Interview mit Johannes Delius und Gerd Kramer

"Wir sind der Objektspezialist"

Aus dem Familienunternehmen Delius, ursprünglich als Seidenweberei bekannt, ist längst ein weit diversifizierter Textilanbieter geworden, der neben hochwertigen Wohn- und Objektstoffen auch Sonnenschutz, Futterstoffe und technische Gewebe herstellt. Bislang hielten sich die Bielefelder in der Öffentlichkeit relativ bedeckt. BTH Heimtex blickte als erste Fachzeitschrift hinter die Kulissen: Birgit Genz sprach mit Johannes Delius, der die neunte Generation des Traditionshauses repräsentiert und Vertriebsleiter Gerd Kramer über Sortimentspolitik, Strategie und die Perspektiven der einzelnen Produktgruppen.

BTH Heimtex: Die Branche hat 2003 weiterhin unter Konsumflaute und den rückläufigen Objekt-Investitionen gelitten. Sie auch?

Johannes Delius: Im Objektgeschäft haben wir eindeutig keine Flaute. Es wird zwar einiges geschoben, aber nicht völlig ausgesetzt. Wir haben auf jeden Fall insgesamt gut abgeschnitten. Nach den ersten drei Quartalen lagen wir über Vorjahr und nur leicht unter dem zugegebenermaßen sehr ehrgeizigen Plan.

BTH Heimtex: Wie ehrgeizig war er denn in konkreten Zahlen

Delius: Wir hatten uns ein zweistelliges Plus vorgenommen und lagen 1,5% darunter.

BTH Heimtex: Aber immer noch zweistellig im Plus?

Delius: Ja. Das liegt daran, dass wir sehr viel in die Stärkung des Objektbereichs investiert haben, und zwar sowohl in Kollektionen wie auch ins Marketing. Und wir haben auch den Außendienst aufgerüstet. Dadurch sind wir selbst in diesen konjunkturell schwierigen Zeiten gut positioniert, sehr motiviert - und das ist ganz wichtig: wir sind mental gut eingestellt. Das ist sicher ein Teil unseres Erfolges.

BTH Heimtex: In welchen Bereichen fühlen Sie sich besonders stark?

Delius: Wir focussieren einzelne Marktsegmente und haben eigentlich immer den Anspruch, dort mit zu den Marktführern zu gehören. Sehr wichtig ist für uns beispielsweise der Hotelbereich, den wir in die Top-Hotels und die gute Mittelklase unterteilt haben. Für jedes dieser Segmente gibt es eine eigene Kollektion.

Ebenfalls von großer Bedeutung ist der Bereich Altenpflege, Reha-Kliniken, Krankenhäuser, für den wir genauso spezielle Kollektionen entwickelt haben.

BTH Heimtex: Und wenn wir jetzt in die Produkte direkt hineingehen? Welche sind da Ihre Stärken?

Gerd Kramer: Nach Metern betrachtet liegen die Standards natürlich vorne. Aufwändigere Artikel wie Stickereien oder Organzas bringen dafür ein anderes Umsatzvolumen.

Delius: Der Gesamtmix aus Standards und kreativen Qualitäten macht uns Freude.Wobei wir darauf achten, dass die einzelnen Artikel möglichst lange laufen.

BTH Heimtex: Es ist vermutlich nur wenigen bekannt, dass Sie vor einigen Jahren auch in Sonnenschutz eingestiegen sind. Wie hat sich diese junge Sparte entwickelt und was bieten Sie alles an?

Delius: Den Einstieg in das Sonnenschutzgeschäft haben wir mit Vertikalanlagen begonnen, die zunehmend von unseren Objektkunden nachgefragt wurden. Noch heute ist diese Produktgruppe die umsatzstärkste. Später haben wir das Angebot dann auf Drängen des Marktes mit Flächenvorhängen, Raffrollos und Funktionsrollos erweitert. Alle Produkte zielen rein auf den Objektmarkt und in allen verzeichnen wir gegen den Markttrend Steigerungsraten, wobei Rollos den größten Zuwachs haben.

