Interview mit Holger Schmitz und Jürgen Klingel von Interface
" Wir werden die Marke Heuga wieder stärker herausstellen"
Nachdem die neue Objektmannschaft steht, widmet sich Interface Deutschland jetzt wieder voll der Profilierung der Teppichfliese und dem Ausbau der eigenen Position als Marktführer. Wo steht das Unternehmen aktuell und wo will es hin? BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert sprach mit Holger Schmitz, Marketing-Manager Zentral-und Osteuropa und Jürgen Klingel, Vertriebsleiter Handel über Vertriebsstrategie, Markenpflege und Netzwerke.
BTH Heimtex: Das Geschäftsjahr 2002 war für die deutsche Teppichbodenbranche nicht zum Lachen. Wie haben Sie als Fliesenspezialist abgeschnitten?
Holger Schmitz: Die Fliese als solche ist von der Krise nicht ganz so stark betroffen; wir sind deshalb als reiner Fliesenanbieter von den konjunkturellen Bewegungen weniger berührt als andere. Grundsätzlich haben wir uns im letzten Jahr in einem schwachen Markt positiv entwickelt; das heißt, wir fahren in die richtige Richtung, allerdings mit gebremsten Schub. Das Tempo muss sich noch erhöhen.
Jürgen Klingel: Wir konnten einen weiteren Umsatzverfall stoppen, indem wir Veränderungen in der Mannschaft vorgenommen haben. Auch hat sich der Umsatz umgeschichtet: Wir haben uns aus bestimmten Segmenten wie dem Neubau von Großprojekten etwas zurückgezogen, dafür andere forciert, wie den Renovierungsbereich oder die mittleren Objekte in Größenordnungen zwischen 300 und 1.000 qm. Dort haben wir deutliche Zuwächse.
BTH Heimtex: Das klingt, als seien die Großprojekte nicht sehr profitabel gewesen. Dabei haben Sie doch noch vor wenigen Jahren Ihre Stärke in diesem Bereich in den Vordergrund gestellt.
Schmitz: Da hat sich inzwischen einiges am Markt verändert. Schauen Sie, was heutzutage in der Baubranche los ist. Das war noch vor ein paar Jahren nicht abzusehen. Das heißt auch nicht, dass uns der Neubau, die großen Objekte, überhaupt nicht mehr interessieren. Das, was wir vor sechs Jahren initiiert haben, verfolgen wir auch weiterhin.
Aber wir müssen uns auch dem Markt anpassen. Und 80% des Objektgeschäftes laufen mittlerweile im Renovierungsbereich. Dieser Anteil wird auch sicher nicht schrumpfen, wenn Sie an die vielen Leerstände denken.
Sicher sind Projekte wie der Sony-Bau oder IBM höchst repräsentative Referenzobjekte, aber das Brot- und Butter-Geschäft sind die kleineren Objekte und die Renovierung.
BTH Heimtex: Arbeiten Sie als Interface Deutschland auch profitabel?
Schmitz: Ja.
BTH Heimtex: Profitabler als andere?
Schmitz: Ich denke schon. Das können Sie allein daran sehen, dass wir kräftig investieren - zum Beispiel in unsere Roadshows.
BTH Heimtex: Die Konkurrenz wird härter. Immer mehr Anbieter von Bahnenware kommen mit Fliesen auf den Markt. Stört Sie das?
Schmitz: Nein, wir sehen das sogar positiv. Je mehr über die Fliese gesprochen wird, desto besser ist es für das Produkt. Letzlich entscheidet die Qualität, und da haben wir als Marktführer bei Fliesen sicher einen Vorsprung gegenüber anderen. Problematisch wird es höchstens dann, wenn andere versuchen, über Billigprodukte minderwertiger Qualität in den Markt hineinzukommen, weil das dann das Image der Teppichfliese an sich beschädigen könnte.
BTH Heimtex: Was macht einen Marktführer aus? Was sind Ihre wesentliche Argumente?
Schmitz: Wir haben ein hochwertiges Produkt, dass sicher hochpreisig ist, wo der Preis aber anerkannt wird, weil wir Qualitäts-Argumente haben, die den Preis rechtfertigen. Unsere Kernkompetenz ist die Fliese. Wir haben langjährige Erfahrungen in dem Produkt als solches. Bei uns ist die Fliese als Fliese konstruiert, wir schneiden keine Bahnenware klein. Das hat Einflüsse auf die Rückenausstattung, die Oberflächenspannung im Material u.a.
Was uns auch stark ausmacht, ist die globale Ausrichtung. Durch die Einbindung in einen internationalen Konzern haben wir weltweite Beziehungen, Kontakte und auch Verfügbarkeit des Sortiments. Sie können bei uns jedes Interface-Produkt bekommen, dass Sie irgendwo auf der Welt sehen.
