Bernard Thiers, Geschäftsführer Technik, über den Patentstreit
"Der Handel macht sich immer mehr Gedanken, mit welchen Lieferanten er zusammen arbeitet"
In den juristischen Auseinandersetzungen über Patentrechte und Patentverletzungen gibt es inzwischen eine ganze Reihe erstinstanzlicher Urteile. Es gibt auch bereits Urteile, die - unter Beibringung einer möglicherweise auf mehrere Mio. EUR lautenden Bankbürgschaft - vollstreckt werden können. Welche Auswirkungen das auf den Groß- und Fachhandel haben kann, wollte BTH von Technik-Geschäftsführer Bernard Thiers wissen.
BTH: Der Patentstreit ist eine Never-ending-Story. Kann das auch den Handel tangieren?
Bernard Thiers: Wir stellen fest, dass der Großhandel und auch Märkte sich langsam immer mehr Gedanken darüber machen, mit wem sie in Zukunft noch zusammenarbeiten können und wollen. Vor allem der Großhandel, der Kollektionen für zwei oder drei Jahre listet, kann es sich nicht erlauben, dass sein Lieferant verurteilt wird und nach 6 Monaten seine Kollektionen zurückziehen muss. Auch wenn die Großhändler uns das nicht ausdrücklich sagen, denken sie doch so.
BTH: Woran merken Sie das?
Thiers: Die Auswirkungen sind beispielsweise die, dass eine führende Baumarktkette einen Lieferanten angeschrieben hat mit der Bitte um eine Kosten-Freistellungserklärung für ein Produkt, mit dem es möglicherweise patentrechtliche Probleme geben könnte.
BTH: Freistellung wofür? Für alle Kosten, die durch die Patentverletzung entstanden sind? Oder für Marketingkosten, die entstanden sind, um das alles zu vermarkten? Schadensersatz für Umsatzverluste?
Thiers: Das kann alles bedeuten und ist in Amerika gängige Praxis, sobald ein Patent im Spiel ist. So etwas zu unterschreiben, ist gefährlich. Es gibt Handels- und Baumarktgruppen in Europa, die das verlangen. Wenn sie das nicht bekommen, kann man denen auch nichts verkaufen.
Ohne Freistellungserklärung kein Angebot, ohne Angebot kein Auftrag. Diese Gruppen machen nur mit Herstellern Geschäfte, die ein Patent haben oder eine Freistellungserklärung unterschreiben. Das ist eine komplexe Sache.
1. Berry/Unilin
USA (Washington): ITC Verfahren Berry gegen Unilin (und Meister Leisten, BHK)
Erste Instanz: Unilin gewonnen
(22-03-02)
Zweite Instanz: anhängig.
Niederlande (Den Haag): Erstes Patent Välinge. Einstweilige Verfügung
Erste Instanz und zweite Instanz: Unilin gewonnen (02-02-00 und 27-09-01)
Zweites und Drittes Patent Välinge.
Erste Instanz: Unilin gewonnen (29-11-00)
Zweite Instanz: anhängig.
Deutschland (Braunschweig): Berry gegen Unilin
War geplant für 10 Dezember 2002, hat Berry zurückgestellt.
Berry gegen HDM und Witex (Lizenznehmer von Unilin)
War geplant für 10. Dezember 2002, wird verschoben durch das Gericht.
Patentamt München
Das Patentamt in München hat am 18. September 2002 entschieden, dass die Patente von Välinge beschränkt werden auf eine Verbindung mit Spiel. In der Entscheidungsbegründung wird sehr deutlich erklärt, wie man dieses Merkmal verstehen muss.
2. Unilin/Dritte
Entscheidungen in erster Instanz Hamburg.
Unilin gegen NSF
Fiboloc verletzt das Unilin Gebrauchsmuster 297 10 175 (29-03-01) (Berufung anhängig)
Unilin gegen Berry (Alloc)
Berry Loc und Alloc verletzen das Unilin Gebrauchsmuster 297 24 428 (05-07-02) (Berufung anhängig)
Unilin gegen Kronotex
Isilock verletzt das Unilin Gebrauchsmuster 297 10 175 und das Unilin EP 0843 763 (15-08-02) (nicht definitiv)
Unilin gegen Akzenta
Akzenta verletzt das Unilin Gebrauchsmuster 297 10 175 und das Unilin EP 0843 763 (12-07-02) (nicht definitiv)
aus
BTH Heimtex 01/03
(Wirtschaft)