Der Fall Südbund

Selbstbedienungsladen

"Wir gestalten schöne Lebens(t)räume. Wir führen den Markt. Wir werden auch in Zukunft der kompetente Partner für den mittelstandsgeprägten Fachhändler und Fachhandwerker im Bereich Wohntextilien sein. Wir konzentrieren uns auf ein anspruchsvolles Sortimentsportfolio und generieren mit unseren Produkten und Dienstleistungen unseren Fachhandelspartnern einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung. Wir sind für unsere Mitglieder da und stellen uns täglich die Aufgabe, in allem, was wir tun, den Bedürfnissen der Südbund-Partner unter Berücksichtigung des Marktes gerecht zu werden."

Die Zitate beschreiben die Idee des Südbundes, festgehalten in seinem Geschäftsbericht 2002. Die Idee des Südbundes ist richtig und gut: Ein genossenschaftlich geführter, marketingorientierter Verbund für Fachhändler und Raumausstatter mit einem vielfältigen, exklusiven Sortiment und umfassendem Service- und Dienstleistungsangebot. Das fanden offenbar auch die Mitglieder, denn mit 695 Anschlusshäusern (Stand 31.12.2002) war der Südbund die größte Raumausstatter-Kooperation Europas und immerhin knapp die Hälfte davon gehören dem Südbund schon seit über 20 Jahren an.

Schöne heile Südbund-Welt - und sie könnte immer noch so schön sein, wenn an der Spitze der Genossenschaft Manager gestanden hätten, die - betriebswirtschaftliche - Probleme frühzeitig erkannt und rechtzeitig gegengesteuert hätten und die der Selbstbedienungs-Mentalität einiger Mitglieder des Aufsichtsrats Einhalt geboten hätten.

Denn nicht die Idee des Südbunds ist falsch - er ist nur falsch geführt worden, zu Lasten der überwiegenden Zahl der Mitglieder, die jetzt die Zeche bezahlen müssen.

Südbund-Krise hat sich schleichend entwickelt

Tatsache ist: Der Südbund ist nicht plötzlich in ein Finanzloch gestürzt, die Krise hat sich schleichend entwickelt. Zu den externen Faktoren wie dem rückläufigen Markt und zunehmendem Wettbwerb kamen interne Problemfelder hinzu:
- das aufgeblähte Lager mit zu hohen Beständen und zu geringer Drehung
- zu hohe Personalkosten,
- Finanzdienstleistungen wie die Smart-Reg-Regelung, die zu vielen wirtschaftlich schwächeren Mitgliedern Ratenzahlung bei Forderungen gewährte oder die Sonderzuwendungen für das Mitglied Weiß in Pirmasens, sprich das Sale & Lease-Back-Geschäft mit der Weiß-Immobilie. Diese Finanzdienstleistungen waren kaum transparent, weil sie nicht über den Südbund selbst, sondern die Tochtergesellschaft Südconcept abgewickelt wurden, die offiziell als Aus- und Weiterbildungsinstrumentarium fungierte.
- Und nicht zuletzt war das Debitoren-Management des zentral regulierenden Südbunds völlig unzureichend. Die Höchstkredit-Grenze für die Lieferanten-Kredite ging auf eine Beschlussfassung aus dem Jahr 1977 zurück (!) und orientierte sich an einem halben des jeweiligen Mitglieds. Das ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Zudem war der Zeitraum zwischen Auszahlung und Einzahlung viel zu lang: Das Geld wurde nur halbmonatlich eingezogen, was die Liquidität des Südbundes unbotmäßig belastete, da die Genossenschaft selbst die Lieferanten in der ersten Kondition bezahlt.

