Warum der Großhandel für die Bodenbelagsbranche unerlässlich ist
Der Großhandel lebt
Gerade in konjunkturell schwächeren Zeiten wird immer wieder Sinn und Nutzen des mehrstufigen Vertriebs über den Großhandel diskutiert. Warum der Großhandel ganz klar seine Existenzberechtigung hat und auch in Zukunft haben wird, zeigt Copa-Aufsichtsratsvorsitzender Uwe Heinemann anhand seiner Entwicklung in den letzten 40 Jahren auf.
Im Umfeld der in Portugal veranstalteten Fussball-Europameisterschaft 2004 waren in Deutschland Anzeigen geschaltet worden: "Kämpfen, Deutschland, Kämpfen !" Die Copa feiert ihren 40. Geburtstag 2004 in einer Zeit, wo Minuswachstum, sinkende Beschäftigung gerade das erfolgsgewohnte Deutschland im internationalen Wettbewerb schlecht abschneiden lassen. Wie schon im Fussball muss die Devise für jeden - auch für jeden Grosshändler - lauten: Kämpfen - denn nur mit Anstrengung und Reformen findet und hält auch der Grosshandel den Anschluss an die europäische Spitze.
Copa ist dank umsichtiger Führung und ihrer Vision ein schwungvolles, jugendliches Unternehmen geblieben, das zwar in die Jahre gekommen ist, aber an der Faszination und der Grundidee nichts verloren hat. Im Umfeld der Gründungsphase gab es revolutionäre Veränderungen, die auch im Bodenbelagsbereich für große Umbrüche sorgten. Ich konzentriere mich dabei auf das Thema Bodenbeläge, da Copa mehrheitlich auf dem "Boden" steht, auch wenn einige der angeschlossenen Großhändler Tapeten, Stoffe u.v.a. im Liefersortiment haben.
In den Gründungszeiten der Copa verkaufte der klassische, alteingesessene Bodenbelagsgrosshandel neben Feltbasebodenbelägen (bedruckte Bitumenpappe) wie Stragula und Balatum für den kurzfristigen Bedarf für den privaten Konsum auch enorme Mengen an Linoleum in einen stark wachsenden Bauboom hinein. In schneller Folge gab es in den Folgejahren Produkte wie Stravinyl, Balatred, Pegufelt (Bitumenpappe bedruckt und mit PVC-Folien als Strapazierschicht) und später moderne heterogene und homogene PVC-Beläge wie die Bestseller Mipolam, Maxau-Fliesen (später Deliplast) und Pegulan; das heißt, die modernen PVC-Beläge kamen stärker ins Spiel und wurden aufgrund ihrer Pflegeleichtigkeit und der problemlosen, fachgerechten Verlegung immer beliebter.
Begleitet wurde diese Entwicklung durch einen kräftigen Boom bei Teppichboden. Begünstigt durch die ebenso schnelle wie preiswerte Tuftingtechnologie und dem Aufkommen der Nadelvlies-Beläge wie Tapisom oder Strong wurde die Nachfrage nach weicheren, schalldämmenden und isolierenden Bodenbelägen geweckt. Neben Teppichboden kamen auch weichere, fusswarme elastische Produkte auf: Zuerst die PVC-Filz- (Dubletta, Tapiflex, Plastino Filz usw.) und Synthetikvliesartikel, dann CV-Beläge. Damit rückten zugleich die eher design- und farborientierten Optiken in unserer Branche vor, den wachsenden emotionalen Anspruch und Wünschen der Nutzen an die Kreativität auf dem Boden erfüllend.
Wenn wir uns Mitte der 60iger Jahre die Angebotsstruktur eines klassischen Grosshandels anschauen, waren Sortiment und Lagerlieferprogramme sehr eingeschränkt. Wenig Farbpositionen pro Artikel und eine schnelle Umschlagshäufigkeit bei niedrigen Handelsmargen bestimmten das Tagesgeschäft.
