Über die Notwendigkeit des elektronischen Artikelstammdaten-Austauschs
Der Laptop mit der aktuellen Warenwirtschaft im Gepäck wird zur Selbstverständlichkeit
Stets hat sich der Bodenbelagsgroßhandel den Marktveränderungen angepasst, nur beim digitalen Artikelstammdaten-Austausch hinkt er hinterher, meint Hartmut Plümer, Geschäftsführer des Großhandelsverbandes Heim & Farbe und zeigt auf, warum die digitale Kommunikation in diesem Bereich so wichtig ist und wie der Großhandel davon profitieren kann. Der GHF und die Copa unterstützen den Aufbau einer derartigen Datenaustausch-Organisation.
Seit der Copa-Gründung im Jahre 1964 hat sich der Großhandel vielen Marktveränderungen angepasst. Die Gründung von Kooperationen war dabei sicherlich nicht die unbedeutendste Anpassung. Der Großhandel war derzeit atomisiert und die Hersteller stark. So war eine solche Zweckgemeinschaft, auch wenn sie später als Rabattsammelvereinigung diskreditiert wurde, ein betriebswirtschaftlich richtiger und notwendiger Schritt. Mit erweiterter Zielsetzung gilt das auch noch für heute, was man unschwer an der derzeitigen Kooperation der Kooperationen mit unterschiedlicher Sortimentsgewichtung erkennen kann.
Die Anpassung an Produktinnovationen der Hersteller hat der Großhandel als Mittler immer sehr schnell und erfolgreich vorgenommen. Ob es sich dabei um Laminat, Fertigparkett, Korkbeläge, wasserverdünnbare Kleber oder speziell ausgerüstete Teppichböden und Textilien handelte, immer hat der Großhandel seine Mitarbeiter und seine Kunden auf diese neuen Produkte geschult und Vertriebspolitik und Logistik darauf eingestellt. Viele Verarbeitungsseminare sind mit Unterstützung der Industrie an den verschiedensten Orten und zu vielen Anlässen durchgeführt worden, um das erforderliche Wissen in der Vertriebskette weiterzureichen. Der Großhandel ist seiner Vertriebsaufgabe immer sehr schnell nachgekommen. Denn hier schlägt sein Herz.
Die Anpassungen auf technischem Gebiet, soweit sie nicht der engeren Logistik zuzurechnen sind, erfolgten dagegen eher zurückhaltend. Das gilt sicherlich nicht für Plug-and-play-Produkte wie Fax-Gerät, Handy und GPS, aber auf Einsatzfeldern, wo spezielles Fachwissen erforderlich war, namentlich in der EDV und der späteren Bürokommunikation. Dieses war anfänglich nur bei großen Händlern in ausreichendem Maße vorhanden, da es sehr teuer war. Ein Vollzeit-Mitarbeiter hätte viele Gehaltsstrukturen gesprengt, und ein Externer war für die Erstellung ganzer Projekte und deren Pflege kaum bezahlbar. Darüber hinaus war die Abhängigkeit von einem Mitarbeiter mit Herrschaftswissen gewöhnungsbedürftig.
Das hat sich in den letzten 10 Jahren zum Positiven verändert. Da die Handhabung des PC und der gängigen Office-Anwendungen mittlerweile zu den Kulturtechniken gehören, hat die Einsicht in die Bedeutung der betrieblichen Informationsverarbeitung als Rationalisierungsinstrument für Verwaltung und Kommunikation deutlich zugenommen. Vorbei sind die Zeiten, da der Neffe vom Chef für die Auftragserfassungs-Programme zuständig war. Inzwischen hat der Großhandel EDV-Systeme im Einsatz, die modernen Ansprüchen genügen. Das bedeutet nicht, dass der eine oder andere Softwarehersteller dem harten Wettbewerb auf Dauer gewachsen blieb.
Kommunikationstechnisch sind alle Großhändler ans Internet und damit ans weltweite Informations- und E-Mail-Netz angeschlossen. Fast alle GHF-Mitglieder sind im Internet präsent, die Hersteller sowieso.
Auch der Startschuss für den digitalen Prozessdatenaustausch ist längst gefallen und viele Marktteilnehmer - Großhändler und Hersteller - unserer Branche verwenden bereits den genormten und standardisierten Austausch von Bestellungen und Rechnungen. Die Vorteile sind bekannt und die Abläufe organisatorisch beherrschbar. Von der elektronischen Bestellung profitiert der Hersteller, von der Rechnung und dem Lieferschein der Großhändler - wenn er eine EDV-gestützte Bestellschreibung und Rechnungsprüfung hat.