Und nicht zuletzt wird Service bei uns groß geschrieben. Wir liefern keinen Bodenbelag, wir liefern schlüsselfertige Konzepte von der Planung über die Reinigung bis zur Rücknahme. Nehmen Sie als Beispiel unser Renovisions-Konzept: Damit bieten wir den Service, während der laufenden Arbeitszeit den Teppichboden zu erneuern, ohne dass ein Computer neu installiert oder ein Schrank umgeräumt werden musst.
BTH Heimtex: Sie nannten gerade die Einbindung in einen internationalen Konzern als Vorteil. Das ist nicht immer positiv, wie verschiedene Beispiele aus der Branche belegen. Gerade amerikanische Unternehmen neigen dazu, die Gepflogenheiten des deutschen Marktes zu ignorieren und einfach ihre US-Strategie zu übertragen. Das funktioniert aber nicht. Wie ist das bei Ihnen? Wie weit können Sie frei agieren bzw. müssen sich Ihrer amerikanischen Mutter anpassen?
Schmitz: Das war früher vielleicht auch mal bei uns so. Heute ist das ganz anders. Deutschland hat eine sehr starke Stellung innerhalb des Konzerns. In Europa ist Deutschland bzw. sind die deutschsprachigen Länder eine von vier strategischen Regionen. Schließlich ist Deutschland für unsere Nische Teppichfliesen einer der interessantesten Märkte überhaupt. Das ist in Amerika wohl bekannt. Dementsprechend werden wir auch gefördert. Das spiegelt sich jetzt ganz aktuell in der Kollektion wider, die rein "deutsch" ist und speziell für uns gemacht wurde. Das hat es früher nicht gegeben. Allein daran sieht man schon, welchen Stellenwert der deutsche Markt im Konzern genießt.
BTH Heimtex: Fliesen sind hauptsächlich ein Objektbelag. Wie verteilen sich bei Ihnen Objekt- und Privatgeschäft?
Klingel: Das lässt sich nur schwer trennen. Wo fängt das Objektgeschäft an - bei den Großprojekten ab 1.000 qm oder bei den vielen kleineren, die wir über unsere Kunden abwickeln? Ich würde es so sagen: Ca. 30% entfallen auf das Privatgeschäft, gut 30% auf die kleineren Objekte und 30% auf das klassische Großobjekt.
BTH Heimtex: Wie läuft das im Vertrieb bei Ihnen - arbeiten Sie im Privatgeschäft und bei den Semi-Objekten mit Ihren Kunden aus dem Handel zusammen und agieren Sie im Großobjekt direkt?
Klingel: Nein, auch nicht immer. Wir legen schon viel Wert darauf, unsere Distributionspartner mit ins Boot zu nehmen. Grundsätzlich wickeln wir heute einen sehr großen Teil des Privat- und des Kleinobjekt-Geschäfts über den lagerhaltenden Großhandel, den Fachhandelund die Fachmärkte ab, aber auch bei den großen Objekten arbeiten wir zum Teil mit dem Großhandel zusammen...
BTH Heimtex: Welche Kundengruppen sprechen Sie überhaupt an?
Klingel: Fangen wir beim letzten Glied in der Distributionskette an, das direkt den Verbraucher anspricht : Das sind sowohl der klassische Fachhandel als auch die Fachmärkte und Filialisten wie Hammer oder TTL. Darüber kommt dann der Großhandel, über den wir wiederum den gehobenen Raumausstatter, Bodenleger und kleinere Objekteure ansprechen. Dann haben wir die sogenannten Standard-Lagerhalter, und - ganz wichtig für uns - die Objekteure.
BTH Heimtex: Wie ist die Gewichtung?
Klingel: Genaue Anteile kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall spielt der Großhandel eine sehr wichtige Rolle für uns; nicht zu unterschätzen sind aber auch die lagerhaltenden Fachmärkte, bei denen zum Teil große Volumina laufen.
BTH Heimtex: Und wie ist das Kleinmengen-Geschäft geregelt? Einer der Ansätze Ihres Re:source-Konzeptes war ja, ein logistisches Netzwerk aufzubauen und die Kleinmengen auf lagerhaltende Großhändler zu verlagern, die kurzfristig liefern können und das auch noch zu akzeptablen Preisen. Wenn das funktioniert, profitieren beide Seiten davon: Dem Großhändler werden neue Kunden zugeführt und Sie sparen die Logistik.
Klingel: Ja, das war ein absoluter Schritt nach vorn und macht sich auch bereits bemerkbar: Unser Geschäft mit Objekten bis 100 qm ist deutlich zurückgegangen, dafür ist der Bereich zwischen 300 und 1.000 qm deutlich gewachsen.
BTH Heimtex: Also die Lagerwirtschaft des Großhandels funktioniert bei kleineren Aufträgen, die Interface bisher direkt geliefert hat. Das ist gegenläufig zu den Bestrebungen mancher Großhändler, das Lagerrisiko auf die Industrie zurück zu verlagern. Gewähren Sie Ihren Großhandels-Kunden wenigstens Exklusivitäten, wenn sie dieses Risiko auf sich nehmen?
