Interview mit Dieter Lesage, Lothar Heck, Kai Langenhagen

"Wir setzten jetzt unser Zukunftskonzept für Rettberg ein."

In diesen schwierigen Zeiten, wo die meisten eher das Risiko scheuen und lieber auf dem Status Quo verharren, gibt es auch zupackende Manager, die keine Angst vor Herausforderungen haben, die Chancen erkennen und sie ergreifen - wie Dieter Lesage, Lothar Heck und Kai Langenhagen. Die drei haben zum 1. November in einem Management-Buyout den renommierten Bodenbelagsgroßhändler Rettberg übernommen. Wie geht es jetzt weiter? Was bleibt, was ändert sich? Und wie sind die Zukunftsaussichten? Das fragten Claudia und Michael Steinert die neuen Rettberg-Gesellschafter bei einem Besuch in der Redaktion BTH Heimtex.

BTH Heimtex: Gratulation zu Ihrer mutigen Entscheidung und dem Schritt in die Selbstständigkeit. Das hätten in diesen schwierigen Zeiten nicht viele gewagt. Was hat Sie dazu bewogen? Haben Sie sich schon länger mit dem Gedanken getragen?

Dieter Lesage: Nein, wir haben uns sehr kurzfristig erst im Juni dazu entschlossen, als die Verkaufsabsichten der vorherigen Gesellschafter offiziell bekannt wurden.

Kai Langenhagen: Das Management-Buyout hat uns die Möglichkeit gegeben, die Früchte von dem zu ernten, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Wir haben vor drei Jahren angefangen, das Unternehmen von Grund auf zu restrukturieren - in allen Bereichen vom Vertrieb bis zur EDV. Und gerade jetzt sind wir am Wendepunkt angekommen, haben ein Konzept für die Zukunft und wollen das auch umsetzen. Von dieser Vorarbeit hätten bei einem externen Verkauf dann andere profitiert und das wollten wir natürlich nicht.

Lothar Heck: Wobei wir gar nicht sagen können, wo der Zug bei einem Verkauf an andere Eigner hingegangen wäre, ob unser Konzept dort Zustimmung gefunden hätte. Möglicherweise wäre alles, was wir aufgebaut haben, umsonst gewesen....

Lesage: Als uns das klar wurde, haben wir überlegt, ob wir es nicht aus eigener Kraft schaffen können - realistisch gesehen, ohne Luftschlösser zu bauen - und haben das auch mit unserem Wirtschaftsprüfer diskutiert, der uns im übrigen bei der gesamten Abwicklung sehr geholfen hat und bis zur Vertragsunterzeichnung nahezu Tag und Nacht an unserer Seite stand. Wir möchten uns auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich dafür bei ihm bedanken.

BTH Heimtex: Es ist bekannt, dass auch andere Interessenten mit der Familie Dehn-Garvens verhandelt haben und die Gespräche teils sehr weit gediehen waren - Interessenten, die eindeutig finanziell potenter als Sie waren. Warum haben Sie letztlich den Zuschlag bekommen, was war Ihr Vorteil?

Lesage: Also klar gesagt, wir haben auch keinen Rabatt eingeräumt bekommen oder einen Sonderpreis bezahlt. Zum einen hat sicher das Emotionale eine Rolle gespielt, wir sind alle jahrelang dabei, wir kennen die Mannschaft und die Mannschaft kennt uns und selbstverständlich stehen unser früheren Gesellschafterin Frau Dehn weiterhin alle Türen offen, zum anderen hatten wir auch ein Konzept, das auf das Unternehmen zugeschnitten ist.

BTH Heimtex: Die anderen Interessenten wollten nicht immer die Immobilien mit übernehmen. Wie ist das bei Ihnen? Was ist konkret in den Kauf eingeschlossen?

Langenhagen: Alles, einschließlich aller Immobilien.

BTH Heimtex: Und wie sind die Anteile verteilt? Sind Sie alle gleichberechtigte Gesellschafter?

Lesage: Absolut. Jeder besitzt ein Drittel.

BTH Heimtex: Und wer übernimmt welche Funktion innerhalb der Geschäftsführung?

Heck: Herr Lesage ist für Einkauf und Marketing verantwortlich, Herr Langenhagen für die Finanzen und ich für den Vertrieb.

