auch wenn es vor Ihrer Zeit schon Merkblätter gab, so haben die Merkblätter heute ein einheitliches Layout und die Überarbeitung der Merkblätter funktioniert reibungslos. Hat dieses Thema unter Ihrer Leitung an Bedeutung gewonnen?
Dr. Krieger: Bei den TKB-Merkblättern habe ich eigentlich nur das Verdienst des neuen einheitlichen Gesichts und Layouts, das ich gemeinsam mit unserem Hauptgeschäftsführer Ansgar van Halteren entwickelt habe, und der Durchgängigkeit. Alles andere, insbesondere natürlich die Inhalte der Merkblätter sind das Verdienst der jeweiligen TKB-Arbeitsgruppen unter Leitung der jeweiligen Obleute. Wir messen den TKB-Merkblättern große Bedeutung bei, nicht nur als Informationsquelle, sondern vor allem auch, um den Stand der Technik zu markieren. Die Erarbeitung eines TKB-Merkblatts ist oft sehr mühsam, insbesondere wenn es so komplex und umfangreich ist, wie das 'Kleben von Parkett" oder das neue Spachtelmassen-Merkblatt. Stolz sind wir auch auf das TKB-Merkblatt 6 "Spachtelzahnungen", weil es in den Jahren fast zur Quasi-Norm für diese enorm wichtigen Werkzeuge geworden ist.
FT: Die TKB-Fachtagung ist das Aushängeschild der TKB. Wie ist Ihre Meinung zum Stellenwert der Fachtagung? Muss sich die Fachtagung noch weiterentwickeln?
Dr. Krieger: Der Stellenwert der TKB-Fachtagung ist enorm hoch. Gleichzeitig muss sie sich unbedingt weiter entwickeln, nur das ist ausgesprochen schwierig. Schwierig schon deshalb, weil es enorm schwer ist, Leute zu finden, die kostenlos qualitätsvolle Vorträge halten. Zumal ein fundierter Vortrag fast immer vorherige Versuchsreihen umfasst. Wenn man die Fachtagungen qualitativ weiter verbessern könnte, dann wäre mir das schon recht. Über die noch steigerungsfähige Teilnahme des Handwerks reden wir dabei unentwegt, jedoch ist die TKB in erster Linie Industrie und dadurch sind die Themen immer stark eingegrenzt. In diesem Zusammenhang sehe ich auch die sehr positive Rolle der Sachverständigen, die hier eine Brücke bauen. Ein Wechsel des TKB-Vorsitzes ist gesund, auch wenn sich mein Nachfolger Dr.Frank Gahlmann hier neu etablieren muss. Ein Wechsel ist immer auch die Chance für Neues.
FT: Die "Gesprächsrunde Fußbodentechnik/TKB und Handwerk" ist ein fester Termin der Fußbodenbranche. Wie ist es damals dazu gekommen?
Dr. Krieger: Anfang 2001 hatte die TKB unter der Rubrik "Die TKB informiert" in verschiedenen Fachzeitschriften eine spezielle Warnung an Parkettleger gerichtet. Bei FussbodenTechnik war das in der Ausgabe 1/01 S. 16. Die TKB gab den Parkettlegern darin den dringenden Rat, ihre Auftraggeber zu informieren, wenn der Einsatz stark lösemittelhaltiger Produkte geplant war. Wir stellten dafür auch einen Mustertext vor. Da wir als TKB aber weder eine verbindliche Rechtsberatung geben durften, noch für unseren gutgemeinten Textvorschlag in Haftung genommen werden wollten, schlugen wir zur Abfassung solcher Schreiben die Zuziehung eines Rechtsanwalts vor. Das wiederum nahmen uns einige Handwerksvertreter offenbar sehr übel. Bei der 17. TKB-Fachtagung im März 2001 bekamen wir das knüppeldick ab. "Könnten die Parkettleger zukünftig nur noch mit einem Rechtsanwalt auf die Baustelle", war nur eine der erbosten Fragen. Ich sah als Moderator der Fachtagung nur eine Möglichkeit, die Wogen zu glätten: Ich schlug den Parkettlegern Rolf Wanke und Dieter Große ein klärendes Gespräch in dieser Sache vor. Als später dann der Termin für dieses Treffen festgelegt werden sollte, erkannte ich die Möglichkeit, etwas mehr daraus zu machen als nur über das eine Thema zu sprechen. So lud ich dann für den 19.07.2001 Handwerksvertreter, Sachverständige und die Fachpresse zur ersten Gesprächsrunde ein. Dort stellte sich dann ein ungeheurer Gesprächsbedarf heraus, nicht nur zwischen Handwerk und Industrie, sondern zwischen dem einen Handwerk und dem anderen Handwerk. "Auf den Baustellen herrscht Krieg" - für diesen Ausspruch von Dieter Große ist die erste Gesprächsrunde bekannt geworden.
FT: Eine weitere Errungenschaft der TKB: Man hat versucht, verbindliche Sprachregelungen zu finden, z.B. bei der Lösemitteldefinition, die später in den GISCODE eingeflossen ist.
