Interview mit Jan-Peter Büning, Horn
"Es muss endlich der berühmte Ruck durch alle gehen"
Die deutsche Gardinen- und Dekobranche befindet sich im Umbruch. Sind ihre Probleme nur in der Konjunkturflaute und der Konsumunlust der Verbraucher begründet oder hausgemacht? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es und wie behauptet sich Horn am Markt? Darüber sprach BTH Heimtex-Redakteurin Birgit Genz mit Horn-Geschäftsführer Jan-Peter Büning.
BTH Heimtex: Herr Büning, die Deko-und Gardinenbranche hatte 2003 schwer zu kämpfen. Der Inlandsmarkt ist weiter auf Talfahrt. Haben Sie das auch zu spüren bekommen?
Jan-Peter Büning: Ein wenig. Wir haben allerdings nur ein kleines Minus von knapp 3% eingefahren und werden zum Jahresende auf einen Umsatz von 22 Mio. EUR kommen. Damit sehen wir uns etwas besser als den Markt und die Branche. Das mag zum einen daran liegen, dass wir im Export zugelegt haben, zum anderen an unserem Preis-Leistungs-Verhältnis: Wir bieten gute Qualitäten zu bezahlbaren Preisen.
Die Nachfrage im Inland war dagegen schwach, wie Sie bemerkt haben, inbesondere über den Sommer bis in den Herbst hinein. Erst seit Oktober spüren wir eine Belebung.
BTH Heimtex: Glauben Sie, dass diese Belebung von Dauer sein wird?
Büning: Wir gehen davon aus, dass nach dieser langen Phase der Konsumzurückhaltung der Ersatzbedarf kommen wird, dadurch der Handel eine leichte Belebung erfährt - und damit wir auch.
Geld ist im Prinzip genug da, die Sparquote steigt und liegt mittlerweile bei 10% des erwirtschafteten Einkommens. Sie ist aufgrund der unsicheren Zeiten und des mangelnden Vertrauens in die Zukunft des Standortes Deutschland in die Höhe geschnellt. Wichtig wäre jetzt, dass die Politik wirklich Signale setzt und handelt. Es muss endlich der berühmte Ruck durch alle gehen. Wir brauchen dringend mehr Zuversicht, denn Wirtschaft ist zu 90% auch Psycholgie. Die Bundesbürger müssen wieder an die Wirtschaftskraft und die Zukunft des Landes glauben und Sicherheit vermittelt bekommen. Dann sind sie auch bereit, wieder mehr Geld auszugeben.
BTH Heimtex: Stichwort Standort Deutschland. Stark vereinfacht gesagt, geht die hiesige Textilindustrie pleite oder verlagert ihre Produktion zunehmend ins kostengünstigere Ausland. Es gibt Teilbranchen, die zu großen Teilen von preiswerten Importen dominiert werden. Sie halten an der Fertigung in Deutschland fest. Rechnet sich das noch? Können Sie damit wettbewerbsfähig bleiben?
Büning: Wenn man einen leistungsfähigen Maschinenpark hat, ist das Weben in Deutschland noch machbar, weil die direkten Personalkosten - auf den Meter Stoff bezogen - nicht das Gewicht ausmachen. Die Weberei an sich ist eher kapitalintensiv. Wichtig ist auf jeden Fall, das sich Entwicklung, Vertrieb und alle Zentralfunktionen hier befinden, in unserem Hauptmarkt.
Bei allen lohnintensiven Arbeitsschritten wie etwa der Konfektion muss man schon genau prüfen, inwieweit das noch in Deutschland darstellbar ist. Es wird immer wichtiger, die Wertschöpfungskette effizient zu gestalten, und genau zu untersuchen, welche Schritte man noch im eigenen Haus macht und welche verlagert - ohne die eigentlichen Kernkompetenzen zu verlieren. Die Design-Kompetenz muss man unbedingt behalten und auch die Lieferschnelligkeit darf nicht leiden. Das wird natürlich umso schwieriger, je mehr man ins Ausland verlagert.