Klingel: Ich wehre mich gegen den Begriff der Exklusivität. Ich möchte es lieber als Präferenz bezeichnen, sonst schneidet man sich an Ende selbst das Geschäft ab. Die Frage ist doch grundsätzlich, wie man zu einem vernünftigen, fairen Miteinander kommt und sich gegenseitig befruchten kann.
Schmitz: Wir bieten zwar keine Exklusivität, aber wir haben ein relativ offenes Konditionenmodell eingeführt, dass bestimmte Leistungen honoriert. Wer zum Beispiel eine gewisse Anzahl an Positionen lagerhaltig führt, wird dafür mit bestimmten Konditionen belohnt, die ihn in eine bessere Lage als andere versetzen.
BTH Heimtex: Sie sprechen auch sehr stark den Architekten an, zum Beispiel mit Ihren Roadshows. Wenn das Renovierungsgeschäfte heute 80% Anteil hat, welche Rolle spielt der Architekt dann überhaupt noch? Schließlich läuft das Renovierungsgeschäft nach völlig anderen Spielregeln ab als der Neubau.
Schmitz: Der Architekt ist auf jeden Fall eine interessante Zielgruppe, die auch zu unserem Kundenkreis gehört. Und unterschätzen Sie nicht die Rolle, die er in der Renovierung spielt. Abgesehen davon wollen wir mit Konzepten wie Re:source oder unseren Road-Shows Netzwerke zwischen unseren Kunden knüpfen - vom Architekten über den Großhandel bis zu den ausführenden Gewerken.
BTH Heimtex: Sie sagten vorhin, Ihre aktuelle Kollektion sei gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet. Werden Produkte speziell für Deutschland entwickelt, oder bedient man sich eines eines internationalen Pools, aus dem für Deutschland geeignete Qualitäten ausgesucht werden?
Schmitz: Beides. Grundsätzlich bedienen wir uns natürlich gerne aus dem weltweiten Produkt-Portfolio; wir wollen ja als globales Unternehmen auch garantieren, dass jedes Produkt überall auf der Welt verfügbar ist. Wobei wir selber die Produkte für Deutschland aussuchen.
Darüber hinaus gibt es auch spezielle Entwicklungen für Deutschland, weil hier ein spezifischer Geschmack herrscht, der in anderen Märkten nicht unbedingt geteilt wird. Wobei dann auch schon eine gewisse Menge dahinter stehen muss, die diese Entwicklungen rechtfertigt.
Klingel: Heute können wir auf jeden Fall viel mehr auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. Früher haben wir oft versucht, dem Markt amerikanische Konzepte überzustülpen; das hat aber nicht funktioniert. Nicht, weil die Produkte nicht gepasst hätten, sondern weil wir keine klare Produkt- oder Markenführung und Sortimentspolitik hatten. Mittlerweile haben wir das Sortiment gestrafft und konzentrieren uns auf wenige gute, marktgängige Qualitäten, die wir auch nach außen entsprechend vermarkten können.
BTH Heimtex: Thema Markenführung: Die Marke Interface ist zwar international stark, im deutschsprachigen Raum ist Heuga aber viel bekannter. Trotzdem haben Sie Heuga als Marke weitgehend unter den Tisch fallen lassen. Ist das nicht ein Fehler?
Schmitz: Auch das werden wir ändern. Wir werden unsere Markenpositionierung klar herausstellen. Heuga ist nach wie vor unsere mit Abstand stärkste Marke und wir werden Heuga als Marke auch wieder stärker herausstellen.
Wir werden Heuga als unsere sogenannte Service-Marke positionieren, die im Handel läuft. Service-Marke bedeutet zu über 90% marktgängige Produkte, Designs und Farben, die komplett am Lager gehalten werden, also sofort lieferbar sind. Interface wird demgegenüber als Design-Marke apostrophiert, die innovativ und trendsetzend ist. Die Interface-Produkte liegen entsprechend nicht am Lager, sondern werden individuell nach Kundenwünschen angefertigt.
BTH Heimtex: Also keine Trennung mehr in eine Handelsmarke Heuga und eine Objektmarke Interface?
Schmitz: Nein. Wir haben sogar ganz bewusst Interface- und Heuga-Qualitäten in einer Kollektion gemischt.
BTH Heimtex: Das heißt andersherum, dass Sie, Herr Klingel und Ihr Objektkollege Tim Kauffmann auch jeweils beide Marken verkaufen?
Klingel: Ja, wir überschneiden uns draußen am Markt ja sogar zum Teil. Wobei wir völlig verschiedene Ansätze haben: Herr Kauffmann kommt mit seiner Mannschaft stark über den Endkunden und wir treffen uns dann bei unseren Distributionspartnern.
Schmitz: Wir haben den Vorteil, dass wir hier in Deutschland eine relativ kleine Einheit sind, wirklich als Team denken und ein gemeinsames Ziel vor Augen haben. Bei uns herrscht kein Abteilungs- und Profit Center-Denken.
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BTH Heimtex 07/03
(Wirtschaft)