Holzring-Symposium in Fulda zum Thema Marketing unter geänderten Marktbedingungen
"Werden Sie bekannt wie ein bunter Hund"
Nichts ist mehr so wie es einmal war im Verhältnis zwischen Herstellern, Handel und Endverbrauchern. Um "Orientierungshilfen in einem sich verändernden Markt" zu geben, hatte der Holzring seine Gesellschafter - Großhändler aus Deutschland und Österreich - sowie Vertragslieferanten zu einem Symposium nach Fulda eingeladen. Dort war man sich einig: "Wir müssen uns neu erfinden". Aber wie und mit welcher Stoßrichtung? Fast alle Referenten sahen die Verbraucher an der Macht und die Notwendigkeit, sich auf "das Zeitalter der Konsumentendemokratie" einzustellen.
In seiner Eröffnungsansprache setzte Holzring-Geschäftsführer Olaf Rützel hinter den Leitspruch "Kompetenz gegen Größe" ein Fragezeichen: Ist Kompetenz tatsächlich das richtige und sichere Mittel, um im Wettbewerb gegen Größe bestehen zu können? Fast alle Redner setzten sich mit der Entwicklung auseinander, die mit dem Begriff "Aldisierung" umrissen wurde.
Der "aufgeklärte Verbraucher" mache es Herstellern und dem Handel immer schwerer, betonte Rützel. Parador-Geschäftsführer Volkmar Halbe äußerte die Erwartung, dass ein Überleben im Wettbewerb künftig weniger von den bisher dominanten Faktoren wie Preis, Qualität, Kompetenz und "Kundenbeglückung durch Zusatznutzen" abhängen wird. Wichtiger werde ein gründlich durchdachtes und zupackendes Marketing, dem es gelinge, sich auf die Lebenssituation und den Lebensrhythmus des Konsumenten einzustellen, sich attraktiv darzustellen und als "sexy" empfunden zu werden. "Nach der Darwin'schen Evolutionstheorie hat der Pfau überlebt, weil er attraktiv ist. Werden Sie also Pfau! Oder anders gesagt: Werden Sie bekannt wie ein bunter Hund", riet Halbe.
Produkt und Preis entkoppeln sich
Welche Durchsetzungsfähigkeit kann vom Produkt, welche vom Preis erwartet werden? Um sich zu profilieren, taugen beide nicht, meinte Olaf Rützel. Denn: Der Trend zur Standardisierung als Folge höherer Produktivität mache Produkte austauschbar. Beispielsweise würden auch Unterschiede zwischen Originalprodukt und Handelsmarken lediglich "künstlich erzeugt". Und: Der Verbraucher zeige sich zunehmend informierter und kritischer. "Er hat gelernt, dass Qualität und Preis in keinem direkten Zusammenhang mehr stehen. Zu oft haben teure Produkte in Tests qualitativ schlecht abgeschnitten." Dies alles habe einem Verdrängungswettbewerb Vorschub geleistet, für den teilweise bereits neue, artfremde Vertriebskanäle genutzt werden "Standardisierte Produkte können über jeden Vertriebsweg vermarktet werden. Haushaltsgeräte beim Kaffeeröster, Parkett bei Lidl - kein Problem", wies Rützel auf eine in Berlin gelaufene Aktion hin.
Darin sah Parador-Verkaufsleiter Michael Becker bestätigt, dass das intelligente, sich selbst erklärende "perfekte Produkt" Zukunft habe. Perfektion sei nach alter Denkweise erreicht, "wenn man nichts mehr hinzufügen muss", nach heutiger Definition jedoch, "wenn man nichts mehr wegnehmen kann". Die Gefahr für den Fachhandel sei offenkundig, werde aber dadurch gemindert, dass der Holzfachhandel und das Handwerk jeweils spezifische Leistungen erbringen können, auf die die Parkettindustrie angewiesen sei.
Haro-Verkaufsleiter Ewald Fischer untermauerte dies mit Zahlen: Vom gesamten deutschen Parkettumsatz (rund 20 Mio. qm) entfallen auf den Holzfachhandel (Groß- und Einzelhandel) 38 % und den Bodenbelagsfachhandel (Groß- und Einzelhandel) 29 %, dagegen auf den DIY-Bereich/Baumärkte nur 16 %, auf Objekteure 10 % und den Baustoffhandel 7 %. Eine andere Aufteilung zeigt sich bei Laminat: Am Gesamtumsatz (55 Mio. qm) ist der DIY/Baumarkt-Bereich mit 62 % beteiligt, der Bodenbelagsfachhandel mit 18 % und der Holzfachhandel nur mit 14 %. Fischer warnte davor, dem Konsumentenverhalten zu einfache Motive und Ausrichtungen zu unterstellen. Qualität, Auswahl und Beratung, wie sie nur der Fachhandel biete, seien durchaus gefragt. Der Handel müsse seine Chance nur standortbezogen ausloten und zielgruppengenau nutzen, wie anschließend Robert Fischbacher, Marketingleiter bei Haro, detaillierter ausführte.
