Interview mit Christoph Maaß, Norddeutsche Teppichfabrik
"Wir wollen nicht gegen unsere Kunden arbeiten sondern mit ihnen"
Ganz reibungslos, ganz ohne Aufsehen, ganz im Stillen wie es von Haus aus die Art des Unternehmens ist, hat sich bei der Norddeutschen Teppichfabrik der Wechsel an der Führungsspitze vollzogen. Hubertus Rösel, Gründer und langjähriger Kopf und eine der prägnantesten Persönlichkeiten der deutschen Teppichindustrie, hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und die Verantwortung seinem Enkel Christoph Maaß übertragen. Maaß setzt die Tradition des Großvaters fort, ohne sich an Althergebrachtes zu klammern: Er führt in Geesthacht mit ruhiger Hand, besonnen, mit Blick für das Machbare. BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert sprach mit ihm über den Generationswechsel und die Veränderungen, die daraus resultieren.
BTH Heimtex: Herr Maaß, Sie haben eine große Aufgabe übernommen. Herr Rösel, Ihr Großvater, hat die Norddeutsche Teppichfabrik geprägt. War das eine Hypothek oder eine Herausforderung für Sie, Ihren eigenen Stil zu finden, als Sie seine Nachfolge angetreten haben?
Christoph Maaß: Darüber habe ich mir gar keine Gedanken gemacht. Wir haben das nicht thematisiert. Wenn ich diese Aufgabe nicht gewollt hätte, hätte ich die Konsequenzen gezogen und gesagt, ich lasse es lieber, es funktioniert nicht. Ich bin auch heute noch so frei. Aber das ist nicht der Fall. Sicher bedeutet der Wechsel eine Umstellung hier im Betrieb, schließlich hat jeder seinen eigenen Stil.
BTH Heimtex: War es für Sie von Anfang an klar, dass Sie die Nachfolge Ihres Großvaters antreten?
Maaß: Nein.Das Ganze war ein fließender Prozess. Ich habe das Unternehmen nach und nach kennengelernt, es hat mich interessiert, ich fand die Produkte und die Branche interessant. Das ist im Laufe von zehn Jahren gewachsen, bis in den fließenden Übergang.
BTH Heimtex: Auch wenn Herr Rösel nicht mehr im operativen Geschäft aktiv ist, wird er noch am Firmenleben teilnehmen....
Maaß: Aber ja. Herr Rösel ist nicht von der Bildfläche verschwunden, er ist nicht nur Finanzier und Inhaber - er hat auch weiterhin seine Meinung zu den Themen. Wobei unsere Meinung nicht immer die Gleiche sein muss.
BTH Heimtex: Das klingt so, als würden sich bei Ihnen die Erfahrung der älteren Generation und die neuen Ideen der jungen ganz gut ergänzen....
Maaß: Ja, das hoffe ich. Ich denke schon, dass wir hier eine gute Mischung im Betrieb haben.
BTH Heimtex: Grundsätzlich wirkt das Verhältnis zwischen den Generationen auf mich auch sehr harmonisch.
Maaß: Ist es auch. Die Erfahrungen vieler langjähriger und guter Mitarbeiter sind eine Stärke, ebenso wie neue Impulse durch junge oder neu dazu gekommene. Wenn es darauf ankommt, erörtern wir etwas zusammen und finden einen vernünftigen Weg.
BTH Heimtex: Was waren Ihre ersten Maßnahmen? Was haben Sie verändert?
Maaß: Wir wollen keine Veränderung um der Veränderung Willen. Wenn etwas mal nicht nach Wunsch läuft, muss man wissen, wo man ansetzt, damit eine Verbesserung eintritt. Es macht keinen Sinn, eine Neuerung anzustreben, wenn hinterher das gleiche Ergebnis herauskommt. Wichtiger ist natürlich, dass man erkennt, wo Handlungsbedarf ist und dort dann auch anpackt.
BTH Heimtex: Wie steht die Norddeutsche Teppichfabrik aktuell wirtschaftlich da? Es heißt immer, Sie würden so gut kapitalisiert sein, dass Sie ohne Bank arbeiten...
Maaß: Ja, wir sind von keiner Bank abhängig.
BTH Heimtex: Sie haben also Ihre Finanzen und das Unternehmen im Griff. Das klingt, als seien jetzt auch keine durchgreifenden Anpassungs- oder Rationalisierungsmaßnahmen notwendig....
Maaß: Wenn Maßnahmen dieser Art nötig waren, haben wir sie verträglich und ruhig umgesetzt und das niemanden spüren lassen - weder die Mitarbeiter noch die Lieferanten und schon gar nicht die Kunden. Das würden wir auch zukünftig so tun wollen.