BTH Heimtex: Welche Produkte machen Ihnen zur Zeit Freude, welche nicht?
Büning: Gut laufen Transparente, vor allem die höherwertigen Qualitäten. Weniger nachgefragt wird der klassische Deko in Uni. Der Markt ist schon sehr modisch geworden.
BTH Heimtex: Horn ist von Haus ein traditioneller Stückanbieter. Vor knapp drei Jahren haben Sie ein Coupon-Programm aufgelegt, um den Kontakt zu Fachhandel und Raumausstattern zu intensivieren. Welche Bilanz ziehen Sie heute und wie sind die Segmente inzwischen gewichtet?
Büning: Das Stückgeschäft macht mit 80% immer noch den größten Umsatzanteil aus, wobei sich hier die Vertriebskanäle verändert haben. Dort arbeiten wir inzwischen weniger mit einzelnen Fachgeschäften und Raumausstattern zusammen und mehr mit dem filialisierten Einzelhandel.
Der Coupon-Bereich hat sich gut angelassen. Wir sind durchschnittlich um 15% per Anno gewachsen und haben inzwischen eine erfreuliche Marktdurchdringung erreicht. Natürlich mussten wir auch lernen; so haben wir etwa Umstrukturierungen im Vertrieb vorgenommen und von freien Handelsvertretern auf drei Reisende umgestellt, die sich gezielt um dieses Programm kümmern.
BTH Heimtex: Sie sagten vorhin, Sie hätten 2003 im Export zugelegt. Welche Rolle spielt er und welche sind Ihre wichtigsten Absatzmärkte?
Büning: Unser Exportanteil liegt aktuell bei 40% und soll auch noch weiter wachsen. Positiv ist die Umsatzentwicklung in den skandinavischen Ländern, Benelux und der Schweiz sowie in Osteuropa.
BTH Heimtex: Immer mehr Anbieter suchen ihr Heil im Objektgeschäft und versuchen so, Einbußen im Handel auszugleichen. Sie auch?
Büning: Diese Beobachtung haben wir auch gemacht. Für uns ist der Objektbereich ein wichtiges Marktsegmet, wobei wir feste Kundenbeziehungen haben, die wir weiter ausbauen wollen. Das heißt, wir wollen mit den bestehenden Kunden wachsen. Unsere Stärken sind dabei die Entwicklungsgeschwindigkeit, der Service und die Lieferbereitschaft. Von der Idee bis zur Umsetzung brauchen wir nur drei bis vier Wochen, wenn wir auf vorhandene Kettsysteme aufbauen können.
Und das brauchen Sie, wenn Sie im Objekt bestehen wollen: Qualität und Geschwindigkeit. Gerade bei Objekten herrscht immer Termindruck, da die Entscheidung über den Stoff in der Regel sehr spät fällt - oft sogar erst dann, wenn schon der Fertigstellungstermin feststeht. Dann bleibt meistens nur noch sehr wenig Zeit, um den Stoff herzustellen, zu konfektionieren und zu dekorieren bzw. zu verpolstern.
BTH Heimtex: Die Deko-und Gardinenbranche ist lange von der Konjunkturflaute relativ verschont geblieben. Mittlerweile hat es sie auch mit voller Wucht getroffen, wie die Insolvenzen und Übernahmen der letzten ein, zwei Jahre zeigen. Hinzu kommt, dass die bestehenden Inhaber- und Führungsstrukturen relativ überaltert sind. Bei Horn ist mit Ihnen bereits die nächste Generation mit am Ruder, bei anderen Unternehmen steht der Generationswechsel noch bevor, wobei die Nachfolge-Regelung nicht immer klar ist. Wo geht die Reise hin? Wie muss sich die Branche nach Ihrer Meinung verändern? Worauf muss sie sich einstellen?
Büning: Darauf, dass sich der Konzentrationsprozess fortsetzen wird - auf Industrie- wie auf Handelsseite. Die Industrie muss meiner Meinung nach künftig viel mehr in ganzheitlichen Lösungen und Konzepten denken.