Der Faktor Zeit in der Kaufentscheidung
Im Marketing sah auch Parador-Geschäftsführer Volkmar Halbe das entscheidende Instrument im "Zeitalter der Konsumentendemokratie". Als Folge zunehmender Transparenz auf allen Gebieten sei der Verbraucher von heute aufgeklärt und auf dem Wege, via Internet ein globales Kundenkartell zu bilden. Die Industrie als sein Gegenpart agiere im magischen Dreieck von Überangebot, Tiefstpreisen und Exzessen. Zwischen diesen beiden Machtblöcken sei der Handel erheblichem Druck ausgesetzt und fordere mehr Qualität für weniger Geld. Halbe räumte ein: "Billig ist nicht immer lausig". Der Aldi-erfahrene Verbraucher habe das erkannt und entscheide danach. Aber die Forderung "schneller, besser, billiger" stelle zwischen dem Preis und den Kosten keine Beziehung mehr her und sei auf Dauer nicht durchzuhalten: "Schneller und besser wird teurer, schneller und billiger wird schlechter, besser und billiger wird langsamer".
Halbe erwartet, dass der Discount-Krieg weitergehen wird und von der Industrie und dem Handel mit Gegenangeboten wie Kundenorientierung oder Service nicht zu gewinnen ist. Zum einen würden die Kosten für solche Leistungen kaschiert den Kunden aufgedrückt, zum anderen bewiesen die Discounter, dass die Wirkung sowieso verpufft. Sie machten ihr Geschäft auch ohne Zusatznutzen. Daher sei es klüger, die "Billig-Gewalt" direkt zu kontern - mit ausgeklügelten Preis-Systemen, die die Vergleichbarkeit erschweren. Halbe riet, in solche Systeme viel Kraft zu investieren. Es zahle sich aus. Gleichzeitig müssten sich Industrie und Handel grundsätzlich darüber klar werden, in welchem Feld sie starten wollen. Halbe setzt auf die Kombination "schneller und besser" (= wird teurer). Dabei geht er davon aus, dass Kaufentscheidungen wesentlich von den beiden Komponenten Zeit und Geld beeinflusst werden und der Faktor Zeit in Zukunft immer wichtiger werde.
Jeder Konsument entwickelt sein ganz persönliches, von den Lebensumständen beeinflusstes Verhältnis zur Zeit. Halbe empfahl Industrie und Handel, zu erforschen, für welchen Zeitvorteil Kunden bereit sind, zu zahlen. Die Entwicklung - vermutet Halbe - wird dahin führen, dass der Preis zunehmend relativ wird. Viele Kaufentscheidungen würden überhaupt keinem Preisvergleich mehr unterliegen, vielmehr sei alles eine Frage der Zeit: Preise ergeben sich aus einer momentanen Situation heraus; sie werden variabel. Das Prinzip, nach dem die Finanzmärkte funktionieren, werde inzwischen längst praktiziert im Internethandel, der Züge des alten Tauschhandels annehme. Die Internet-Auktionsplattform Ebay sei so zum zweitgrößten Textilhändler und viertgrößten Autohändler in Deutschland geworden.
Der Zeitfaktor als Kostenfaktor: Der Zusammenhang ist Herstellern und Handel geläufig, müsse nun aber auch im Hinblick auf die Konsumenten hergestellt werden, riet Halbe, der vermutet, dass es in Zukunft verstärkt zu einer "Vermählung von Zeit und Luxus" kommen wird. Andererseits werde man auch wieder Maß halten lernen: "Wer Kunden zu viele Optionen gibt, macht sie konfus oder aggressiv. Weniger wird wieder mehr."
Wichtigstes Marketing-Ziel: Wirkung erzielen
In Marken sieht Volkmar Halbe gute Orientierungshilfen, im Marketing eine brisante Herausforderung: "Irreführendes Marketing ist fehlgeleitet. Konsumenten haben inzwischen robuste Reflexe gegen ein Marketing entwickelt, das sich selbst parodiert." Die vier Eckpunkte eines geschickten Marketings sah Halbe in einem unverwechselbaren Profil ("Werden Sie bekannt wie ein bunter Hund"), in Markenprodukten ("Musterbeispiel Media-Markt"), in Aktualität ("Gekauft wird, wo die Ware frisch ist") und Unabhängigkeit ("Lassen Sie sich nicht verführen durch fertige Konzepte").
Marketing war auch das Thema von Erwin Gehrmann, Geschäftsführer der Firma German Seminare und Trainings. Entscheidend ist, ob es einem Marketing gelinge, Wirkung zu erzielen, betonte er. Viele Einzelmaßnahmen und Gesamtkonzepte im Holzfachhandel seien unzulänglich: Sie gehen in der Vielfalt unter und verpuffen, sie unterschätzen die Bedeutung persönlicher Kontakte. Die Selbstdarstellung und die Präsentation des Angebots sind unterentwickelt. Gehrmann gab etliche konkrete Ratschläge, wie sich Großhandel und Handwerk gegenseitig die Bälle zuspielen sollten:
- Einmal monatlich mit den besten Kunden ein persönliches - auch kritisches - Gespräch führen
- Aufmerksamkeit auf Kunden konzentrieren, die aktiv mitarbeiten und Konzepte, Aktionen usw. umsetzen
- Dauernde telefonische Erreichbarkeit sicherstellen, für eindeutige Zuständigkeiten sorgen, damit der Kunde seinen jeweiligen Ansprechpartner kennt
- Für eine hohe Erfüllungsquote bei der Auslieferung sorgen
- Schulungen anbieten und daran denken: Der erste Eindruck zählt.
aus
Parkett Magazin 05/04
(Marketing)