Kaufmännische Kompetenz hat gefehlt

Es gibt Mitglieder, die diese mangelnde Debitoren-Kontrolle ausgenutzt haben. Gerade aus dem Aufsichtsrat scheinen sich einige bedient zu haben. Uns sind Informationen zugetragen worden, nach denen führende Köpfe des Aufsichtsrats überdimensionale Summen an Lieferantenkrediten offen stehen haben sollen: Beim Vorsitzenden Horst-Günter Döll ist von fast 1 Mio. EUR die Rede, bei seinem Stellvertreter Friedrich Lauton von über 400.000 EUR. Was passiert, wenn es bei einem oder gar beiden von ihnen eng wird? Beide sind stark im Objektgeschäft engagiert und jeder weiß, wie schnell dort heutzutage Forderungen ausfallen ausfallen können. Und Döll soll gerade noch "zu einem sehr aggressiven Preis" ein Großobjekt für über 100.000 EUR in Frankfurt akquiriert haben, von dem wir nicht wissen, ob es in der oben genannten Summe schon enthalten ist...

Die finanziellen Schwachstellen müssen für einen Kaufmann bereits seit einiger Zeit aus den Zahlen erkennbar gewesen sein. Diese kaufmännische Kompetenz war aber beim Südbund offenbar nicht vorhanden - obgleich es 2001 den ersten Warnschuss gab: Mit einer Kapitalerhöhung wurde die sich damals abzeichnende Delle ausgebügelt. Weiter scheint man nicht reagiert zu haben, obgleich der Vorstand im Editorial des Geschäftsberichts 2002 schreibt, dass "einschneidende Strukturmaßnahmen" eingeleitet worden seien.

Der Aufsichtsrat weist alle Schuld von sich. "Keiner wusste etwas, keiner hatte eine Ahnung und die Dimension der Katastrophe war zu keiner Zeit abzusehen", gibt ein Südbund-Mitglied die Haltung des Aufsichtsrats auf der außerordentlichen Generalversammlung am 15. November wieder. Danach hat Aufsichtsratsvorsitzender Döll nach Augenzeugen-Berichten auf der Versammlung mehrfach ausdrücklich erklärt, dass er selbst "von der Entwicklung überrascht worden sei". Dem Aufsichtsrat wäre bis zuletzt alles in den besten Farben geschildert worden und sie hätten den Eindruck gehabt, dass alles in bester Ordnung sei.

Unfähigkeit oder Realitätsverlust?

War es Unfähigkeit oder Realitätsverlust, dass die Verantwortlichen die Schwachstellen des Südbunds nicht erkannt haben? Ein Aufsichtsrat muss in der Lage sein, so etwas zu erkennen, sonst darf er seine Funktion nicht annehmen. Er kann sich auch nicht damit herausreden, dass der alte Vorstand Müller seine Informationspflicht versäumt habe. Im Bericht des Aufsichtsrates im Jahresabschluss 2002 des Südbunds steht:

"Im Geschäftsjahr 2002 wurde gemeinsam mit dem Vorstand vier Sitzungen durchgeführt, in welchen der Vorstand über alle Bereiche seiner Tätigkeit Bericht erstattete. Der Vorstand hat uns im Wesentlichen über die wirtschaftliche Lage der Genosssenschaft, übe wichtige Geschäftsereignisse und über die Unternehmensplanung informiert. Zwischen den Sitzungen berichtete er schriftlich und telefonisch über wichtige Vorgänge. Darüber hinaus wurde der Vorsitzende des Aufsichtsrats vom Vorstand laufend über wesentliche Entwicklungen und Entscheidungen unterrichtet.

Der Aufsichtsratsvorsitzende war bei allen Vorstandssitzungen anwesend und konnte die Beschlüsse des Vorstands beratend begleiten.

...Der vom Vorstand erstellte Jahresabschluss 2002 sowie der Lagebericht wurden durch den Württembergischen Genossenschaftsverband Raiffeisen/ Schulze- Delitzsch gemäß § 53 GenG geprüft und mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen.

(Stellt sich die Frage, ob hier nicht auch der Geno-Verband nach seinen Erfahrungen mit der Wümeg-Pleite 2002 aufmerksamer hätte sein müssen.)

Der Prüfungsbericht lag allen Mitgliedern des Aufsichtsrats vor und wurde in der Jahresabschluss-Sitzung des Aufsichtsrats...in Gegenwart des Abschlussprüfers umfassend behandelt.

