Filiep Balcan: "Wir wollen eine wichtige Rolle im anstehenden Konsolidierungsprozess spielen"
Balta öffnet sich für Investoren
Für große Aufmerksamkeit in der Branche hat ein Artikel in der belgischen Zeitung "De Standaard" von Mitte März gesorgt; eigentlich handelt er davon, dass sich die familiengeführte Balta-Gruppe für fremde Investoren öffnet und über die ABN Amro-Bank geeignete Kapitalgeber sucht. Autor Pascal Dendooven stellt aber auch interessante Hypothesen über die künftige Entwicklung der europäischen Teppichbodenindustrie auf, speziell der belgischen.
Balta ist mit 396,5 Mio. EUR (2003) reinem Textilumsatz Nr. 1 in der europäischen Teppichindustrie und Nr. 8 weltweit; voll konsolidiert mit den CV-, Laminat- und Tapetenaktivitäten kamen die Belgier im vergangenen Jahr sogar auf 672 Mio. EUR Umsatz. Überrascht wurde in der Branche deshalb registriert, dass Balta jetzt um Investoren wirbt. Bislang agierte die von Paul Balcaen gegründete und inzwischen von seinem Sohn Filiep geführte Gruppe völlig autark am Markt. Filiep Balcan steht dem Unternehmen alleine vor, unterstützt von einem kompetenten Management, überhaupt ist er als einziger der Familie bei Balta aktiv. Seine beiden Schwestern sind nicht eingebunden, besitzen nach unseren Informationen noch nicht einmal mehr Anteile. Die Kontrolle über die Gruppe üben zwei Luxemburger Holdings aus, die mit der Familie verbunden sind.
In den letzten Jahren hat Balta enorm expandiert (ausführlicherBericht in BTH Heimtex 1/04) und dabei über den angestammten Teppichboden- und Teppichbereich sehr erfolgreich in CV-Beläge (Tochter IVC) diversifiziert, außerdem in Tapeten (Ideco, Grantil) und in Laminatbeläge (Balterio), die in einem 50:50-Joint Venture mit dem gleichfalls belgischen Holzwerkstoffhersteller Spano betrieben werden. Fast alle Produktionsstandorte befinden sich in Belgien: mit 3.300 Mitarbeitern ist Balta der größte private Arbeitgeber in der alten Textilregion in Westflandern; darüber hinaus werden in einer Tapetenfabrik in Frankreich und einer Spinnerei in der Türkei weitere 400 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Entscheidung, sich für fremde Anteilseigner zu öffnen und so finanzielle Mittel zu generieren, legt den Schluss nahe, dass Balcaen das hohe Expansionstempo mindestens beibehalten, wenn nicht sogar forcieren will. De Standaard gegenüber sagte er denn auch klar, dass Balta "eine führende Rolle im anstehenden Konsolidationsprozess der westeuropäischen Teppichbranche spielen will". Vielleicht will er ihn auch beschleunigen?
Finanzielle Probleme als Grund für den angestrebten Kapitalzufluss dürften auszuschließen sein. Die Gruppe gilt als gesund und nannte gegenüber De Standaard einen Cash-Flow von 20% als Beleg für die Liquidität - und Ausweis für die potenziellen Kapitalgeber, dass ihr Geld bei Balta gut angelegt ist.
Mit Hilfe von ABN Amro werden jetzt anscheinend die Interessenten analysiert und selektiert. Laut De Standaard kommen alle großen internationalen Investmentfonds in Frage: JP Morgan, Blackstone, KKR, PAI, Candover, Cinven, Industry Kapital und CVC, die vor einigen Jahren schon einmal Desso übernehmen wollten, aber sich damals mit Armstrong-DLW nicht über den Kaufpreis einigen konnten. Industrielle Investoren wurden nicht angesprochen. Noch sei nichts entschieden, schreibt die Zeitung weiter. Es stehe noch nicht einmal fest, ob die Familie Balcaen die Mehrheit behalten wird, selbst Filiep Balcaens Rolle scheint nicht festgeschrieben zu sein.
Der Schritt von Filiep Balcaen kann für die Teppichbranche von größerer Bedeutung sein als sich zunächst abzeichnet. Das erfuhr auch De Standaard bei seinen Recherchen. So rechnet ein Gesprächspartner mit "einem Erdbeben"; andere meinen, dass im Markt auf lange Sicht nur Platz für fünf große europäische
Anbieter sei und nennen hier als wahrscheinlichste Kandidaten neben Balta die niederländische Condor-Gruppe der beiden Brüder Jan und Gerrit Hoekman und mutmaßen darüber hinaus, dass eine neue, große Beaulieu-Formation aus der Allianz der drei Brüder Dominiek (Beaulieu Wielsbeke), Francis (Ideal) und Luc (Berry) de Clerck entstehen könnte. Wieder andere könnten sich vorstellen, dass sich bei den börsennotierten Associated Weavers, heute im Wesentlichen unter der Kontrolle einiger Invest-mentfonds und privater Eigner, langfristig die Eigentümerstruktur ändert....
Es gibt aber auch noch andere mögliche Optionen für Balta: So versuchen die Belgier schon seit einiger Zeit, im Objektgeschäft Fuß zu fassen, agieren dort bislang aber wenig erfolgreich. Vielleicht überlegt Balcaen, sich hier Kompetenz zuzukaufen. Man kann auch über Textil hinausdenken, wobei die eine Richtung elastische Handels- und/oder Objektbeläge wären, die andere Laminat. Mit 39,6 Mio. EUR Umsatz (2003) hinkt Späteinsteiger Balterio weit hinter den Branchengrößen hinterher. Und in Belgien wird über die Zukunft von Baltas Joint-Venture-Partner Spano spekuliert, berichtet De Standard. Dazu äußert man sich in St. Baafs-Vivje allerdings nicht; Balcaen sagte der Zeitung gegenüber lediglich, er sei offen für alles, für weiteres Wachstum seien jedoch weitere Investitionen notwendig und in die Laminataktivitäten seien bereits 110 Mio. EUR geflossen.
De Standaard bringt als weitere mögliche Zielrichtung für Balta die außereuropäischen Märkte ins Spiel, speziell die USA. Wobei das insofern weniger wahrscheinlich erscheint, als Balta dort gegen extrem starke einheimische Wettbewerber antreten müsste.
aus
BTH Heimtex 03/04
(Wirtschaft)