BTH Heimtex: Aber gerade Vertikallamellen sind heiß im Preis umkämpft. Hatten Sie da als relativer Späteinsteiger Chancen?

Delius: Es stimmt, Vertikallamellen gehören schon seit langem zu den preisumkämpften Artikeln. Darüber waren wir uns auch klar, als wir uns entschlossen haben, in diesen Markt einzusteigen. Wir haben deshalb unsere Kollektion Delistar von Anfang an gezielt auf die Anforderungen des Objektmarktes und die Richtlinien der Bildschirmarbeitsplatzverordnung ausgerichtet. Schwerpunkt bilden aluminiumbedampfte und spezialbeschichtete Qualitäten.

Dieses Programm, das sich auf das Wesentliche konzentriert und die übersichtlich gestaltete Präsentation haben offensichtlich Architekten und Bauentscheider überzeugt.

Und: das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Mit einem eigenen System, eigener Produktion der Behangqualitäten und einer Maßkonfektion hier vor Ort in Bielefeld erfüllen wir die Anforderungen des Marktes nach schneller Lieferung, guter Qualität und günstigen Preisen.

BTH Heimtex: Das Rollo ist ebenfalls sehr wettbewebsintensiv. Wie argumentieren Sie hier?

Delius: Mit unserem Rollosystem, das wir Anfang 2003 auf den Markt gebracht haben, setzen wir jetzt in diesem Bereich die eben beschriebene Erfolgsstory fort. Einfach, verständlich, funktional - das sind die Stärken unseres Rollosystems, das es als Casettenrollo und als freihängendes Rollo mit Kettenzug oder Elektroantrieb gibt.

BTH Heimtex: Welche Produktgruppe hat bei Sonnenschutz die besten Perspektiven?

Delius: Das größte Wachstumspotenzial sehen wir bei Rollos und da vor allem bei Faltrollos, die wir ebenfalls als Maßanfertigung anbieten. Sie finden immer stärkeren Einzug im Objektsektor. Hier bietet der Markt noch Zuwachs, während es bei Vertikalanlagen und Flächenvorhängen mehr auf einen Verdrängungswettbewerb hinausläuft. An ruinösen Preiskämpfen für Wachstum um jeden Preis werden wir uns aber nicht beteiligen.

BTH Heimtex: Es klingt schon durch, dass Ihre Priorität dem Objekt gilt.

Delius: Ja, wobei wir ganz klar auf Objekteure focussiert sind. Parallel betreiben wir sehr geziele Akquise bei Architekten, Bauherren und Baugesellschaften, weil wir natürlich mit unseren Produkten in den Ausschreibungen stehen wollen.

Wir begleiten die Objekte von Anfang an. Vom Beginn bis zum Abschluss wird jedes Projekt EDV-mäßig begleitet, so dass wir immer genau wissen, wie derStand ist. Wir machen auch eine sehr genaue Erfolgskontrolle für jedes Objekt. Bei Problemen analysieren wir ganz genau, was falsch gelaufen ist und wer eventuell einen Fehler gemacht hat, um das beim nächsten Mal gleich zu vermeiden. Das verstehen wir unter Kompetenz. Neben der textilen Kompetenz brauchen Sie Vertriebs-Kompetenz.

Und nicht zu vergessen eine effiziente Logistik.Wir haben hier in Bielefeld ein neues Zentrallager eröffnet, das auf dem neuesten Stand der Technik steht.

BTH Heimtex: Welche Rolle spielt der Export für Delius?

Kramer: Der Export ist sehr wichtig, der Exportanteil liegt immerhin bei etwa 50%. Wobei die EU eigentlich kein Export mehr ist.

BTH Heimtex: Wohin liefern Sie denn noch?