In dieser Sitzung hat der Vorstand den Abschluss erläutert und detailliert über Umfang, Schwerpunkte und Kosten der Abschlussprüfung berichtet. Dem vom Vorstand vorgelegten Bericht, dem Jahresabschluss 2002 sowie dem Lagebericht stimmen wir in vollem Umfang zu."

Was Vorstand und Aufsichtsrat über Jahre hinweg nicht bemerkt haben, stellte der neue Vorstand Jörg-Andreas Grundmann innerhalb weniger Tage fest, wie er auf der außerordentlichen Generalversammlung sagte.

Er zog als Konsequenz die Fides Management Consultants hinzu, um den Südbund mit einem Konzept zur Restrukturierung und Neuausrichtung aus seiner "existenzgefährdenden Krise" zu führen. Mit der Bremer Unternehmensberatung, die auf Turnaround- Management spezialisiert ist, hatte Grundmann bereits bei der norddeutschen Dachdecker- Genossenschaft zusammen gearbeitet, bei der er zuvor angestellt war.

Südbund-Situation 2003

Fides analysierte zunächst die aktuelle Situation: Danach ergibt sich laut einer Hochrechnung für 2003 bei einem um 7% rückläufigen Markt ein Umsatzrückgang um 8,1% auf 120,2 Mio. EUR, ein Roh-ergebnis von 6,5 Mio. EUR (-0,7%). Bei einem leicht erhöhten Personalaufwand, etwas niedrigerer Forderungsbewertung und einem mehr als verdoppelten außerordentlichen Aufwand ergibt sich eine Liquiditätslücke von 5 Mio. EUR. Davon sind 1,9 Mio. EUR operativer Verlust, 3,1 Mio. EUR sind auf außerordentliche Belastungen zu-rückzuführen - darunter 1,4 Mio. EUR auf den Fall Weiß und 1,8 Mio.EUR für Restrukturierungsaufwand.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass in diesem Restrukturierungsaufwand auch das Salär für Fides enthalten ist, dass Insider auf 100.000 EUR monatlich beziffern. Wenn Fides längere Zeit für den Südbund tätig ist, - "bis 31. März auf jeden Fall", beantwortete Grundmann unsere entsprechende Anfrage - kommen einige Hunderttausende EUR allein für Beratungskosten zusammen.

Kurzfristiger "erheblicher Veränderungsbedarf"

Fides konstatierte einen "erheblichen Veränderungsbedarf" und das auch noch in kurzer Zeit, wobei klar herausgestellt wurde, dass die Krise "ohne Beiträge aller" nicht überwindbar sei und "wesentliche eigene Liquiditätsmaßnahmen" erforderlich seien.

Die Verluste zeigten "weitreichenden Handlungsbedarf":
- Anpassung Personal- und Sachkosten,
- Trennung von Verlustbereichen
- Neue Organisations- und Führungsstruktur und eine
- Stabilisierung der Leistungsseite.

Nach der Restrukturierung stellen die Berater eine Ertragswende für 2005 in Aussicht: Dann wollen sie laut Business-Plan bei einem Umsatz von 99,1 Mio. EUR
ein Ergebnis von 0,5 Mio. EUR einfahren, entsprechend 0,5% vom Umsatz.

Acht Projekte seien bereits zur Restrukturierung aufgesetzt, berichtete Grundmann vor der außerordentlichen Generalversammlung:
- Konsolidierung des Lagers
- Neuordnung der Führung
- Stabilisierung der Leistung
- Steigerung der Marge
- Senkung der Personalkosten
- Debitorenmanagement
- Kürzung des Sachaufwandes
- Untersuchung des Themas Weiß. Dazu findet eine Sonderprüfung statt.

Erste Umsetzungserfolge seien bereits erreicht, trug Grund-mann weiter vor:
- Liquidität kurzfristig gesichert
- Überbrückungsfinanzierung mit den Banken erreicht
- Interessensausgleich und Sozialplan kurzfristig abgeschlossen
- Weitgehender Weihnachtsgeldverzicht mit den Mitarbeitern vereinbart und
- das Warenlager um 0,3 Mio. EUR reduziert

Auch die wesentlichen Eigenkapitalbeiträge seien gesichert: über den Mitarbeiterbeitrag und die Kapitalerhöhungen aus 2001 und 2003 sowie ein erwartetes positives Ergebnis von 0,6 Mio. EUR für den Zeitraum von September 2004 bis Dezember 2005 soll die Eigenkapitalquote auf 13% steigen.

