Ortstermin bei Parador-Beteiligung Meyer Parkettindustrie in Güssing
Zwei separate Mehrschichtproduktionen angestrebt
Der 4.000-Seelen-Ort Güssing im österreichischen Burgenland an der Grenze zu Ungarn hat 2004 den Titel der innovativsten Gemeinde Österreichs errungen. Holztechnologie wird hier groß geschrieben und mit EU-Geldern gefördert. Ein passender Platz für Parketthersteller: Parador lässt bei seiner Beteiligung Gebrüder Meyer Parkettindustrie sein Fertigparkett herstellen.
Seit 2001 betreibt Parador im österreichischen Güssing ein Joint Venture mit der Gebrüder Meyer Parkettindustrie (MB). Die Holzhandelsfamilie Meyer hatte dort in den Jahren 1998/99 versucht, auf kleiner Fläche ein Hochleistungswerk für Parkett aufzubauen. Das Holzwissen war vorhanden, das industriell-technische Know-how fehlte - ein Missverhältnis, das Parador mit ins Spiel brachte. Die Coesfelder erwarben 50 % des Produktionsunternehmens und übernahmen die operative Führung. Die Meyer-Brüder zogen sich auf ihr Kerngebiet Handel zurück. Stefan Meyer verkauft nun über seine österreichische Holzgroßhandlung jährlich etwa 150.000 qm Mehrschichtparkett auf einem Vertriebsweg, der mit Parador abgestimmt ist. Christophe Meyer ist mit seiner Firma Wood Forum International überwiegend im Asiengeschäft tätig und besitzt gute Kontakte nach China. Die Beziehung von Parador zu MB wird als harmonisch beschrieben.
Einmal im Monat ist Parador-Geschäftsführer Volkmar Halbe vor Ort. Langfristig nach Güssing entsandt haben die Coesfelder Egon Marin. Der technische Betriebsleiter hat seine Erfahrung unter anderem bei Hamberger gesammelt.
"Eines der produktivsten Parkettwerke Europas"
Geringerer Lohnkostenfaktor und weniger Bürokratie als in Deutschland machen Güssing attraktiv. 30 Mio. EUR an Investitionem sind bereits in den Standort geflossen und haben Arbeitsplätze für 140 Mitarbeiter geschaffen. Schon 2001 wurde begonnen, die Anlagentechnik von Grund auf neu zu gestalten. 2002 steigerte eine zweite Hauptpresse die Gesamtkapazität des Werkes auf 1,6 Mio. qm im Jahr. Eine automatische Woodeye-Lamellensortierung kam hinzu, die bei 120 Meter Vorschub pro Minute rund 130.000 Lamellen pro Tagschicht überprüfen kann.
2003 wiederum machte vor allem eine moderne Verpackungsanlage von sich Reden. Volkmar Halbe: "Wir montieren außerdem Kufen unter unsere Paletten, damit man mit dem Hubwagen darunter fahren kann. So eignen sie sich zur Platzierung auf der Großfläche."
Im Jahr 2004 wurde die Anzahl der Trockenkammern auf 22 konventionelle Zu-/Ablufttrockner erweitert. Dabei sparen die neuen Mühlböck-Anlagen Kosten, da sie mit Fernwärme beheizt werden, die aus Biomasse des eigenen Werkes stammt.
Vorteil - nur noch die Hälfte der benötigten Mittellagemenge muss getrocknet zugekauft werden. Sollte es allerdings einen Trend des Marktes zu Parkett mit trocknungsintensiverer Eiche als Deckschicht geben, könnten die 1.600 cbm Trocknungskapazität verstärkt dafür eingesetzt werden, da man sehr flexibel ist. Die in zehn Stunden auf 8 bis10 % Holzfeuchte heruntergetrocknete Mittellage würde dann wieder komplett auswärts erworben.
Derzeit liegt der Anteil von Eiche, deren Holz in 43 Tagen von 60 % auf 6,5 % Feuchte gebracht werden muss, bei einem Viertel der Produktionsmenge. Buche hält mit 35 % die Spitze der verarbeiteten Holzarten. Ein überdachtes neues Freiluftlager schützt das vorgetrocknete Holz vor intensiver Sonnenstrahlung. Hier lagern Saisonhölzer wie Buche und Ahorn bei einem Feuchtegehalt von rund 15 %.
"Bis hin zur Verpackung sind wir gut und modern aufgestellt"
"Die Holzpflege ist unser Hauptaugenmerk", sagt Betriebsleiter Egon Marin. Gut 1.000 Lkws laden im Werk jährlich 12.000 cbm Friese und 22.000 cbm Mittellage ab. Die Deckschichthölzer kommen überwiegend aus Osteuropa. Die Mittellage wiederum ist PEFC-zertifiziert - eine Wald-Zertifizierung, die laut Parador in Österreich gegenüber dem FSC stärker verbreitet ist.
Parador ist der weitaus größte Abnehmer für das Dreischichtparkett aus dem MB-Werk.
Daneben führen die Gebrüder Meyer ihre eigene Handelsmarke. Insgesamt entfallen etwa 92 % auf den klassischen Schiffsboden, die restlichen 8 % auf die Landhausdiele. Deren Anteil soll aber wachsen, wenn Paradors neue Schmaldiele ebenfalls in Güssing hergestellt wird.
Das Unternehmen steht mit den Kommunen in Verhandlung, sein 60.000 qm großes Betriebsgelände um 80.000 qm zusätzliche Fläche zu erweitern. Die Expansionsbestrebungen laufen auf die Trennung in ein spezielles Mehrschichtparkettwerk für Kleinserien und eines für Massenware hinaus. Dann können neue Oberflächen wie Zebrano, die vorerst in Coesfeld an den Start gehen, ebenfalls in Österreich verarbeitet werden.
2004 wird die Herstellung von 1,4 Mio. qm Mehrschichtparkett angestrebt. Die Obergrenze liegt bei 1,6 Mio. qm. Den Engpass für eine Ausweitung der Produktion bilden derzeit die zwei Pressen. Alle übrigen Anlagenteile könnten mehr leisten.
Die automatisch in Kartons verpackten Elemente - dank eines Pufferspeichers fallen Störungen im Verpackungsablauf weniger ins Gewicht - bleiben maximal eine Woche im Werkslager Güssing, ehe sie ausgeliefert werden. Bisher geht noch alles an das Zentrallager Coesfeld.
In Zukunft könnte sich das allerdings ändern, da Mautkosten diese Just-in-time-Logistik verteuern. Parador denkt über eine Veränderung der Logistikströme in dezentraler Form nach. Direktlieferungen ins Ausland werden schon heute ab Werk vorgenommen.
aus
BTH Heimtex 12/04
(Wirtschaft)