Jedes Zimmer eine Lektion in Stilkunde

Dokumentation einer außergewöhnlichen Parkettrestaurierung


Als Ausbilder "macht" er Bundessieger und den Europasieger 2002. Als Meisterbetrieb macht er durch anspruchsvolle Restaurierungsarbeiten auf sich aufmerksam: Gerd Kleditzsch stellt sich hohen Anforderungen. Die Villa Weigang in Bautzen gehört zu seinen herausragenden Objekten der jüngeren Zeit.

Die Arbeiten bezogen sich auf mehrere Zimmer im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss - alle mit wertvollen Parkettböden und Interieur von hohem kulturgeschichtlichem Wert. Eine sorgfältige Bestandsaufnahme ist Voraussetzung für die Planung und Ausführung der Parkettrestaurierung. Gerd Kleditzsch dokumentierte beides mit wissenschaftlicher Akribie.

Baugeschichte der Villa Weigang

Das Gebäude wurde in den Jahren 1901 bis 1903 für die Fabrikantenfamilie Weigang errichtet. Architekt war Prof. Alwin Louis Christoph Anger, um die Innengestaltung kümmerte sich Eduard Rudolf Weigang. Bis 1938 blieb die Villa im Familienbesitz, ging dann in das Eigentum der Stadt Bautzen über und blieb von 1945 bis 1963 Klubhaus der ehemaligen Besatzungssoldaten. 1993 übernahm die Stadt Bautzen die Villa wieder in ihren Besitz. Ab 1995 wurde das Haus für die Gastronomie, als Studientreff und für den Kunstverein genutzt.

Die ersten Renovierungen wurden bereits 1987 vorgenommen. Richtig begonnen wurde mit den Arbeiten 1998, als die Weigang Besitz- und Betriebs GmbH als neuer Eigentümer die Wiederherstellung der Villa in die Hand nahm. Das Gebäude sollte komplett saniert und dann der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden.

Einbauten und Parkettböden, die zur Sanierung anstanden, wurden von Gerd Kleditzsch auf ihren Zustand überprüft. Erhaltene Lieferbelege, über die der Bauherr verfügte, ließen darauf schließen, dass die Originalböden seinerzeit von der Metzdorfer Parkettfabrik hergestellt wurden. Insgesamt ging es um 14 Räume, die von der Familie des Erbauers teils als Privat-, teils als Repräsentativräume genutzt und sehr abwechslungsreich gestaltet worden waren. Die Vielfalt umfasst alle beliebten Stilrichtungen zur Zeit der Erbauung der Villa - von der römischen Antike über Gotik, Neobarock, Klassizismus und Gründerjahre bis zum Jugendstil. Selbst das Exotische, wie es in der Zeit des Barock gepflegt wurde, kam in der Villa Weigang noch einmal zur Blüte - im "indischen" Zimmer und im "maurischen" Salon. Eine Besonderheit ist das "Pompejanische Bad".

Die Dokumentation

Welchen Umfang das Projekt hatte und welche immensen Anforderungen an die Restauratoren-Fähigkeiten gestellt wurden, macht die Dokumentation deutlich. Die vorhandenen Stabparkettböden waren bis auf einen Teil des Kleinen Saales - dort wurde auf Estrich geklebt - alle verdeckt auf den Blindboden genagelt. Teilweise war eine Sanierung der Altböden nicht mehr möglich; dort wurde nach Originalvorlagen neu angefertigt. Am Ende wurden alle Böden geschliffen, gespachtelt und 3 x mit Öl-Kunstharzsiegel geschützt .

Räume, Stilarten und Hölzer / Restaurierung der Parkettböden

Empfangssalon:
Wandverkleidung in Palisander; Tafelparkett auf Rahmenfüllungskonstruktion aus Nadelholz; umlaufende Fremdfeder auf Unterkonstruktion genagelt, 38 mm stark; Tafel umlaufendes Band und 1/4 Stern, 630 x 630 mm; Holzarten: Eiche, Ahorn, Amerik. Nussbaum; Bordüre: Rhomben in Friesen, Eiche, Ahorn, Nussbaum; Querholzfries Eiche; Oberfläche SH-Lack, verschmutzt, Schwarzfärbung und teilw. Ablösung von Deckschichten durch chemische Reaktion, Fugen schmutzgefüllt.

