Südbund Einkaufsverband für Heimtextilien eG

Südbund Stationen der Krise 2003


14./ 15. Juni: Auf der Gesellschafterversammlung in Bremen legen Aufsichtsratsvorsitzender Horst-Günther Döll und hauptamtlicher Vorstand Thomas Müller die Bilanz 2002 des Südbundes vor. Die Zahlen sind nicht besonders positiv. Vor allem müssen sie den Mitgliedern einen Jahresfehlbetrag von 1,6 Mio. EUR verkaufen, von dem 1,2 Mio. EUR im operativen Geschäft entstanden sind und 0,4 Mio. EUR durch außerordentliche Belastungen. Der Verlust wird komplett aus den freien Rücklagen gedeckt - die damit erschöpft sind -, um nicht die Bonus-Auszahlungen an die Mitglieder anzugreifen.

Weitere Kennzahlen des Geschäftsjahres 2002: Der Umsatz schrumpfte um 8,9% auf 128,3 Mio. EUR, der Rohertrag verminderte sich um 1,3 auf 7,3 Mio. EUR. Im Gegenzug sind allein die Verbindlichkeiten aus Zentralregulierung und Delkredere von 3,2 auf 3,8 Mio. EUR gestiegen, die durchschnittliche Debitorenlaufzeit hat sich von 24,9 auf 27,8 Tage verlängert.Das ist allerdings kurz im Vergleich zur durchschnittlichen Debitorenlaufzeit im Großhandel, die mindestens bei 42 Tagen liegen dürfte. Boni und Rabatte summierten sich auf 3,5 Mio. EUR.

Per 31.12.2002 zählte der Südbund 695 Mitglieder (30 Abgänge, 26 Zugänge), 101 Mitarbeiter (davon 13 Teilzeitkräfte), die einen Pro-Kopf-Umsatz von 136.500 EUR erwirtschafteten (148.200) und 434 Lieferanten.

1. August: Der Vorstand des Südbundes wird erweitert: Thomas Müller holt sich zwei hauptamtliche Kollegen an die Seite - Jörg-Andreas Grundmann, vorher Vorstand bei einer norddeutschen Dachdecker-Genossenschaft, soll den Vertrieb voranbringen, Ralf Fußnegger steigt innerhalb des Hauses vom Marketingleiter zum Finanzvorstand auf.

5. August: Es ist anzunehmen, dass die Südbund-Banken ab diesem Zeitpunkt nervös wurden,weil sich mit dem Insolvenzantrag des Südbund-Mitglieds Erich Weiß Raumgestaltung aus Pirmasens die ganze Tragweite des Falls Weiß offenbarte, der in erheblichem Maße zu den aktuellen Problemen des Südbunds beigetragen hat.

Der Hintergrund: Weiß hatte ursprünglich einen Deco Domus-Fachmarkt geführt, der in einem 1995 für 10 Mio. Mark errichteten Neubau auf der grünen Wiese residierte. Ab 1998 integrierte er in den gleichen Räumen als "handwerklichen Ableger" die Erich Weiß Raumgestaltung GmbH.

1999 wurde es eng für Weiß: er stand mit dem Deco Domus-Markt kurz vor der Pleite. Damals konnte er sich retten, in dem die Mit-arbeiter auf ein Monatsgehalt verzichteten, die Banken einer Umschuldung zustimmten und das Gebäude an die VR-Leasing verkauft wurde, eine Tochter der Volks- und Raiffeisenbanken. Mit dem Kaufpreis konnten dann laut Zeitungsberichten "kurzfristige Verbindlichkeiten getilgt" und darüber hinaus sogar noch "Gelder für Investitionen freigesetzt" werden. Merkwürdigerweise wurde die Immobilie anschließend von der Südbund-Tochter Südconcept geleast - angeblich für 18 Jahre - und an Weiß zurückvermietet. Der beschränkte sich mit seinem Deco Domus-Markt auf eine kleinere Fläche und zog im Untergeschoss mit seinem dritten
Unternehmen ein, dem Sonderpostenmarkt Picks Raus.

Trotz der Südbund-Rettungsaktion überlebte der Deco Domus-Markt nicht lange: Ende 2002 machte Weiß das Unternehmen endgültig dicht, unterhielt aber weiter Erich Weiß Raumgestaltung und den Schnäppchenmarkt.

Doch 2003 hätte dann auch der Weiß-Raumausstattungsbetrieb die Umsatzziele verfehlt, sagte er gegenüber der Pirmasenser Zeitung. Er habe mit einem Jahresumsatz von 3 Mio. EUR kalkuliert, doch seien in den ersten sechs Monaten 2003 Verluste aufgelaufen. Hinzu gekommen sei, dass ein Großauftrag über 250.000 EUR nicht hätte abgerechnet werden können... Dieses Geld fehlt auch dem Südbund - und nicht nur das: Forderungsausfall und Immobilie eingeschlossen summieren sich die Belastungen auf rund 1,4 Mio. EUR.

Nur am Rande sei vermerkt, dass Weiß unverändert seine Sonderpostenmarkt betreibt. Für den sucht er gerade neue Räume, weil Südconcept/Südbund dringend Weiß' frühere Immobilie loswerden will...

10. Oktober: Vorstandssprecher Thomas Müller gibt sein Amt auf und begründet seinen Rückzug mit gesundheitlichen Problemen. Jörg-Andreas Grundmann wird zum neuen Vorstandssprecher ernannt. Er zieht die Unternehmensberatung Fides hinzu, um ein Restrukturierungskonzept für den Südbund zu erarbeiten.

