GHF-Tagung in Düsseldorf

Industrie soll nicht zu stark auf den Direktvertrieb setzen

Das Programm zur diesjährigen GHF-Tagung war eigentlich nicht dazu angetan, Vorfreude zu wecken - so fade klangen Referenten und Themen. Doch dann wurde es überraschend eine ausgesprochen gute Veranstaltung mit Rekordteilnahme. Zwischen den Zeilen sandte der Großhandel dabei eine Botschaft an die zahlreich anwesende Industrie: Sie soll sich nicht zu sehr auf den Direktvertrieb verlagern, sonst kontert der Großhandel mit Eigenmarken und Nischenpolitik.

Die Kritik gleich vorneweg: Das Hotel bei der diesjährigen Jahreshauptversammlung des Großhandelsverbandes Heim & Farbe war mäßig, der Tagungssaal eine Katastrophe und die Hotelbar für den Andrang am Festabend viel zu klein, so dass etliche nach außerhalb auswichen. Außerdem war das Programm zu dichtgedrängt - warum verzichtet der GHF eigentlich nicht auf ein paar Referenten und leistet sich dafür bessere? - , so dass bedauerlicherweise sogar eine Pause ausfallen musste. Und die Pausen sind, wie schon oft bemerkt wurde, das Wichtigste an der Tagung, die sich zu "dem" Branchentreff entwickelt hat. Es gibt sonst keine Veranstaltung, auf der so geballt Führungskräfte aus Großhandel und Industrie aufeinandertreffen und sich austauschen können.

In diesem Jahr war die Resonanz besonders hoch: 245 Teilnehmer bedeuten einen neuen Rekord; darunter war eine ganze Reihe, die zum ersten Mal dabei waren. Das lag unter anderem daran, dass der GHF über seinen Schatten gesprungen und auch Industriefirmen eingeladen hatte, die (noch) keine außerordentlichen GHF-Mitglieder sind, aber es vielleicht werden könnten....

Das starke Interesse belegt die Bedeutung der GHF-Tagung. Das muss man pflegen und fördern. Zum Beispiel könnte der Verband sich noch viel besser darstellen und seine Marktstärke mehr propagieren - immerhin repräsentiert er laut dem Vorstandsvorsitzenden Martin Geiger 90% des deutschen Großhandels.

Und damit die Hälfte der Gäste nicht nur wegen der Pausen und des Festabends kommt und am Freitagmorgen schon wieder verschwunden ist, sollte dieses wirklich einmalige Forum in der Branche viel stärker für konstruktive Auseinandersetzungen genutzt werden - der Marktstufen untereinander, aber auch mit potenziellen Wettbewerbern.

Im letzten Jahr hatte der GHF mit dem Auftritt von Sto-Vorstandschef Jochen Stotmeister einen ersten Vorstoß in diese Richtung gewagt und prompt Prügel von einigen Mitgliedern bezogen. Dabei war das der richtige Ansatz: Es ist doch viel besser, einem Rivalen ins Auge zu blicken, als ihm den Rücken zuzukehren.

In diesem Jahr nutzte der GHF-Vorstandsvorsitzende als Sprecher des Großhandels die Gelegenheit, der Industrie eine dezent verpackte Warnung zukommen zu lassen - aber eher unauffällig, so dass sie vielleicht mancher gar nicht verstanden hat: Unter der Überschrift "Zukunftsaspekte des dreistufigen Vertriebs" machte Geiger darauf aufmerksam, dass angesichts der enger werdenden Märkte vor allem die Industrie gezwungen sei, Kosten in Vertrieb und Logistik zu sparen und sich deshalb verstärkt auf die profitablen Kunden konzentriere, sprich den sogenannten industriefähigen Einzelhandel. Das schade dem Großhandel, denn "wenn sich die Hersteller immer mehr auf den Direktvertrieb verlagern, geraten wir als Großhändler in Wettbewerb mit unseren eigenen Kunden. Uns bleiben nur noch die ertragsschwachen Kleingeschäfte. Das kann nicht gut gehen".

Der Großhandel könne darauf nur zwei strategische Antworten geben: Entweder er setze auf Eigenmarken statt Herstellermarken oder auf Nischenpolitik. "Fakt ist, dass dadurch der Industrie Kunden des Großhandels wegfallen würden".

