Herbert Sinnesbichler nach 40 Jahren bei Hamberger in den Ruhestand verabschiedet
Das Ende einer Ära: Abschied in Dankbarkeit und Freude
Sich selber zurückzunehmen und alle Aufmerksamkeit allein auf Haro zu richten - darin erlangte er in 40 Jahren perfekte Meisterschaft. Jetzt stand Herbert Sinnesbichler selbst im Mittelpunkt: Bei zwei großen Feiern, im Kreise von Mitarbeitern und Kunden, die ihm einen fröhlichen, aber auch besinnlichen Abschied bereiteten. Das Besondere an diesem Abschied: Obgleich er das Ende einer Ära markiert, vollzog er sich in schöner Selbstverständlichkeit. Der Blick in Rosenheim ist nach vorne gerichtet: Für Herbert Sinnesbichler hat nun "die Zeit nach Haro" und für das Haus Hamberger "die Zeit nach Harobert" begonnen.
Seit einiger Zeit ließ Herbert Sinnesbichler wissen, dass er pünktlich und ohne Aufhebens abtreten wolle. Mancher, der ihn zu kennen glaubte, sorgte sich: Nach 40 Jahren engster beruflicher wie persönlicher Verbundenheit mit Haro, nach 40 Jahren voller Durchsetzungswillen für das Produkt und die Marke, nach 40 Jahren "full speed" zurückfahren auf Null - wie sollte das gehen? Spätestens seit Herbst 2004, nachdem er in aller Stille seinen Nachfolger Martin Frechen einzuarbeiten begonnen hatte und der Abschied näher rückte, kam dann aber immer stärker der "andere" Herbert Sinnesbichler zum Vorschein. Selbst einige Kollegen und Kunden, die über Jahre eng mit ihm zusammenarbeiteten, wunderten sich. So kannten sie ihn nicht.
Wer als "ausgeprägter Zahlenmensch" seine Umwelt mit einem phänomenalen Zahlengedächtnis beeindruckt, den Ausgleich in schweißtreibender Waldarbeit sucht, mit nimmermüdem Einsatz manchen Jüngeren irritiert, seine Ruhe in Familie, Heim und Garten findet, die Bergwelt und das Wandern liebt - der bietet für seine Umwelt genügend heitere oder besinnliche "Angriffspunkte". Als Herbert Sinnesbichler über die hausinterne Abschiedsfeier berichtet, die ihm sichtlich Vergnügen bereitet hat, entwickelt er vor Begeisterung geradezu Entertainerqualitäten: "Man muss auch über sich selber lachen können", betont er. Dabei gewinnt sein Hobby-Gärtner-Bekenntnis, dass "Spatenstiche süchtig machen", ungewollt tiefere Bedeutung - ebenso wie die Idee von Marketingleiter Robert Fischbacher, die jahresbesten Außendienstler künftig mit dem "Harobert" auszuzeichnen.
Eine Ära begann, als Herbert Sinnesbichler 1965 zu Haro kam und fortan Seite an Seite mit Peter Hamberger darum kämpfte, das damals neue, durchaus nicht allgemein akzeptierte Produkt Fertigparkett am Markt durchzusetzen. Vorausgegangen waren eine Lehre zum Industriekaufmann (anstelle der ursprünglich angestrebten Ausbildung zum Bankkaufmann), ein Studium der Betriebswirtschaft - und eine Kindheit auf dem Hamberger Betriebsgelände, das den Erwachsenen bereits in zweiter Generation als Arbeitsplatz und den Kindern als Abenteuerspielplatz diente: "Hamberger - das war Heimat". Peter Hamberger, der das Familienerbe kurz zuvor angetreten hatte, und Herbert Sinnesbichler stellten die jeweils dritte Generation auf dem Stephanshügel dar. Für beide gemeinsam galt künftig im übertragenen Sinne, was Sinnesbichler zunächst ganz konkret auf das Betriebsgelände und das Spielen bezogen hatte: "Alles war offen".