Delius: Starke Abnehmer außerhalb der EU sind der Mittlere und der Nahe Osten, Japan, Asien, Hongkong, Singapur, Neuseeland, Australien und die USA.

BTH Heimtex: Nochmal zurück zu Ihrer Domäne dem Objektgeschäft. Immer mehr Mitbewerber steigen darauf ein, weil der Handel sich schwach zeigt. Bekommen Sie das zu spüren?

Kramer: Schon, im Grunde genommen stört jeder neue Anbieter. Denn jeder, der heute mitmischt, bekommt den einen oder anderen Auftrag. Aber um sich richtig als Objektspezialist zu profilieren, gehört mehr dazu: eine anständige Lagerbevorratung, Service, Qualität sowie Kreativität in der Entwicklung.

Delius: ...und schnelles Reaktionsvermögen. Objektgeschäft ist ein schnelles Geschäft - das vergessen oder unterschätzen viele. Man muss auch mal außerhalb der Reihe aktiv sein und kurzfristig reagieren können.

Kramer: Das bedeutet auch, dass man produktionstechnisch sehr flexibel sein muss, um auch bei sehr kurzfristigen Terminen pünktlich liefern zu können - ohne dass andere Objekte darunter leiden.

BTH Heimtex: Eigentlich ist der Produktionsstandort Deutschland für die Textilindustrie zu teuer. Sie fertigen trotzdem hier. Geht das nicht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit?

Delius: Wir produzieren nicht nur in Deutschland, das kann man sich gar nicht mehr leisten. Wir produzieren Baumwollketten in Holland, wir haben einen Betrieb in der Türkei aufgemacht und wir haben einen Kooperationsvertrag mit einem italienishen Weber. Außerdem kooperieren wir auch mit einem deutschen Kollegenbetrieb.

Wir müssen nicht mehr alles selbst machen. Wir pflegen unsere Schwerpunkte und lagern das aus, was woanders besser zu fertigen ist. Wobei wir das fundierte Grundwissen über Technik immer erhalten. Es wird alles hier in Deutschland entwickelt

BTH Heimtex: Noch sprechen Sie von Kooperationen -könnten daraus auch Fusionen oder übernahmen werden? Denken Sie generell darüber nach, sich über Zukäufe zu verstärken?

Delius: Wir werden Chancen ergreifen, wenn sie sich bieten und wir werden uns Zwängen stellen, wenn sie auf uns zukommen. Dabei gehen wir nicht gezielt auf die Suche nach Umsatz. Unsere Stärke war immer, dass wir uns in einer überschaubaren Größenordnung bewegt haben - und dass wir uns immer auf unsere eigenen Stärken besonnen haben.

Wir sind solide, qualitätsbewusst, aber nicht altbacken, verstehen Tradition als positiven Background, sind aber genauso aufgeschlossen für Neues. Wir haben in jeder Generation einen Strukturwandel durchgemacht. Das wird uns auch in Zukunft nicht immer erspart bleiben. Wobei wir ihn in dieser Generation schon hinter uns haben. Damit fühlen wir uns gut aufgestellt.

BTH Heimtex: Wofür?

Kramer: Für unser mittelfristiges Programm, das wir Projekt 2007 genannt haben. Darin haben wir festgelegt, was wir bis 2007 erreicht haben wollen.

Delius: Eine kurzfristige Planung nur für ein Jahr im voraus halten wir für zu kurz gedacht. Wir haben uns bis 2007 festgelegt und sind sehr anspruchsvoll: Wir planen nämlich zweistelliges Wachstum im Umsatz und im Gewinn.

BTH Heimtex: Sie haben den Strukturwandel schon hinter sich, die Branche steckt mittendrin -auf Industrie- und auf Handelsseite. Wie wird sie sich nach Ihrer Meinung entwickeln?