BTH Heimtex: Partnerschaften sind nicht immer einfach. Gerade Dreierkonstellationen bergen Zündstoff, weil sich theoretisch immer zwei gegen einen verbünden könnten. Wie ist das bei Ihnen geregelt? Wie liegen die Stimmrechte? Entscheiden Sie einstimmig?

Langenhagen: Ja, wobei das schon vom Gesetzgeber geregelt ist. Er fordert eine Zustimmung von 75% und da wir jeweils 33,3% halten, bedeutet das automatisch Einstimmigkeit.

Lesage: Grundsätzlich kann eine Konstellation wie bei uns nur funktionieren, wenn man sich auch im menschlichen Bereich versteht. Man kann verschiedener Meinung sein, das sind wir auch ab und zu, aber man muss sich hinterher wieder in die Augen blicken können - und man muss vor allem die gleichen Ziele haben. Wir haben unsere getrennte Aufgabenstellung, tauschen uns jedoch fast täglich aus.

BTH Heimtex: Bei Firmenneugründungen oder Übernahmen wird manchmal der Fehler gemacht, dass nur über die Finanzierung des reinen Kaufpreises nachgedacht wird und nicht über eventuelle Folgekosten. Wie ist das bei Ihnen? Verfügen Sie über genügen Liquidität, wenn der Markt jetzt noch schwieriger werden sollte, oder andere, nicht vorhersehbare Umstände auf Ihren Umsatz drücken sollten?

Langenhagen: Auf jeden Fall. Wir haben für unsere Verhandlungen mit den Banken natürlich Worst Case-, Real Case- und Best Case-Szenarien ausgearbeitet und können Ihnen versichern, dass wir genügend finanzielle Luft haben, um auch einen Engpass zu überstehen.

BTH Heimtex: Sie sagten vorhin, Sie hätten die notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen abgeschlossen. Heißt das, dass die jetzigen Standorte bestehen bleiben?

Lesage: Ja,auf jeden Fall.

BTH Heimtex: Wie haben Ihre Kunden auf das Management-Buyout reagiert?

Lesage: Im September und Oktober, als die Situation noch unklar war, haben sich manche etwas zurückgezogen. Das haben wir am Umsatz gespürt. Der hat dann allerdings im November spontan und massiv angezogen, nachdem wir die Kunden informiert hatten. Viele haben uns gratuliert, haben sich mit uns gefreut und uns versichert, dass sie uns die Treue halten - oder sich sogar mehr auf uns konzentrieren wollen. Das macht natürlich Mut.

BTH Heimtex: Und die Lieferanten?

Lesage: Auch da hatten wir sehr guten Zuspruch. Ich muss sogar sagen, dass heute oft überstrapazierte Wort der Partnerschaft ist in unserem Fall gelebt worden. Auch dafür herzlichen Dank an die Industrie.

BTH Heimtex: Wie geht es jetzt weiter? Was sind die ersten Maßnahmen, was planen Sie mittelfristig?

Heck: Wir setzen jetzt Schritt für Schritt unser Zukunftskonzept um, das wir auch den Banken präsentiert haben. Das ist ein 7-Punkte-Plan, bei dem ein Schwerpunkt auf einer Intensivierung der Vertriebsmaßnahmen liegt und der andere auf der Optimierung interner Prozesse.

Im Vertriebsbereich sind zwei wichtige Punkte die Neudefinition der Berufsbilder Außendienst und Innendienst und damit einhergehend eine Qualifizierungs-Offensive. Wir wollen speziell unseren Außendienst fordern und fördern, dass er sich weg vom Kollektionsplatzierer entwickelt, hin zum Unternehmensberater für unsere Kunden. Daran anhängig ist ein leistungsorientiertes Entlohnungssystem, das sich mehr an der Erreichung bestimmter Ziele ausrichtet, anstatt wie bisher am Umsatz und am Deckungsbeitrag.

Wir werden auch unsere Angebotspalette überarbeiten. Wir wollen uns schlanker aufstellen, nicht mehr breiter, sondern tiefer und uns dabei zugleich verstärkt im gehobenen Preissegment positionieren.

Kollektionseinführungen sollen künftig Eventcharakter haben. Denn jede unserer Hauptkollektionen hat eine Botschaft, die wir gezielt kommunizieren wollen und das kann man am besten bei einer Veranstaltung vor einem größeren Publikum.