BTH Heimtex: Mit Zahlen war die Norddeutsche Teppichfabrik immer sehr zurückhaltend...
Maaß: ...das halten wir auch weiterhin so...
BTH Heimtex: Dann verraten Sie mir auch nicht, ob ich mit meiner Schätzung von 50 bis 55 Mio. EUR richtig liege?
Maaß: Nein, wir bleiben dabei, dass wir keine Zahlen nennen.
BTH Heimtex: Können Sie wenigstens etwas zur Umsatzentwicklung in den letzten Jahren sagen?
Maaß: Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren Rückgänge hinnehmen müssen.
BTH Heimtex: Konform zum Markt oder weniger?
Maaß: Konform zum Markt. Wir messen uns am Markt, wobei unser Ziel ist, immer etwas besser zu sein als der Markt. Aber man kann sich nicht ganz von der allgemeinen Entwicklung abkoppeln. Aktuell haben wir wieder ein zweistelliges Plus.
BTH Heimtex: Halten Sie sich bei der Mitarbeiter-Anzahl auch so bedeckt wie beim Umsatz?
Maaß: Wir beschäftigen um die 400 Mitarbeiter, wobei das saisonal etwas variiert, etwa in der Urlaubszeit oder wenn wir an einer neuen Kollektion arbeiten.
BTH Heimtex: Wie sehen Sie die Norddeutsche Teppichfabrik im Markt positioniert? Welche Stärken haben Sie gegenüber anderen?
Maaß: Unser Ziel ist, dass wir Nordpfeil bleiben, für uns eigenständig und unabhängig und weitestgehend die Produktion auch hier in der Hand haben - so weit es in unserer Größenordnung möglich ist. Das fängt bei den Vorprodukten an: Von der Spinnerei bis zur Musterabteilung haben wir alles im eigenen Haus. Wir sind der Meinung, daß wir in diesen Leistungen, die auch Externe bieten, mit unseren eigenen Kräften genauso gut oder vielleicht sogar besser sind.
Diese gewisse Unabhängigkeit hilft uns auch, Flexibilität in der Erfüllung von Kundenwünschen bieten zu können.
BTH Heimtex: Umgekehrt herrscht bei manchen Ihrer Wettbewerbern eher das Bestreben outzusourcen, um eine Leistung dort einzukaufen, wo sie am günstigsten ist und sich nicht mit den Fixkosten zu belasten.
Maaß: Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wir haben auf jeden Fall die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, die Produktionsstufen, die wir ständig brauchen wie die Spinnerei, im Haus zu haben. Sicher gibt es Zeiten, in denen die Auslastung schwächer ist, dass wird dann intern über personelle Umbesetzungen geregelt.
BTH Heimtex: Nutzen Sie die Spinnerei nur für den eigenen Bedarf oder machen Sie auch Lohnspinnerei?
Maaß: Nur für den Eigenbedarf. Lohngeschäfte sind nicht unser Metier. Sicher helfen wir auch aus, wenn eine andere Firma einen Engpass hat, aber mehr bisher nicht.
BTH Heimtex: Ist es für Sie ein Nachteil, dass Sie als Familienunternehmen letztlich in Ihren Expansionsmöglichkeiten beschränkter sind als ein großer Konzern?
Maaß: Nein, überhaupt nicht. Man muss sich sein Feld erarbeiten - und ich glaube, wir haben gute Chancen und die wollen wir auch nutzen. Wir wollen uns ja bewusst vom Konzern unterscheiden.
Wir wollen uns absetzen auch als ein Unternehmen, hinter dem vertrauenswürdige Personen stehen, das Verlässlichkeit und Kontinuität verspricht. Das war immer so und das soll auch in Zukunft so bleiben.
Insofern tragen wir uns auch nicht mit großen Expansionsgedanken; unsere Hauptfelder bleiben der Großhandel und das Objektgeschäft, das immer mehr wächst. Und für die Klientel, die wir dort bedienen, werden wir immer auch persönlich ansprechbar sein, nicht anonym werden, nicht per Rundbrief neue Strategien ankündigen und die dann ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen.
BTH Heimtex: Damit widersprechen Sie genau dem, was der jungen Generation oft nachgesagt wird: Dass nur noch per Laptop kommuniziert wird.... Ich bin auch anderer Meinung und denke, dass immer noch die Menschen die Geschäfte machen.