Dann wurden durch den rasanten Anstieg der Verbrauchsmenge und des Marktanteils die Anzahl der Qualitäten und auch der Positionen enorm ausgeweitet - sowohl in PVC und CV als auch vor allem bei Teppichboden mit seinem breiten Spektrum an gestalterischen Möglichkeiten und bei Nadelvlies.
Und nicht nur das: Zugleich mutierten die Grosshändler mehr und mehr zu Systemanbietern, die neben den Bodenbelägen die kompletten Accessoires für die Vorbereitung des Unterbodens, für die fachgerechte Verklebung, d.h. Verarbeitung und Werterhaltung der Produkte, im Lieferprogramm führen.
In den letzten 10 bis 15 Jahren haben dann noch neue Produktfelder wie Laminate, Holz- und Parkettböden erfolgreich ein großes Stück aus dem Markt erobert und das Sortiment des Grosshandels nochmals erweitert.
Vom Großhandel zurück zur Copa. Was war ursprünglich das Motiv für die Gründung der Großhandelskooperation? Ludwig Erhardt hat in einem Statement in Gegenüberstellung zu Markt- und Planwirtschaft gesagt, dass in einer Marktwirtschaft die Ware dem Käufer nachläuft, in der Planwirtschaft der Käufer der Ware.
In den 60er Jahren war es ähnlich. Bedingt durch den Bauboom und auch wegen fehlender Rohstoffe gab es damals unglaublich lange Lieferzeiten von mehreren Monaten, etwa bei Linoleum, aber auch bei Mipolam, also homogenen oder heterogenen Bodenbelägen. Die damaligen marktführenden Hersteller konnten sich sogar ihre Verteiler, sprich ihre Großhändler, aussuchen.
So vollzog sich bis Ende der 60iger Jahre eine Vermehrung der Grosshändler, weil sich neben den alteingesessenen, klassischen Bodenbelagshäusern der Baustoffgroßhandel - sehr früh schon mit Mipolam aktiv -, der Holzhandel, der Tapeten-und Farbengroßhandel und nicht zu vergessen die Genossenschaften des Handwerks - insbesondere der Maler - und des Handels in die Verteilungskette eingliederten.
Darüber hinaus gab es noch eine große Zahl traditioneller Heimtextilien-Großhändler, die vorwiegend mit abgepassten Teppichen, gewebten Teppichböden und Stoffen groß geworden waren und verbissen ihre Lieferantenstrukture verteidigten - insbesondere bei gewebten wie getufteten Teppichböden.
Ich kann mich gut erinnern, dass viele Bodenbelagshersteller, die zum Teil noch heute am Markt operieren, erst Ende der 60iger, Anfang der 70iger, manche auch noch viel später, den Bodenbelagsgroßhandel, den Holzgroßhandel und den Baustoffgroßhandel nur zögerlich belieferten. Insofern hatte das damalige System auf Grund der fehlenden Kapazitäten bei hoher Konsumentennachfrage fast planwirtschaftliche Ansätze; das heißt, die Käufer, sprich auch der Großhandel, sind der Ware oder dem Lieferanten hinterher gelaufen.
Ab der zweiten Hälfte der 70iger, verstärkt in den 80iger Jahren bis in die heutige Zeit, zeichnete sich eine Zunahme der "natürlichen" Feinde des Großhandels ab: Zum Beispiel die verstärkte Präsenz der Baumärkte und Mischformen von agressiven Fachmärkten, die mehr und mehr versuchen, die wichtigsten Großhandelsabnehmer - Fachhandel und Handwerk - zu verdrängen.