Dr. Krieger: "Ordnung ins Chaos bringen" ist ein Ziel jeder Kultur. Insofern versteht sich die TKB immer auch als "kulturschaffend". Über die Art der Ordnung kann man sich danach immer trefflich die Köpfe einschlagen, aber Chaos, Durcheinander und Begriffsverwirrung halte ich für das schlimmste Übel. Leider gibt es natürlich immer Leute, die sich darin viel wohler fühlen, weil sich da zweifellos jede Menge Freiheitsgrade bieten.
Interessant ist, dass auch die Lösemitteldefinition der TKB das Ergebnis einer vorausgehenden Auseinandersetzung ist. Uzin hatte 1987 behauptet, den "ersten absolut lösungsmittelfreien Dispersionsklebstoff für Textilbeläge" auf den Markt gebracht zu haben. Ich geriet darüber heftig mit Dr. Knop von Henkel aneinander, einem TKB-Kollegen übrigens, mit dem ich später immer sehr konstruktiv zusammengearbeitet habe. Wir beharkten uns in der Fachpresse wegen der Begriffe "absolut" und "lösungsmittelfrei". Ich mache es kurz: die TKB, damals noch unter Otto Stein, vermittelte zwischen den Kampfhähnen und klärte die Begriffe. Inzwischen spricht auch Uzin nicht mehr von "absolut", aber die Branche weiß seitdem, was unter "lösemittelfrei", "lösemittelarm", "lösemittelhaltig" und "stark lösemittelhaltig" zu verstehen ist. Nicht vergessen werden sollte auch die Normierung der Spachtelzahnungen durch die TKB im Jahre 1981, die durch die Neuauflage unseres Merkblatts 6 "Spachtelzahnungen" gerade jetzt aktualisiert wird. Sicher gibt es zahlreiche weitere Beispiele.
FT: Kleiner Exkurs zu Ihrem Arbeitgeber Uzin Utz AG. Wie lange waren Sie dort beschäftigt und wie war die Entwicklung?
Dr. Krieger: Ich habe 1979 bei der damaligen Georg Utz GmbH & Co.KG als Leiter Forschung und Entwicklung begonnen. Interessant war dabei für mich vor allem der Standort Ulm. Ich bin zwar gebürtiger Oberbayer, wuchs aber in Ulm auf. Meine Eltern lebten in Ulm und meine Frau ist eine waschechte Ulmerin. Ich hatte meiner Frau immer gesagt, in Ulm gibt es keine chemische Industrie, also schmink Dir Ulm ab. Eines Tages gucke ich in eine Fachzeitschrift und da steht, dass die Georg Utz GmbH in Ulm einen Entwicklungschemiker sucht. Da bin ich also mal hingefahren und habe mich vorgestellt.
Vorher war ich 8 Jahre bei einem amerikanischen Polyurethanhersteller beschäftigt. Das war Chemie vom Feinsten. Das Mischen von Sand und Zement erschien mir hier zunächst als Abstieg, aber ich habe es nie bereut. Als ich dann in Ulm war, bestand meine Aufgabe in den ersten 2Jahren darin, eine ganz neue Spachtelmasse zu entwickeln. Nach zwei Jahren war das Produkt dann soweit: Unsere NC 170. Sie ist heute noch das bestverkaufte Produkt bei uns. Ich bin zuerst Leiter Forschung und Entwicklung gewesen, bekam dann die Anwendungstechnik dazu und erhielt Mitte der 80er Jahre Prokura. 1997 ging die damalige Georg Utz GmbH & Co. KG als Uzin Utz AG an die Börse. Dr. Utz fragte mich, ob ich Mitglied des Vorstands werden möchte. Ich bin mit Uzin gewachsen und Uzin auch mit mir, wie ich glaube. Dr. Utz und ich haben ein hervorragendes Tandem gebildet. Er zuständig für Verkauf, Marketing und die Betriebswirtschaft. Ich für die Produkttechnik und alles was damit zusammenhängt, auch für die Verbandsarbeit. Ich denke, dass wir uns ideal ergänzt haben. Das geht aber auch ohne mich sicher so weiter. Die sind auf einem guten Weg.
FT: Ihr letzter Arbeitstag - freuen Sie sich darauf oder graut Ihnen davor?
Dr. Krieger: Ich muss mal so sagen, keines von beidem trifft da richtig zu. Ich sehe dem letzten Arbeitstag interessiert entgegen, weil ich ja jetzt schon zweieinhalb Jahre lang Zeit hatte, mich im Rahmen eines Beratervertrags aus der Arbeit hinauszuschleichen. Ich fühle mich freier, stecke ohne Termindruck nicht mehr in der Mühle der endlosen Meetings, Sitzungen und Konferenzen. Ich habe meine überschaubaren Bereiche Patentwesen, Verbandsarbeit und China, soweit China überschaubar sein kann. Ich kann kommen und gehen, wann ich will. Aber wenn ich dann ganz aufhöre, vielleicht fehlt mir was. Das kann schon noch kommen. Angst oder Panik habe ich da aber nicht. Da ist bei mir nämlich wirklich die Überzeugung, dass man einfach Schluss machen muss mit der Arbeit, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat. Und im November werde ich 65. Ich will nicht jungen Leuten alterskluge Ratschläge erteilen und mich schließlich "hinausstoibern" lassen. Da bin ich eher der Typ, der am 31.12. Schluss macht und "tschüss" sagt und sich dann nicht mehr sehen lässt. Ich gehe dann einfach intensiver meinen Hobbys nach.