Die Lage eskaliert: Die Kreditversicherer versichern Südbund nicht mehr, einige Lieferanten bedienen den Südbund nicht mehr, sondern beliefern die Südbund-Mitglieder direkt. Vorstand und Aufsichtsrat verhandeln mit den Banken über die Zukunft des Südbundes.

20. Oktober: Vorstand und Aufsichtsrat kündigen den Mitgliedern "vor dem Hintergrund der angespannten wirtschaftlichen Situation" schriftlich eine außerordentliche Generalversammlung am 15. November in Backnang an.

22. Oktober: Die Banken signalisieren auf einer Sitzung mit Vorstand und Aufsichtsrat ihre Bereitschaft, den Südbund finanzwirtschaftlich bei einer Neuausrichtung zu begleiten.

Aber: Sie erwarten, dass auch die Mitglieder als Eigentümer einen Beitrag zur Sanierung ihrer Genossenschaft leisten. Dieser Mitglieder-Beitrag sieht eine teilweise Verrechnung mit dem für das Geschäftsjahr 2003 in Aussicht gestellten und erwarteten Jahresbonus und eine Stundung vor. Dafür muss die Generalversammlung allerdings erst die entsprechenden Beschlüsse fassen und auch einer Satzungsänderung zustimmen.

31. Oktober: Die Mitglieder erhalten ein Schreiben von Vorstand und Aufsichtsrat mit der Tagesordnung der außerordentlichen Generalversammlung. Die wesentlichen Punkte sind Punkt 4, der Bericht über das eingeleitete Konzept zur Neuausrichtung des Südbundes, zu dem den Mitgliedern an dieser Stelle keine weiteren Informationen zugehen, und Punkt 5, die Beschlussvorlagen.

15. November: Im Backnanger Bürgerhaus beginnt um 10 h die geschlossene, außerordentliche Generalversammlung des Südbundes, die über die Zukunft der Genossenschaft entscheidet: Tragen die Mitglieder das Restrukturierungskonzept mit, dass von jedem persönlich Opfer fordert?

600 Personen nehmen an der Veranstaltung teil, darunter werden 414 stimmberechtigte Mitglieder gezählt, von denen einige zusätzlich Kollegen vertreten, also mehrere Stimmen repräsentieren.

Vorstandssprecher Jörg-Andreas Grundmann trägt das Restrukturierungskonzept vor; es gibt aber immer noch keine schriftliche Fassung für die Mitglieder.

Auf der Tagesordnung steht auch die Vertrauensfrage für den Aufsichtsrat. Sie wird dann allerdings nicht gestellt, weil ein langjähriges Südbund-Mitglied beantragt, sie von der Tagesordnung zu streichen und sich die Mehrheit der Versammlung diesem Antrag anschließt.

Die Beschlussvorlagen werden en bloc abgestimmt, nicht einzeln, und die Ja-Stimmen werden auch nicht ausgezählt, sondern der Versammlungsleiter, Aufsichtsratsvorsitzender Horst-Günter Döll, stellt nach Augenschein und Zählung der Gegenstimmen eine "überwältigende Mehrheit" fest.

Genehmigt werden:
- Alle Mitglieder tragen den erwarteten Jahresfehlbetrag von 5 Mio. EUR
- Eventuell kündigende Mitglieder erhalten keine Auszahlung auf ihre Geschäftsanteile
- Weiterhin vorhandene Geschäftsanteile werden auf den Wert 0 abgeschrieben, steigen aber wieder im Wert mit dem künftigen Erfolg des Südbundes. (Das bedeutet zunächst für jedes Mitglied einen Verlust von 8.000 EUR, denn nach der alten Satzung betrug ein Geschäftsanteil am Südbund 1.000 EUR und jedes Mitglied hatte 8 Geschäftsanteile zu erwerben).
- Der erforderliche Verzicht auf Teile des Bonusanspruchs für das Geschäftsjahr 2003 wird in Form einer Kapitalerhöhung dargestellt
- Dafür sind in Anlehnung an die Bonusvereinbarung neue Anteile in Abhängigkeit vom Gesamtumsatz 2002 zu zeichnen
- Die Einzahlung der Anteile erfolgt aus dem Bonusanspruch für 2003 durch Verrechnung
- Zusätzlich sind 1.000 EUR je Mitglied gemäß Beschluss aus dem Jahr 2001 zu zahlen; diese werden ebenfalls aus dem Bonusanspruch für 2003 bedient, sofern dieser ausreicht
- Die restlichen Bonusansprüche aus dem Jahr 2003 werden gestundet, bis der Südbund wieder über genügend freie Liquidität zur Auszahlung verfügt.

Gut 20 Mitglieder kritisieren die Art der Beschlussfassung und die nicht erfolgte Stimmenauszählung und geben daraufhin Widerspruch zu Protokoll.

25. November: An Mitglieder und Lieferanten des Südbundes geht ein Schreiben von Vorstand und Aufsichtsrat mit dem Protokoll der außerordentlichen Generalversammlung hinaus. Die Mitglieder erhalten zusätzlich eine gekürzte Fassung des Restrukturierungskonzepts.

12. Dezember: Der Südbund ist einen entscheidenden Schritt weiter: Die drei Kreditversicherer Hermes, Gerling und AKV versichern die Lieferanten des Südbundes wieder in bedarfsgerechtem Umfang.
aus BTH Heimtex 12/03 (Wirtschaft)