Wir wollen unseren Außendienststamm weiter ausbauen. Da gibt es regional neuralgische Punkte die etwas vernachlässigt worden sind und wo wir gezielt junge Leute aufbauen wollen. Zur Zeit beschäftigen wir 22 Außendienst-Mitarbeiter und wollen im ersten Quartal 2005 drei neue dazu gewinnen und im Laufe des Jahres weitere Ergänzungen vornehmen.

Wir werden den aktiven Telefonverkauf forcieren. Hier kann sich der Innendienst aktiv mit in den Vertrieb einbringen, indem er innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens versucht, gezielt Zusatzverkäufe zu tätigen. In Tests hat das hervorragend funktioniert.

Wir wollen auch unser Showroom-Konzept intensivieren, denn ca. 50% unserer Kunden verfügen über kein Ladenlokal. Ihnen wollen wir die Möglichkeit bieten, unsere Showrooms zu nutzen, mit ihren Kunden dorthin zu kommen und werden darum alle neu gestalten. Dabei schwebt uns ein Erlebnischarakter vor, wie es uns beispielsweise der Sanitärhandel mit seinen Badelandschaften vorführt. Und nicht zuletzt wollen wir das Aktivpartner-Konzept ausweiten. Es ist 2004 sehr erfolgreich angelaufen, wir haben mit den Aktiv-Partnern per Ende November einen Umsatzzuwachs von 20% generiert. Momentan gibt es 120 Aktivpartner, wir streben 200 an.

Die Inhalte werden wir 2005 allerdings etwas verändern: Im ersten Schritt sind in den Kampagnen bestimmte Produkte herausgestellt worden, künftig werden es Themen sein, die ganz unterschiedlich sein können: Von Feng Shui über die 50+Generation bis zur Büroausstattung. An diesen Kampagnen können sich dann jeweils mehrere Lieferanten beteiligen, sie können auch das Focus-Produkt bestimmen, das in dieser Kampagne beworben wird. Natürlich kann auch jeder Lieferant eine eigene Kampagne haben, sofern er die entsprechende Finanzierung übernimmt.

BTH Heimtex: Das waren jetzt die Vertriebsmaßnahmen, Sie sprachen auch die Optimierung interner Prozesse an...

Heck: Ja. Hier sind die wesentlichen Neuerungen eine neue EDV für die Finanzbuchhaltung, die uns deutlich bessere Möglichkeiten des Controllings erlaubt, dann eine Beschleunigung der internen Kommunikation, dazu möchte ich als Stichwort Intranet sagen und als weiteren wichtigen Punkt die Einführung eines Mitarbeiter-Qualifizierungssystems, das auf verschiedenen Bausteinen wie beispielsweise Engagement und Kompetenz basiert.

Darüber hinaus arbeiten wir an einer weiteren Kostenreduktion in der Logistik, wobei wir hier schon relativ weit sind. Wir haben bereits vor zweiJahren begonnen, teilweise Regionen auf Spedition umzustellen und haben damit positive Erfahrungen gemacht. Der letzte Punkt ist schließlich ein neuer Markenauftritt. Wir werden unsere ganze Corporate Identity auffrischen und zeitgemäß gestalten - wobei es beim Namen Rettberg bleibt.

BTH Heimtex: Auch wenn Sie ein starkes Standbein im Westen pflegen, ist Hamburg Ihr Stammsitz. Hier ist die Großhandelslandschaft momentan in Bewegung. Wie positionieren Sie sich gegenüber dem Wettbewerb?

Heck: Wir wollen auf jeden Fall in Hamburg präsenter werden. Schließlich gelten wir auch als Hamburger Großhändler und dieses Image wollen wir künftig mehr prägen.

BTH Heimtex: Wo sehen Sie denn Ihre besonderen Stärken und wo die Schwächen?

Lesage: Wir haben keine Schwächen, wir haben nur Reserven....Unsere Stärke ist absolut unsere Mannschaft, die sehr kompetent und zugleich jung ist, das ist für die weitere Perspektive wichtig...

Heck: ...eine Stärke sind auch wir drei, weil wir mit Herz und Verstand bei der Sache sind.

BTH Heimtex: Sie denken momentan sicher nicht an Expansion, nachdem sie gerade die Restruktuierung und die Übernahme hinter sich gebracht haben, trotzdem rein hypothetisch die Frage, in welche Richtung eine mögliche Expansion gehen könnte?