Maaß: Ganz klar, das wird sich auch nicht verändern. Vielleicht sind die Mittel heute anders als früher - statt Bleistift eben der Laptop -, sie dürfen nur nicht zum Selbstzweck werden. Unser Geschäft ist Teppichboden und man muss manchmal auch aufpassen, dass darauf auch der Focus liegt: Teppichboden zu verkaufen - und nichts anderes. Oft droht die Gefahr, dass man sich auf Nebenkriegsschauplätzen verzettelt und Marketingstrategien werden entwickelt, die zwar gut gemeint, aber schwer mit Leben zu erfüllen sind. Dagegen werden die Bedeutung der Kleinarbeit und des persönlichen Kontaktes oft unterschätzt - und die bringen im Zweifelsfall die Aufträge.
Wir werden auf jeden Fall diese persönlichen Kontakte pflegen und auch noch verbessern; ich glaube, dass das heute eine Schiene ist, die nur wenige bedienen wollen. Dabei muss es eigentlich die Stärke eines Betriebes in unerer Größenordnung sein, dass man noch weiß, welche Personen dahinter stehen.
BTH Heimtex: Wir hatten eben schon einmal kurz Ihre Produktionsmöglichkeiten angeschnitten. Grundsätzlich ist Ihr Werk absolut up-to-date, wie ich im vergangenen Jahr bei einem Rundgang sehen konnte. Sie scheinen kontinuierlich investiert zu haben.
Maaß: Das werden wir auch weiterhin. Was notwendig ist oder Sinn macht, werden wir immer in Angriff nehmen und uns den Gegebenheiten anpassen. Das geht auch relativ spontan ohne Budget oder 5 Jahres-Plan.
BTH Heimtex: Das ist der Vorteil eines inhabergeführten Unternehmens: Die Entscheidungswege sind kürzer und man muss nicht sämtliche Hierarchiestufen durchschreiten.
Maaß: Genau. Und in den Produkten sind wir breit genug aufgestellt, wir haben alle Bereiche, die für uns wichtig sind, gut abgedeckt. Sicher gibt es ständig neue Anregungen und Ideen, in welche Richtungen man noch gehen könnte, man muss aber aufpassen, dass man das Gewicht darauf legt, womit auch etwas erwirtschaftet werden kann.
BTH Heimtex: Stichwort "breit aufgestellt". Sie betreiben auch eine eigene Weberei. Allgemein zeigt Webware in den letzten Jahren einen stark schwankenden Verlauf. Dem Höhenflug vor zwei Jahren folgte der Absturz im darauffolgenden Jahr. Wie ist es bei Ihnen gelaufen?
Maaß: Wir bewegen uns eigentlich seit Einführung des Produktes Mezzo Bouclé ständig weiter aufwärts. Da stellen sich mal leichte Schwankungen ein, aber im Grunde herrscht Konstanz mit positiver Tendenz.
BTH Heimtex: Wenn Sie selbst kein Lohngeschäft betreiben, ist der Umkehrschluss, dass Sie auch nichts im Lohn fertigen lassen würden - beispielsweise Preiswert-Qualitäten als Unterbau für Ihr angestammtes Sortiment?
Maaß: Nein, das würden wir genauso wenig. Das macht keinen Sinn. Wenn wir diese Felder besetzen wollten, müssten wir das mit unseren Produkten genauso können wie andere - oder wir müssten erkennen, dass wir dazu eben nicht in der Lage sind.
BTH Heimtex: Ein paar Worte zu Ihrer Vertriebsstrategie. Die Norddeutsche galt immer als ausgesprochen großhandelstreu. Wie hoch ist der Großhandels-Anteil konkret bei Ihnen?
Maaß: Das Handelsgeschäft hat eindeutig das Übergewicht und Handel heißt bei uns immer Zielgruppe Großabnehmer und hier weitgehend Großhandel.
BTH Heimtex: Und welche Rolle spielt dort das Rollengeschäft?
Maaß: Das Rollengeschäft oder das Listungsgeschäft hat eine gewaltige Bedeutung für uns; auch wenn die Konzentration im Handel einerseits und der Lagerabbau im Großhandel andererseits zu Umsatzrückgängen führen, ist es immer noch unser bedeutendstes Standbein.
BTH Heimtex: Sie haben sich immer konsequent zum Großhandel bekannt, während mancher Ihrer Wettbewerber sich zwischenzeitlich anderen Vertriebswegen zugewandt hat und nun mehr oder weniger reumütig zurückrudert...
Maaß: Sicher ist heute kein Feld für sich allein betrachtet uneingeschränkt als gut zu bezeichnen. Ich denke aber auch, dass es schwierig ist, ein Feld zurück zu erobern, wenn man es vernachlässigt hat. Unsere verlässliche Vorgehensweise wird anerkannt.