Referenten und Themen der diesjährigen Tagung klangen zunächst nicht besonders spannend. Die Redner am ersten Tag boten denn auch tatsächlich nicht viel Substanz. Thomas Huber stellte die Ergebnisse einer Studie zur "Zukunft des Handwerks" vor, brachte dabei aber keine neuen Erkenntnisse ein. Der Megatrend "Individualisierung" ist uns allen schon bekannt, ebenso, dass wir uns darauf mit individuellen Angeboten, Beratung und modularen Konzepten einstellen müssen.

Dieter Lübcke sprach über "Neue Wege im Handwerk und Folgerungen für den Großhandel" und ging dabei hart ins Gericht mit den bestehenden Handwerksstrukturn, aber auch mit der Arbeitsweise des Großhandels. Er kritisierte vor allem das fehlende Marketingdenken und mangelnde Kundenorientierung auf allen Ebenen. Einerseits sei Deutschland ein "Schlaraffenland für die Verbraucher", mit vielen Freiheiten, einer Fülle an Ware und Dienstleistungen zu niedrigen Preisen, andererseits zeigten sich die Anbieter äußerst unfreundlich. "Es gibt wenig Verständnis untereinander und für die Kunden, es fehlen Persönlichkeiten und es gibt wenig Servicebereitschaft: eine inhumane Welt." Ein Satz aus seinem Vortrag ist uns besonders in Erinnerung geblieben: "Die klassische Genossenschaft ist ein aussterbendes Modell". Das werden die Malereinkaufsgenossenschaften nicht besonders gern gehört haben.

Werner Ewest präsentierte unter dem Titel "Service-Zertifizierung als Wettbewerbsvorteil" die Qualitätsoffensive "Pro Teppichboden". Inhalt und Ziele mögen für manchen im Publikum neu gewesen sein. Wer es nochmal nachlesen will: Wir haben über "Pro Teppichboden" bereits ausführlich in BTH Heimtex 10 berichtet.

Den obligatorischen unterhaltsamen Beitrag lieferte der Jurist Dr. Prof. Dr. jur. Dr. h.c. mult. Rolf Stober. Seine Titelansammlung war allerdings beeindruckender als seine zu routiniert abgespulten und bisweilen etwas abgegriffen erscheinenden Beispiele zum Thema "Paragraphenreiter - vorwiegend heiter".

Am zweiten Tag beschäftigte sich VFG-Geschäftsführer Dietmar Eis mit einem Thema, das der Branche unter den Nägeln brennt: EDI, der elektronische Datenaustausch zwischen den Marktstufen. Die Farbengroßhandels-Kooperation hat dafür ein Modell entwickelt, die Heinze Baudatenbank bietet ein anderes. Die VFG-Version hat den Vorteil, dass sie erstens praxisorientiert und branchenbezogen ist und zweitens eine Vielzahl weiterer Funktionen einschließt, beispielsweise ein Info- und Shop-Portal. Die Baudatenbank Heinze ist branchenfremd und damit neutral, was mancher Großhändler besser findet. Der GHF hat die Entscheidung, welches Verfahren bevorzugt wird, salomonisch der Industrie überlassen. Mehr über die VFG-Aktivitäten in der nächsten Ausgaben.

Von etlichen Zuhörern als der beste Vortrag angesehen wurde "Preisstärke contra Margenschwäche" von Dr. Karl-Heinz Sebastian. Der Mann weiß, wovon er spricht; er hat unter anderem das neue Konditionensystem von Ardex mitgestaltet.

Auch wenn der Inhalt seiner Ausführungen nicht unbedingt neu war, regte die Deutlichkeit seiner Aussagen und Forderungen manchen zum Nachdenken an. Auch diesen Vortrag werden wir in einer der nächsten Ausgabe noch separat behandeln.

Die "Bedeutung der Marke für den (Groß-)Handel" zeigte schließlich Til Kleinstäuber auf, der statt des ursprünglich angekündigten Michael Hundt auftrat. Leider litt die Botschaft unter der schwachen Präsentation. Einige Merksätze haben wir dennoch mitgenommen:
- Marken versprechen höhere Wertschöpfung, Rendite und schaffen Mehrwert
- Eine Marke muss unverwechselbar sein
- Eine Marke muss Kontinuität beweisen und - das wird in unserer Branche oft vergessen -
- eine Marke lebt von der Kommunikation.

Die nächste GHF-Tagung findet vom 14. bis 15. Oktober in Würzburg statt.
aus BTH Heimtex 11/03 (Wirtschaft)