Sehr selten finden wir dagegen den Austausch von Artikelstammsatz-Informationen, da hierfür exakte organisatorische EDV-Abläufe beim Hersteller erforderlich sind. Der Großhändler ändert bei so einem Austausch maschinell "nur" seinen Artikelstammsatz, der Hersteller muss dagegen alle benötigten Informationen möglichst zeitgleich aus vielen Abteilungen zusammentragen und an den Großhandel übermitteln, direkt oder über einen Pool: Beschreibung, Bruttopreis, Preiseinheit, EAN-Nr., eigene Artikel-Nr., Verpackungseinheit, ggf. diverse Gefahrstoffkennzeichen, digitale Abbildungen, technische Merkblätter und Sicherheitsdatenblätter.
Vor dem Hintergrund der - bei allem Optimismus - noch zu geringen Zahl von EDI-Anwendern, scheut die große Zahl der Großhandels-Lieferanten den Kraftakt einer konsequenten digitalen Stammdatenübermittlung, wobei zugestanden werden muss, dass der Großhandel diese auch in der Vergangenheit nicht vermisste.
Was spricht für einen digitalen Artikelstammdaten-Austausch?
Nun fordert der GHF im Verbund mit Copa und der Farbengroßhandels-Kooperation VFG diesen Artikeldatenaustausch immer lauter und deutlicher mit folgender Zielsetzung:
1. Prozessoptimierung
Die immer wiederkehrenden, gleichförmigen Aufgaben der Artikelstammdatenverwaltung aufgrund von regelmäßigen Preisänderungen, Artikel-Löschungen, Neueinführungen und Bezeichnungsänderungen rufen aus ablauforganisatorischer Sicht gerade zu nach einem automatisierten Austausch. Der ist fehlerloser, schneller und billiger als eine manuelle Verwaltung, mindestens für die Daten, die die klassischen Vorgänge wie Bestandsführung und Bestellschreibung betreffen.
2. Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen
Der Farbengroßhandel und der mit Klebstoffen und Ausgleichsmassen handelnde Bodenbelaghandel müssen jederzeit in der Lage sein, auf Verlangen den entsprechenden Behörden ein Gefahrstoffkataster vorzulegen und den Nachweis über korrekte Ladepapiere bei Gefahrguttransporten zu führen.
Beide Unterlagen müssen auf jeweils aktuellen Gefahrenmerkmalen basieren, die sich leider regelmäßig durch Novellierung der betreffenden Verordnungen ändern.
Die Einstufung und Auszeichnungspflicht der betreffenden Produkte obliegt dem Hersteller. Sie sind Bestandteil der Sicherheitsinformationen, die der Hersteller an seine gewerblichen Abnehmer aus Großhandel undHandwerk zu liefern hat.
Der Handel erhält die Daten zwar früher oder später in Form von Sicherheitsdatenblätter, die vielfach sogar im Internet vorliegen, nur sind die benötigten Informationen nicht strukturiert, d. h. aus dem Text kaum maschinell zu extrahieren. Außerdem muss jeder Händler diese Blätter auf die obengenannten Gefahrenklassen durchsuchen und die gefundenen Werte weiterhin umständlich in seine Warenwirtschaft übertragen.
Wie viel leichter, eindeutiger und effizienter wäre es, wenn diese relevanten Daten per Artikeldatenaustausch für den GH bereitstünden...
Die letzte Novelle der GGVSE hat derart viele Veränderungen in der Gefahrgut-Klassifizierung verursacht, dass der Ruf nach automatisierter Übertragung lauter geworden ist.
3. Qualifizierung
Ein weiterer Grund für die Forderungen des Handels nach mehr Produktinformationen basiert auf seinem Selbstverständnis als Problemlöser, der für diese Aufgabe das Produkt-Know-how nicht nur im Kopf haben muss.Er benötigt die Daten in digitaler Form für die Erstellung von Artikelkatalogen und für qualifizierte Web-Auftritte. Und auch für Unternehmen, die von solchen Anwendungen noch entfernt sind, sollten produktspezifische Detailinformationen für Verarbeiter, Bauherren und Dritte jederzeit für den Innen- und Außendienst abrufbar sein.
Wie kann man dem Vorbehalt, dass der Großhandel nicht das Detailwissen über von ihm vertriebene Produkte hat wie der Außendienst des jeweiligen Herstellers, leichter begegnen, als dass der Großhandel eben die Daten fordert, die der Hersteller im Internet für jedermann bereithält, nur nicht für die Systeme des Großhandels? Damit hat er sie zwar noch nicht "verarbeitet", aber zumindest schnell verfügbar.
Wenn heute bereits jedem Internetanwender alle technischen Informationen eines Teppichbodens angeboten werden - zum Beispiel von Vorwerk, warum fordert der Großhandel diese nicht auch für sich, aber in formatierter und damit selektierbarer Form?
Die Qualifizierung im Großhandel sollte weiter gehen als die Einlagerung eines bestimmten Anteils an Teppichsiegel-Ware und notwendigen Zertifikaten aus Aachen. Denn die zukünftigen Aufgaben werden umfangreicher, qualifizierter und vertriebsorientierter. Der Laptop mit der aktuellen Warenwirtschaft im Gepäck wird zur Selbstverständlichkeit.