BTH Heimtex: Was heißt das? Etwas konkreter bitte.
Büning: Da gibt es die verschiedensten Ansätze. Denken Sie mal an die Mode: Dort wird der einschlägige Händler immer mehr zum Flächenmanager. Es gilt, frequenzstarke Flächen zu bewirtschaften. Zu Konzepten dieser Art müssen wir auch in unserer Branche mehr kommen. Ich denke, dass es hier künftig viel mehr Shop-in-Shop-Konzepte geben wird.
BTH Heimtex: Horn selbst hat aber noch keins entwickelt.
Büning: Nein. Das ist auch schwierig, weil das eigentlich nicht unser Metier ist. Das können wir nicht so einfach von heute auf morgen. Aber man muss schon in diese Richtung denken.
Auch der Handel muss umdenken. Er setzt der Konsumunlust oft als einziges Mittel preisaggressive Rabatt-Aktionen entgehen. Die Schlussfolgerung "Niedriger Preis - mehr Absatz" funktioniert aber nicht mehr richtig. Dadurch wird die Konsumflaute nicht behoben. Vielmehr muss auch der Handel Hand in Hand mit der Industrie kreative Konzepte entwickeln, um wieder Lust auf's Wohnen zu generieren. Leider gibt es dafür kein Patentrezept.
BTH Heimtex: Ist es das, was Sie mit dem Deco Team versuchen?
Büning: Ja. Im Deco Team versuchen wir, gemeinsam darzustellen, was man mit Stoffen und Textilien alles darstellen und bewegen kann.
BTH Heimtex: Der gute Wille ist ja löblich, aber Deco Team findet nur auf der Heimtextil statt. Um wirklich etwas zu bewegen, müsste Sie mehr nach außen gehen, mehr Werbung betreiben und dem Handel über's Jahr mehr Hilfestellung geben.
Büning: Wir machen mehr, als Sie vielleicht glauben. So laufen derzeit diverse Pressestrecken in Wohnzeitschriften, die dazu beitragen sollen, die Lust auf Einrichten und Textilien zu wecken. Uns ist klar, dass das nur kleine Schritte sind. Aber Sie müssen bedenken, dass im Deco Team alles mehr oder weniger mittelständische Unternehmen organisiert sind, die neben dem eigenen Auftritt den des Deco Teams finanzieren müssen. Da spielt natürlich das Budget insgesamt eine Rolle.
BTH Heimtex: Es ist seit Jahren das Gleiche: Die Branche ist unendlich kreativ, auf den Messen ist man jedes Mal auf's Neue von der Vielfalt und dem Ideenreichtum der Stoffe begeistert. Nur beim Endverbraucher kommt es nicht an.
Büning: Das liegt aber auch daran, weil bei uns die Fensterdekoration im Schnitt nur alle zehn bis zwölf Jahre gewechselt wird. Der Kunde, der heute kauft, denkt also frühestens in zehn Jahren wieder über einen Kauf nach. Sämtliche Trends und Neuheiten gehen damit an ihm vorbei. Das ist einfach anders als in der Mode.
Leider verschleißt ein Vorhangstoff auch nicht wie ein Kleinungsstück, das sich irgendwann aufträgt.
In Skandinavien ist das ganz anders. Dort werden zweimal im Jahr die Vorhänge gewechselt: Im Sommer kommt ein Stoff ans Fenster, der vor zu hoher Lichteinstrahlung schützt und im Winter, wenn es kaum hell wird, werden transparente, leichte Stoffe bevorzugt.
Wenn bei uns auch die Fensterdekoration je nach Jahreszeit verändert würde, würde das den Markt stark beleben. Aber dem Verbraucher ist noch zu wenig bewusst, wie leicht und dabei wirkungsvoll man einen Raum mit Vorhangstoffen verändern kann.
aus
BTH Heimtex 12/03
(Wirtschaft)