BTH Heimtex: Sie nannten als zweite Schiene das Objektgeschäft. Wie gehen Sie dort vor?
Maaß: Das kann man nicht so klar vom Handelsgeschäft differenzieren. Das vermischt sich, weil wir mit unseren Objektkollektionen oder oder unserer Hotelkollektion, die sich übrigens sehr erfreulich entwickelt, auch viel mit dem Handel arbeiten. Wir wollen ja nicht gegen unsere Kunden arbeiten, sondern mit ihnen.
BTH Heimtex: Und der Export? Wie wichtig ist er?
Maaß: Unsere Exportquote bewegt sich relativ konstant zwischen 25 und 30%.
BTH Heimtex: Das ist verhältnismäßig viel, verglichen mit der durchschnittlichen Exportquote der deutschen Teppichindustrie. Anderes Thema: Welche Rolle spielt die Marke Nordpfeilnoch?
Maaß: Eine große. Natürlich wird Nordpfeil überall als Marke auf unseren Kollektionen herausgestellt. Genau genommen heißt die Firma Norddeutsche Teppichfabrik und die Produktmarke ist Nordpfeil.
BTH Heimtex: Kommen wir nochmal zurück zum deutschen Markt. Hier ist der Teppichboden-Absatz seit Jahren rückläufig, wobei die starke Talfahrt in diesem Jahr etwas abgebremst wurde. Wie beurteilen Sie den Markt und die Branche aktuell?
Maaß: Ich glaube, eins der großen Probleme dieser Branche ist, dass sie das aktive Verkaufen eingestellt hat. Man hat rationalisiert und verschlankt und wartet nun, dass der Bedarf beim Verbraucher entstehen. Wobei nicht nur unsere Branche daran krankt. Aber so funktioniert das nicht; man muss die Produkte präsenter machen, die Verkäufer müssen mehr auf die Kunden zugehen.
Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger für uns, mit den richtigen Kunden zusammen zu arbeiten - die, die aktiv sind, die zukunftsorientiert sind, die am Markt präsent sind. Und mit denen wollen auch gerne die Zusammenarbeit intensivieren.
BTH Heimtex: Nun versucht ja beispielsweise die Dura mit Dura Air oder Vorwerk mit seinem "intelligenten Teppichboden" das Produkt Teppichboden für den Verbraucher wieder interessanter zu machen - eben über diese technischen Features. Ist das der richtige Weg?
Maaß: Ich weiß es nicht. Ich wage zu behaupten, jeder kämpft für sich alleine - und letzlich kommt keiner richtig durch, zumindest nicht nachhaltig. Kein Teppichbodenanbieter allein ist stark genug, um so etwas wirklich im Markt zu verankern. Es wäre sinnvoller, hier gemeinsam zu agieren. Man darf den Wettbewerb nicht scheuen, wenn man einen Produktvorteil auf breiter Front durchsetzen will. Wir bedauern es zum Beispiel sehr, dass sich nicht mehr Hersteller an den Teflon Superprotection-Projekt beteiligt haben, dass beweisbar gut ist und den Teppichboden aufwertet.
BTH Heimtex: Ich bezweifele, dass man den Verbraucher rein über technische Argumente wieder zum Teppichboden führt.
Maaß: Das glaube ich auch nicht; zuallererst muss er gefallen. Aber wenn der Verkäufer dann auch noch handfeste Argumente für das Produkt bringt, kann er den Verbraucher leichter überzeugen oder in seiner Kaufabsicht bestätigen.
BTH Heimtex: Ihren Worten insgesamt entnehme ich auf jeden Fall, dass bei der Norddeutschen Teppichfabrik nirgendwo akuter Handlungsbedarf besteht und Sie unerschrocken in die Zukunft blicken....
Maaß: Wir sind sicher nicht mit der Marktsituation zufrieden und das allein gibt uns schon mehr als genug akuten Handlungsbedarf. Unabhängig davon werden wir immer weiter an uns arbeiten. Das ist ja eine ständige Aufgabe: Auch wenn man einigermaßen gut ist, immer noch etwas besser zu sein wollen und nicht nur dort aktiv zu werden, wo es dringend nötig ist.
Letztlich wird es bei uns so bleiben, dass wir nicht ständig neue Grundsatz-Strategien entwickeln, sondern im Rahmen unserer Vertriebsstrategie Felder finden, die wir gut besetzen können und die uns helfen, unsere Stellung im Markt immer in Zusammenarbeit mit unseren Kunden zu stärken und auszubauen.
Wenn wir das nicht aus den Augen verlieren, können wir auch weiterhin optimistisch in die Zukunft blicken.
aus
BTH Heimtex 01/05
(Wirtschaft)