4. Aufgabenerweiterung
Beispielhaft soll hier auf eine anstehende Veränderung im Bereich der privaten und öffentlichen Ausschreibungen hingewiesen werden. Diese haben ein derartiges Volumen angenommen, dass die Öffentliche Hand und Großunternehmen alles unternehmen, dieses gigantische Ausmaß um wenigstens wenige Prozente zu verbilligen
- Zum einen wird der Wettbewerb der Anbieter durch eine vermehrte Öffentlichkeit und leichtere Zugänglichkeit der Ausschreibung über das Internet verstärkt.
- Eine neue Bietersoftware ermöglicht die maximale Automatisierung aller Prozessabschnitte einer Ausschreibung/Auktion. Die Erstellung der Projektbeschreibung und der Leistungsverzeichnisse sowie deren Veröffentlichung erfolgt mit im Internet bereitgestellten Programmen. Damit soll mehr Anbietern - Handwerkern und Großhändlern für ihre Handwerker - eine Teilnahme mit geringem Aufwand ermöglicht werden. Die Verfahren werden sowohl von entsprechenden Vorschriftenänderungen in der VOB, der Vergabeordnung als auch durch die Aufforderungen des Bundes zur Teilnahme an dem neuen Bieterverfahren flankiert ( www.evergabe-online.de ).
Die Leistungsverzeichnisse werden Hersteller unabhängiger, d. h. objektiver, und damit die einzelnen Baustoffe technisch vergleichbarer. Dazu bedarf es DIN-genormter Merkmalslisten für alle VOB-relevanten Baustoffe, deren gewünschte Ausprägung in die Leistungsbeschreibung eingeht.
Hier schließt sich wieder der Kreis: Solche Merkmale sind wesentlicher Inhalt von Produktdatenbanken wie Heinze Bau Office, weil Planer und Architekt diese Informationen benötigen. Über solche technischen Informationen Auskunft zu geben oder auch nach diesen Kriterien konkrete Produkte aus dem eigenen Sortiment zu selektieren, ist eine wichtige Großhandels-Funktion. Ohne diese digitalen Informationen in seinem Artikelstammsatz ist die Antwort auf eine differenzierte Anfrage seiner Kunden vor dem Hintergrund einer derartigen Leistungsanforderung nur über das mühsame und zeitaufwendige Wälzen von Prospektmaterialien und Katalogen machbar. Das ist nicht die Zukunft - im Gegenteil.
Die Entwicklung solcher Ausschreibungssoftware ist soweit gediehen, dass sie alle Anbieterprozessschritte hochgradig unterstützt, wenn die Leistungsverzeichnisse bereits mit derselben Systemsoftware erstellt wurden.
Der Zufall wollte es, dass das Softwarehaus GSE vor Jahren mit der ehemaligen FHG-Tochter Logos die Bodenbelagsdatenbank Dativa übernahm. Diese Datenbank enthielt bereits für qualifizierte Anfragen viele der obengenannten technischen Merkmale. Diese wurden und werden z. Z. weiterhin gepflegt, so dass für diverse Copa-Mitglieder, die die Anwendungssoftware des betreffenden Softwarehauses einsetzen, die Prozessschritte Produktrecherche und Kalkulation mit den im eigenen Bestand vorhandenen Bodenbelägen und Randprodukten möglich ist.
Natürlich erfolgt die Einführung eines solchen Verfahrens nur kontinuierlich im Zeitablauf. Daher ist der heute im Internet einsehbare Bestand an Ausschreibungen mit angehängten normierten Leistungsverzeichnissen noch relativ klein. Aber die Nutzung der Software zur Erstellung des Leistungsverzeichnisses für "alte" konventionelle Ausschreibungen ist zu Grenzkosten zu mieten, so dass die Möglichkeit besteht, die für den Handwerker aufwendige Erstellung der rechtskonformen Angebotsabgabe zu automatisieren: durch die Internetsoftware, die er selbst oder sein Großhandel für ihn als Service nutzt.
Hier soll keine Lanze für diese Software gebrochen, bestenfalls auf ein sich für den Großhandel aufgrund neuer Verfahrenstechniken erschließendes Tätigkeitsfeld hingewiesen werden, das er zur Zeit kaum bedient.
Auch dieses Anwendungsbeispiel stützt die Notwendigkeit von zusätzlichen technischen und bildhaften Produktinformationen für den Großhandel. Ob er sie dann zur Erstellung von Print-Katalogen, qualifizierten Internetauftritten oder nur als Grundlage für eine qualifizierte Fachberatung benötigt, ist eine Frage der Priorität. Für den Aufbau einer solchen Daten-Austauschorganisation sollten sich die Kooperationen durchaus verpflichtet fühlen.
aus
BTH Heimtex 09/04
(Wirtschaft)