Durch die Konzentrationsbemühungen über Einkaufsgruppierungen des Handels und Handwerks - es gibt auch heute noch viele Beispiele dieser Einkaufskooperationsgruppen im Markt - wurde der Grosshandel gezwungen, Schulterschluss mit Kollegenbetrieben im Einkauf und Marketing zu suchen und immer enger zu kooperieren, um seine Kräfte für den Kampf im Markt zu bündeln. Das ist gelungen: Mit hohem Aufwand in der Bemusterung, Verkaufsförderung mit Kundenbindungsmodellen und tiefgestaffelten Sortimenten in allen Variationen, hat sich der Grosshandel erfolgreich behauptet, was sich an seinem stabilen Marktanteil ablesen lässt. So konnten sich in weiten Teilen das mittelständische Fachgeschäft und das Handwerk über die breite Sortimentsstruktur und das schlagkräftige Serviceangebot ihrer Großhandels-Lieferanten im Markt eine gefestigte Position erobern.
Schon allein daran lässt sich die Existenzberechtigung des Großhandels ablesen. Wie würde denn der Markt heute aussehen, wenn es keinen mehrstufigen Vertrieb über den Großhandel geben würde?
Logischerweise hätten alle Bodenbelagshersteller einen Direktvertrieb mit erheblichen Transaktionsaufwendungen organisieren müssen. Ich will das auch vorrechnen: Um das heutige Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern in der Kleinverteilung über ca. 25.000-30.000 Verkaufsstellen und aktiven Kunden zu erreichen, braucht man eine enorme Aussendienstkapazität - viel höher, als sie aktuell bei der Industrie ist. Selbst wenn wir die Kundenzahl auf die sogenannten industriefähigen Einzelhändler oder Handwerksbetriebe mit einem Anteil von 10% reduzieren, bleiben 2.500 bis 3.000 Zielkunden. Allein die Betreuung einer derart großn Kundengruppe erfordert für jeden Lieferanten mindestens 25 bis 30 Außendienstmitarbeiter. Ganz abgesehen davon, dass sich nur große Unternehmen überhaupt eine solche Mannschaft leisten können, ist es insofern kaum sinnvoll, weil sie im Vergleich zu einem Großhändler über ein produktbedingt sehr eingeschränktes Angebot verfügen.
Selbst wenn alle Copa-Lieferanten oder alle vermutlich mehr als 200 bis 300 europäischen Bodenbelagshersteller und Zulieferanten für Hilfsstoffe diese sogenannten industriefähigen Kunden direkt beliefern wollten, würde dies bei einer regelmäßigen Betreuung die Transaktions- und Vertriebskosten ins Ungeheuerliche steigen lassen.
Dies ist der Grund, dass der Grosshandel in unserer Branche überlebt und so modern ist, wie er sich heute am Markt präsentiert - trotz aller Verunsicherung, denn gerade in konjunkturschwachen Zeiten wird immer wieder die Existenzfrage diskutiert.
Es gehört zu dem Selbstverständnis eines professionell agierenden Grosshandels, dass neben dem tiefgestaffelten Sortiment die eigene Handschrift als Systemlieferant erkennenbar ist. Die auf die jeweiligen Kundenzielgruppe abgestimmte Sortimentspolitik, die eigene Lagerhaltung, der umfangreiche Lieferservice, die Betreuungsqualität durch Reisende und den Verkaufsinnendienst, die Kollektions- und Verkaufsförderung sowie die Weiterbildung der Mitarbeiter und Kundenschulung, Service und raumüberbrückende Grosshandelsfunktionen sind unerlässlich, um die Transaktionskosten zum Vorteil aller Marktteilnehmer in unserer Branche in Grenzen zu halten.
Deshalb ist die Arbeitsteilung zwischen der Industrie und dem Grosshandel so wichtig und bedeutsam. Nur die Bündelung der Serviceleistung - insbesondere in Kombination mit den gesamten Produkten für die Verarbeitung und Pflege der Bodenbeläge - haben das Überleben in letzten und teils auch schwierigen 40 Jahren gewährleistet. Dies ist eine gute Voraussetzung für die Zukunft...
aus
BTH Heimtex 09/04
(Wirtschaft)