Die losen und verfärbten Deckschichten wurden aufgenommen, die Unterkonstruktion gereinigt und neue Deckschichten in gleicher Holzart mit einem elastischen Kleber der Firma Sika eingeklebt. Der Boden wurde schonend geschliffen.

Musikzimmer:
Klassizistischer Salon, reiche Stuckverzierungen und Wandmalereien, Spiegel, Stuckmedaillons; Tafelparkett auf Rahmenfüllung aus Nadelholz, umlaufende Fremdfeder, auf Unterkonstruktion genagelt, 38 mm stark; Tafel kreuzende Bänder, 655 x 655 mm; Holzarten: Eiche, Ahorn, Nussbaum; Bordüre: Doppelmäander mit Würfeleinlagen, Eiche, Ahorn, Nussbaum, Bordüre nicht umlaufend, Teile zufällig gestoßen, evtl. wurden Reststücke der Schlafzimmerbordüre verwendet; Querholzfries in Eiche; Oberfläche SH-Lack, Fehlstellen mit Sperrholz ausgesetzt; Wasserschaden/gequollene und gelöste Deckschichten, mit Schmutz verfüllte Zwischenräume, Parkett wurde geschliffen und die Deckschichten an den Rändern fast aufgebraucht; Pilzbefall an der Rahmenfüllungskonstruktion.

Nach Ausbau und Trocknung: Restaurierung zu aufwändig. Der Boden wurde ausgebaut, in die Werkstatt transportiert und vorsichtig getrocknet. Dabei wurde festgestellt: Die Deckschichten waren teilweise weniger als 1 mm dick und mit Schmutz unterfüllt . Die Unterkonstruktion war durch Wasser und Pilzbefall geschädigt. Daraufhin entschied sich der Bauherr für einen Neubau des Bodens nach Originalvorlage und mit gleichen Holzarten. Die Bordüre wurde umlaufend gestaltet. Tafeln, Bordüre und Randfries wurden mit umlaufender Fremdfeder verbunden und auf die neue Unterkonstruktion geschraubt. Der Boden erhielt neue Sockelleisten.

Großer Saal:
Jugendstil-Fensterfront; Boden komplett entfernt, sichtbares Kellergewölbe; nach vorhandenen Fotos Stabparkett Eiche, Schiffsboden.

Der neu eingebrachte Estrich wurde geschliffen und gespachtelt. Stabparkett Eiche Natur, 420 x 70 mm im Fischgrätmuster in gleicher Größe und Verlegeart wie im angrenzenden Nebenzimmer verklebt - neuer Raumübergang gestaltet. Am Stucksockel brachte man Viertelstäbe an.

Kleiner Saal:
Der Raum ist mit Großem Saal durch Türübergang mit Spitzbogen verbunden; Stabparkett Eiche, Fischgrät, 420 x 70 mm; Oberfläche SH-Lack, Fehlstellen.

Das Parkett wurde in Teilflächen unter Verwendung von Altholz restauriert. Ein neuer Raumübergang stellte die Verbindung zum Großen Saal wieder her. MDF-Sockelleisten nach Originalvorlagen hergestellt, angebracht und weiß gestrichen.

Schlafzimmer:
Entfernte Einbauten, nachträglicher Einbau einer Holztreppe; Tafelparkett als Massivtafel, umlaufende Fremdfeder, auf Unterkonstruktion genagelt, 26 mm stark; Flechttafel 685 x 685 mm, Eiche; Bordüre: Doppelmäander mit Würfeleinlagen, Eiche, Ahorn, Amerik. Nussbaum; Querholzfries in Eiche; Bordüre und Querholzfries auf Rahmenfüllungskonstruktion geklebt; Fehlstellen in Tafeln und Bordüre, Oberfläche SH-Lack.

Das Tafelparkett war in Teilflächen beschädigt, musste entfernt und durch neu angefertigte Elemente ersetzt werden. Teilweise wurden Altparkett-Tafeln in vorhandenem Muster und Holzart als Ersatz eingesetzt. Die Parkettfriese wurden teilweise neu eingebaut. Die Oberflächenbehandlung erfolgte nach schonendem Schleifen mit Spachteln und Öl-Kunstharzsiegel. Sockelleisten wurden neu angebracht.