Delius: Wir werden wie in allen anderen Bereichen auch die Globalisierung mit all ihren positiven und negativen Folgen spüren. Positiv, weil sich die Angebotspalette erweitert, weil sich mehrMöglichkeiten ergeben - negativ, weil es Arbeitsplätze kosten wird in Deutschland.

BTH Heimtex: Und im Handel?

Delius: Im Handel wird weitere Konzentration stattfinden. Ikea und ähnliche Anbieter gehen nicht spurlos am Fachhandel vorbei. Mit Sicherheit wird es künftig dort zum einen nach ganz oben mit kleinen Mengen und hohen Margen tendieren und zum anderen nach ganz unten mit dem Massengeschäft. Und dort werden wir es mit einem Wettbewerb internationaler Art zu tun bekommen, der zu ganz anderen Kosten produzieren kann wie in Deutschland.

BTH Heimtex: Letzte Frage, ganz anderes Thema: Aus Kostengründen sparen sich immer mehr Anbieter den Messe-Auftritt.Finden Sie das richtig?

Kramer: Wir stellen uns auch immer wieder die Frage nach der Bedeutung eines Messeauftritts. Und doch glauben wir, dass gerade die Heimtextil in Frankfurt nach wie vor sehr wichtig ist aufgrund der großen Internationalität und der breiten Besucherströme.

Darüber hinaus muss man im Objektgeschäft überlegen, ob man sich mit Special Interest-Messen wie der Nürnberger Altenpflege-Messe befasst.

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Delius - das Unternehmen

Profil: Delius ist ein renommierter Hersteller von Dekorations- und Möbelstoffen, Objekttextilien und Sonnenschutz. In dem über 280 Jahre alten Unternehmen steht mittlerweile die neunte Generation an der Spitze.

Historie:
- 1722 als Leinenhandlung durch Johann Caspar Delius
- 1795 erfolgt die Umfirmierung in E.A.Delius durch Ernst-August Delius, der als erster in Bielefeld eine Band- und Zwirnfabrik errichtete
- 1830 wird unter der Leitung von Gottfried Delius neben der Produktion von Leinen mit der Seidenproduktion begonnen
- 1875 wird im Zuge der Industrialisierung die erste mechanische Spinnerei und Weberei durch Hermann Delius eröffnet
- 1887 wird die Firma durch den Geheimen Kommerzienrat Carl-Albrecht Delius umfirmiert in C.A.Delius & Söhne. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf der Produktion von Seidengeweben
- 1950 lösen Polyester-, Nylon- und Voscose- Gewebe die Seidengewebe ab.
- 1985 beginnt die Umstrukturierung der inzwischen weit diverzifizierten Firma in marktführende schlagkräftige Einzelfirmen mit der Devetex als Futterstoffproduzent, der Delcotex als Hersteller technischer Gewebe und der Delius GmbH als Anbieter von Wohn- und Objekttextilien sowie Sonnenschutzanlagen.

Sortiment: Das mehr als 4.500 Positionen umfassende Sortiment besteht aus dem Heimtextilien-Bereich, der sich an Textilverlage und industrielle Verarbeiter richtet, und aus der Contract-Kollektion mit Objekt-, Möbelstoffen sowie Blendschutz für Objekteure.

Kollektionen: Fünf - Neben einer Basiskollektion wird in Themenkollektionen gearbeitet: Contract III, die sich vornehmlich an Hotels der Mittelklasse richtet, Five Star Contract speziell auf den hochwertigen Hotelmarkt und die Funktionskollektion mit Black outs und Unis sowie mit maßgefertigten Fertigsystemen wie Rollos, Vertikallamellen, Raff- und Flächenvorhängen. Hinzu kommt die Möbelstoffkollektion. Auf der Heimtextil wird als Neuheit die S.P.A.-Kollektion für den Gesundheitsbereich Premiere feiern.

Lagerbestand: Fertigware im Wert von etwa 7 Mio. EUR

Produktion: in Bielefeld und Krefeld
aus BTH Heimtex 06/04 (Wirtschaft)