Das wird neu beim Südbund

Das ist die finanzwirtschaftliche Seite der Restrukturierung. Darüber hinaus hat Fides weitere Maßnahmen geplant, mit denen sich der Südbund "vom Verband zum Unternehmen" wandeln soll.

1. Bonusverzicht und neue Bonus-Regelung: Vorgesehen sind eine Reduzierung der Bonusarten, eine klare Definition der Bedingungen, die Nachvollziehbarkeit im Jahresverlauf, ein Bezug zu wirtschaftlichen Erfolgsgrößen wie dem Umsatz, eine Koppelung an Lieferanten-Boni, eine Verbeserung der Anreizwirkung und
die Berücksichtigung von Sonderaktionen. Qualitative Bestandteile wie die Honorierung des Besuchs der Hausmesse wird es nicht mehr geben.

2. Neues Betreuungskonzept: Der Außendienst bleibt erhalten, soll sich aber "vom Posten-Verkäufer" zum "Betreuer der Mitglieder und ihrer Bedürfnisse, auch zum Informationsmanager" wandeln. Dazu wird ihm ein Vertriebs-Innendienst zur Seite gestellt und die jeweiligen Außendienst- Mitarbeiter werden in ihrer Region ergebnisverantwortlich agieren.

3. Regelung Gebietsschutz und Nichtmitglieder: Der Gebietsschutz bleibt erhalten, wird aber modifiziert. "Wohl kann es nicht angehen, dass sich in einer Straße mehrere Südbund-Häuser befinden, es kann aber auch nicht mehr angehen, dass beispielsweise keinerlei Rücksicht auf die Einwohnerzahl eines Ortes genommen wird, in dem es ein Südbund-Haus gibt".

4. Straffes Debitoren-Management: "Die Südbund-Gemeinschaft wird künftig keine schwachen Debitoren mehr durchfüttern". Dazu werden vier Schritte unternommen:
- Die Risikobewertung schließt unter anderem den Überblick über die Gesamtforderungen und die Einstufung der Bonität der Mitglieder ein
- Es werden Regeln für das Neugeschäft (Abbuchung in Skontofrist), die Kreditobergrenzen sowie Delkredere-Entzug und Lieferstopp definiert
- Smart-Reg wird nur noch für die Ratenrückführung genutzt und ist für Neugeschäft nicht mehr anzuwenden
- Altforderungen werden eingetrieben, indem konsequent über die Rückführung verhandelt, Ratenzahlungen und Sicherheiten gefordert und gegebenenfalls Lieferstopp/ Delkredere-Entzug verhängt werden.

5. Veränderte Zahlungsbedingungen: Der Einzug bei den Mitgliedern erfolgt dekadenweise und nicht mehr halbmonatlich

6. Änderung Leistungsprogramm und Preisbildung
Für die Mitglieder bedeutet dies alles einen harten Schnitt. Anstatt langsam auf die Veränderungen hingeführt zu werden, müssen sie sich extrem kurzfristig auf eine völlig neue Situation einstellen, die Opfer und Zugeständnisse von ihnen fordert. Und für die sie überwiegend nicht einmal selbst verantwortlich sind.

Dennoch stehen die Mitglieder solidarisch zum Südbund. Dass manche verstört oder verärgert angesichts der Ereignisse und daraus für sie resultierenden Folgen reagieren, ist verständlich.

Vom Vorstand ist jetzt Fingerspitzengefühl gefordert. Er muss einerseits das Restrukturierungskonzept konsequenz durchziehen, andererseits Integrationskraft zeigen und Vertrauen aufbauen. Das gilt im Übrigen nicht nur gegenüber den Mitgliedern, sondern auch den Mitarbeitern.
aus BTH Heimtex 12/03 (Wirtschaft)