Spiegelzimmer:
Neobarockes Muschelzimmer, Spiegel, Rocaillen, farbige und goldene Ausmalung; Tafelparkett und Rahmenfüllungskonstruktion aus Nadelholz, umlaufende Fremdfeder, auf Unterkonstruktion genagelt, 38 mm stark;Tafel kreuzende Bänder mit kleinem Mittelstern, 650 x 650 mm; Holzarten: Eiche, Amerik. Nussbaum, Ahorn 330 mm; Querholzfriese in Eiche; nur noch einzelne Tafeln und Friese vorhanden.

Tafeln und Bordüre waren nur noch als einzelne Stücke vorhanden. Der Boden wurde ebenfalls nach Originalvorlage und mit gleichen Holzarten in der Werkstatt nachgebaut. Tafeln, Bordüre und Randfries wurden mit umlaufender Fremdfeder verbunden und auf die Unterkonstruktion geschraubt. Die Oberflächenbehandlung erfolgte durch Schleifen, Spachteln und Öl-Kunstharzsiegel.

Pompejianisches Bad:
Orientalische Einbauten und Ausmalungen; Fertigparkett, wurde entfernt.

Vorhandener Blindboden ausgebessert und geschliffen. Verlegeplatten V 100 E1 auf Blindboden geschraubt, 3-SchichtParkettstäbe, Eiche Natur 115 x 30 mm, im Fischgrätmuster verlegt. Türübergang befestigt, Sockelleisten angebracht.

Kinderzimmer 1:
Stuckdecke; Stabparkett Eiche 300 x 115 mm, Fehlstellen, Oberfläche SH-Lack.

Kinderzimmer 2:
Jugendstil, Kachelofen, Wandbild, Buntglasfenster; Stabparkett Eiche, 300 x 115 mm, Fehlstellen, Oberfläche SH-Lack.

Zimmer der Frau:
Jugendstil mit Seitenfenstern in Nierenform; Stabparkett Eiche, Fehlstellen, Oberfläche SH-Lack.

Maurischer Salon:
Decke/Einbauwände im maurischen Stil; Stabparkett Eiche, 500 x 115 mm, Fischgrät; Fehlstellen, Oberfläche SH-Lack.

Indisches Zimmer:
Stuck- und Wand im indischen Stil; Stabparkett Eiche, 500 x 115 mm, Fischgrät; Fehlstellen, Oberfläche SH-Lack.

Zimmer des Herrn:
Holzvertäfelungen, Einbauschränke und Holzdecke im Gründerstil in Eiche; Tafelparkett auf Rahmenfüllungskonstruktion aus Nadelholz, umlaufende Fremdfeder auf Unterkonstruktion genagelt, 38 mm stark; Tafel 8-eckiger Stern mit Oktagon eingefasst, 700 x 700 mm; Holzarten: Eiche, Ahorn, Amerik. Nussbaum, Khaya; Flechtbordüre in Eiche, Amerikanischer Nussbaum, Khaya, 350 mm breit; Querholzfries in Eiche nur noch in Fragmenten erhalten.

Das Parkett wurde in Teilflächen unter Verwendung von Altholz restauriert. Alle Sockelleisten wurden neu angebracht, im Zimmer der Frau zudem in der Jugendstil-Fensternische gerundet neu angefertigt.

Obere Halle/Galerie:
Klassizistischer Bau mit runder Bodenöffnung und Oberlichtkuppel; Tafelparkett auf Rahmenfüllungskonstruktion aus Nadelholz, umlaufende Fremdfeder, auf Unterkonstruktion genagelt, 30 mm stark; Tafel vierteilig, je 2 Viertelsterne, 2 mal Diagonalstreifen, 685 x 685 mm Eiche Wandfries; nur noch als Fragmente in Zimmerecken vorhanden.

Verlegeplatten V 100 E auf den Blindboden geschraubt. Lamparkett Eiche Natur, 341 x 341 mm im Residencemuster, in Anlehnung an das ehemalig vorhandene Tafelparkettmuster verlegt. Dabei das Parkett an der Geländerrundung und in den Türnischen als schwellenlose Übergänge angepasst. Zusätzlich Korkstreifen eingesetzt. Sockelleisten passend hergestellt.

Verwendete Verlegewerkstoffe:

Holzkaltleim MD 074 (Dorus)
Parkettkleber PK 38 (Bostik)
PU-Kleber (Binduan)
Elastischer Kleber (Sika)
Öl-Kunstharzsiegel LT-Export (Berger-Seidle)
Fugenkitt Pafuki (Berger-Seidle)
Pflegemittel L 93 (Berger-Seidle)
aus Parkett Magazin 02/03 (Referenz)