FT: Was wünschen Sie dem neuen TKB-Vositzenden Dr. Frank Gahlmann?
Dr. Krieger: Dr. Gahlmann muss vor allem mit der notwendigen Gelassenheit daran gehen und sich nicht von meiner langjährigen Arbeit beeindrucken lassen. Vieles ist Erfahrung und die braucht Zeit. Er muss jetzt erstmal einige Entscheidungen treffen, z.B. wer die Fachtagung moderiert und die Gesprächsrunde organisiert. Für die Eingewöhnung als TKB-Vorsitzender wird er ein, zwei Jahre brauchen. Das war bei mir genauso. Otto Stein war ein wirklich guter Vorsitzender und ich bin ihm auch als junger unerfahrener Mann gefolgt. Da hat man schon anfangs einige Unsicherheit, ob man auch alles richtig macht. Ich rate Dr. Gahlmann, das Gespräch mit dem Handwerk weiter zu intensivieren, aber da ist er sowieso gut und kompetent - vor allem natürlich im Parkettbereich. Außerdem muss er, wie jeder TKB-Vorsitzender einen Weg finden, wie er die anderen TKB-Kollegen am besten zur aktiven Mitarbeit motivieren kann. Das ist bei den oft auseinandergehenden Interessen und dem Zeitdruck, dem jeder unterliegt, schon ein Stück Arbeit.
FT: Wenn Sie heute beim Bier einen Bodenleger kennen lernen und der fragt Sie, wie soll ich mich verhalten, um mit meinem Betrieb erfolgreich zu arbeiten. Was sind die drei wichtigsten Tipps?
Dr. Krieger: Das ist eine harte Frage. Erfolg zu haben ist nie leicht. Das ist eine Binsenweisheit. Der Bodenleger sollte sich um Materialkenntnis, Fachkompetenz und Qualität kümmern, seine Qualität natürlich, nicht die anderer. Die an sich selbst gestellten Anforderungen müssen lauten: Ich liefere nur gute Qualität ab und betreibe dazu soweit Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache, dass die Leute kommen und das Geld bezahlen, das ich verlange, weil ich gute Arbeit abliefere. Und gute Arbeit kann ich nur abliefern, wenn ich die entsprechenden Kenntnisse habe.
FT: Was sind Ihre Pläne für 2008?
Dr. Krieger: Ich hab keine konkreten Pläne. Ich gehe meinen Hobbys nach. Ich bin z. B. ein eingefleischter Sammler. Ich sammle alte Münzen, alte Schusswaffen, geschliffene Edelsteine, silberne Zigarettenetuis und einiges andere. Ich befasse mich leidenschaftlich mit Aktien und mit Ebay. Ich liebe Tiere, allerdings nur die freilebenden, und die Natur. Ich arbeite gerne gemeinsam mit meiner Frau im Garten oder streune durch die Wälder. Ich werde wieder häufiger ins Gebirge fahren, im Sommer, zum Pilze sammeln oder mich mit dem Sessellift in luftige Höhen tragen zu lassen. Ich werde öfter Skat spielen oder mit Rolf Peteler zum Vorderladerschießen gehen. Es gibt hier jede Menge Dinge, auf die ich mich freue. Und vielleicht schaffe ich es noch irgendwann mal auf den Ratestuhl von Günther Jauch bei "Wer wird Millionär?".
FT: Haben Sie eine Botschaft?
Dr. Krieger: Ich habe sicher auch eine Botschaft. Wer wie ich sehr viel mit dem Ausland und mit China zu tun hat, der ist für jeden Tag dankbar, den er wieder in Deutschland sein darf. Wir leben tatsächlich auf einer Insel der Glückseligen mit vielen, vielen Leuten, die trotz aller Unterschiede im Grunde sehr kooperativ sind. Wenn ich unsere Branchenlandschaft anschaue mit den vielen Leuten im BEB, im Zentralverband, bei den Raumausstattern, bei der Lehrlingsausbildung, oder den Sachverständigen - die spielen alle eine enorm wichtige Rolle in unserer Gesellschaft. Wir haben im Grunde ein schönes Zusammenspiel mit allen Konflikten und Divergenzen, aber eben auch mit Lösungen und Ergebnissen. Über dieses Zusammenspiel bin ich jedes Mal glücklich, wenn ich aus dem Ausland zurückkomme, in dem vielfach ein übles Catch as catch can herrscht. Das sollte jeder erkennen. Ich sehe bei sehr vielen Leuten bei uns den Willen, etwas zu bewegen und das schätze ich ungemein. Das ist meine eigentliche Botschaft: Macht weiter so!
aus
FussbodenTechnik 04/07
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