Heck: Geografisch?

BTH Heimtex: Wie auch immer.

Heck: Geografisch wissen wir ganz klar, wo es hingehen könnte: Wenn wir unsere Hausaufgaben gut machen und entsprechend erfolgreich sind, würden wir die Lücke zwischen unseren etablierten Standorten schließen.

BTH Heimtex: Sie pflegen seit Jahren innerhalb der Hometrend-Gruppe eine enge Zusammenarbeit mit Hometrend-Inku. Wird sich daran etwas ändern?

Lesage: Nein, überhaupt nicht. Nach wie vor tauschen wir uns rege in allen Belangen aus und die Zusammenarbeit bleibt, wie sie ist. Und weil wir danach schon ein paar Mal gefragt worden sind: Wir bleiben auch in der Copa.

BTH Heimtex: Zum Schluss noch die Frage, wie dieses bewegte Jahr 2004 geschäftlich für Sie gelaufen ist?

Langenhagen: Im Großen und Ganzen ist 2004 recht zufriedenstellend verlaufen, mit den bereits erwähnten kleinen Tiefen im September und Oktober. Insgesamt werden wir im Umsatz auf Vorjahreshöhe herauskommen.

BTH Heimtex: Und ohne rote Zahlen?

Langenhagen: Eindeutig.

BTH Heimtex: Noch eine letzte Frage: Sie sind alle drei viele Jahre lang bei Rettberg in Führungspositionen tätig. Was ist jetzt anders als selbstständiger Unternehmer?

Lesage: Die letzten Monate waren eine harte Zeit für uns, wir haben viele schlaflose Nächte gehabt. Jetzt sind wir etwas entspannter, sehr motiviert und freuen uns, dass wir unsere Ideen umsetzen können. Wir denken, dass wir eine Riesen-Chance haben: Wir haben ein hervorragendes Team und wir können auf die Unterstützung unserer Lieferanten bauen. Besser geht es nicht.


Rettberg - das Unternehmen

Gebr. Rettberg GmbH & Co. KG
Am Bauhof 23
21218 Seevetal
Tel: 04105/50010
Fax: 04105/500138
e-mail: info@gebr-rettberg.de
www.gebr-rettberg.de

Gründung: 1873

Gesellschafter (seit 1. November 2004) und Geschäftführer: Dieter Lesage (Einkauf und Marketing), Lothar Heck (Vertrieb), Kai Langenhagen (Finanzen)

Leitung Objektbereich: Gerold Markert
Umsatz: 19 Mio. EUR
Mitarbeiter: 73, davon 22 im Außendienst

Außendienst: Carsten Bollmann, Gerrit Dittmer, Halina Ellerhold, Stefan Borgscheiper, Rudolf Muuß, Andreas Riske, Christian Soltau, Dieter Sommer, Andreas Uhlenbrock, Günther Willers

Innendienst: Margit Gödecke,Nicole Heuer, Johanna Jacob-Ebbinghaus, Uwe Janssen, Kathleen Langenhagen, Gerold Markert, Bernd Untermann

Tochtergesellschaften:
Facta Handelsgesellschaft für Raumausstattung mbH, Köln
Tel: 0221/889850
Fax: 0221/8898545
Außendienst: Mayk Dinstühler, Josef Heimich, Natalie Schneider
Innendienst: K.H. Classen, Heinz Matuschek, Robert Schiefer

Filialen:
Mönchengladbach
Tel: 02166/987010
Fax: 02166/987016
Außendienst: Horst Backes, Heribert Kanzler, Thomas Röllen, Bernd Roosen, Holger Rüter
Innendienst: Michael Blaschke, Achim Dunker, Dieter Kollmann

Pampow
Tel: 03865/3177
Fax: 03865/3179
Außendienst: Gerd Köppinger, Mi-chael Kutschera, Gerd Schlimper, Joachim Weiss
Innendienst: Brigitte Busse, Ilona Köppinger, Manfred Preuss

Lager: zentral in Seevetal

Sortiment: textile und elastische Bodenbeläge jeder Art, Laminat, Parkett, Sonnenschutz

Kunden: ca. 3.000, davon ca. 60% Maler
aus BTH Heimtex 01/05 (Wirtschaft)