"Haro Lamellenparkett" war 15 Jahre am Markt, als Sinnesbichler zu Hamberger kam. Aber das Vorgängerprodukt des späteren Haro Fertigparketts - erinnert sich Herbert Sinnesbichler - hatte den Durchbruch noch nicht geschafft. "Das Handwerk tat sich schwer mit dem Konkurrenzprodukt zum herkömmlichen Massivparkett. Die Chance, mit Fertigparkett den Markt für Parkett generell zu öffnen, wurde nicht wahrgenommen." Dagegen trat Haro mit anschaulichen Produkt- und Verlegedemonstrationen, viel persönlicher Überzeugungsarbeit, intensiver Markenwerbung, strategischer Weichenstellung - und mit Herbert Sinnesbichler an. Er begann als Sachbearbeiter, wurde Gebietsverkaufsleiter, später Verkaufsleiter, schließlich die personifizierte Marke Haro.
Im Rückblick auf 40 Jahre spricht Herbert Sinnesbichler - auch darin agil und jung geblieben - fast nur von Veränderungen, nicht von Verschlechterungen. Der Zeitaufwand, meint er, ist gegenüber früher nicht größer geworden, er habe sich nur verlagert. Fast zehn lange Jahre habe er die Hälfte seiner Arbeitszeit für grundsätzliche Auseinandersetzungen aufwenden müssen: Wann ist ein Fertigparkett fertig? Vor oder nach der Oberflächenbehandlung? Passen und halten die Elemente? Ergeben sie eine tadellose Oberfläche? Erst nach 1970 verstummten solche Zweifel in die Fertigparkett-Technik, und es blieb mehr Zeit für andere, neue Aufgaben.
Neben dem ausgeprägten Informationsbedürfnis der ersten Jahre ist Sinnesbichler auch das damalige Bedürfnis nach Diskretion in Erinnerung geblieben - ablesbar an "den vielen Einzelkabinen für Kundengespräche, mit denen die Haro-Messestände in früheren Jahren bestückt sein mussten". Heute gibt es nur noch eine Einzelkabine. Der offene Markt hat seine Entsprechung gefunden in einer offenen, transparenten Standgestaltung - "ein Fortschritt" für Sinnesbichler.
Als wesentlich hat er die Veränderungen in der Werbung, bei der Kundenansprache und der Kundenbindung erlebt: "Alles unterliegt wachsendem Druck." Die hohe Anbieterdichte und die harte Konkurrenz führen zu Zwängen, die vieles in Frage stellen, was jahrzehntelang selbstverständlich praktiziert wurde. Die Herausforderungen, die daraus entstehen, wehrt Sinnesbichler nicht ab - weil sie teilweise auch nur Bewährtes wiederbeleben. Zum Beispiel die persönliche Kundenansprache: "Sie nicht schwieriger geworden als sie es immer war. Sie kostet nur viel Zeit. Das wird gerade wieder "neu" entdeckt". Ähnliches gelte hinsichtlich der Kundentreue. "Es wird sich zunehmend bewahrheiten, dass Treue eben doch "kein leerer Wahn" ist", glaubt Sinnesbichler.
Für besonders tiefgreifend hält er die wachsende Bedeutung von konsequent durchstrukturierten Konzepten und Strategien: "Wo früher ein Gebietsschutz einfach nur eines gentlemen's agreement bedurfte, um zu funktionieren, müssen heute Leistung und Gegenleistung exakt fixiert werden. Bei Haro wurde daraus das Premium-Partner-Konzept. Sinnesbichler vergleicht es mit einem in 25 Jahren immer wieder beschnittenen und veredelten Baum mit reich verzweigter und dabei kräftiger Krone: "Sie entsteht nur, wenn - besonders bei Bäumen, die schon etliche Jahresringe angesetzt haben - von Zeit zu Zeit kräftig ausgelichtet wird". Die Übertragung dieser Erkenntnis auf das Sortiment steht an: 1970/71 ließen sich alle neun Haro Fertigparkett-Varianten auf einer DIN A 4-Seite darstellen, heute hat die Preisleiste einen Umfang von über 100 Seiten. Der Handel forderte - ist er heute überfordert?
Die Frage stellt sich, aber die Antwort darauf wird Herbert Sinnesbichler nicht mehr finden müssen. Er verabschiedete sich "mit einem Rückblick voller Dankbarkeit" und dem Rat an die Jüngeren, sie möchten "in sich und um sich herum Heimat schaffen".
aus
Parkett Magazin 02/05
(Personalien)