FHR-Handelsforum 2002 mit vielen jungen Gesichtern
Ein Verband zeigt Geschlossenheit
So hatten die FHR-Mitglieder "ihren" Kurt Reichelt noch nie erlebt: Kein Donnerwetter schallte beim diesjährigen Handelsforum der Einzelhandelskooperation vom Podium, keine gepfefferte Kanzelrede ertönte. Der FHR-Chef gab sich ungewohnt moderat und konziliant, verzichtete auf derbe Rhetorik und Polemik, die er sonst gerne nutzt und setzte stattdessen alles daran, die auch in diesem Jahr zahlreich erschienen Mitglieder zu ermuntern, zu motivieren und auf den FHR und seine Lieferanten einzuschwören. Die Zeiten sind schwer - da braucht es keinen erhobenen Zeigefinger, sondern Ansporn und Ermutigung. Die BTH-Chefredakteure Claudia und Michael Steinert waren mit dabei.
Eigentlich sollte das traditionelle FHR-Handelsforum in diesem Jahr schon gar nicht mehr in der gewohnten Form stattfinden - sprich als übergreifende Tagung für sämtliche Mitglieder von Sonntag abend mit Dienstag mittag. Dann hatte man sich in der Kooperationszentrale in Harthausen doch entschlossen, noch einmal am bewährten Rahmen festzuhalten und in einer Umfrage unter den Teilnehmern zu ermitteln, ob es auch künftig dabei bleiben soll oder stattdessen kürzere Spezialveranstaltungen für die verschiedenen Mitglieder-Gruppen bevorzugt werden. Das Ergebnis war kaum hilfreich bei der Entscheidungsfindung: Eine Hälfte der Befragten plädierte für das übliche Procedere, die andere wünscht sich Veränderungen. Im nächsten Herbst werden wir sehen, was der FHR daraus macht.
Auf jeden Fall war auch das Handelsforum 2002 wieder ausgesprochen gut besucht, die Salierhalle im Dorint-Hotel in Bad Dürkheim nahezu voll besetzt. Erstaunlich ist vor allem die gemischte Altersstruktur: Alle Generationen sind vertreten mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil junger Händler, was darauf hindeutet, dass es bei den FHR-Anschlusshäusern unter Umständen weniger Nachfolgeprobleme gibt.
Engagement und Eigeninitiative gefordert
Inhaltlich ging es dem FHR primär darum, seinen Mitgliedern angesichts der kritischen Branchensituation den Rücken zu stärken und ihnen jedwede Hilfestellung und Unterstützung zuzusichern. Aber - sie müssen den ersten Schritt machen. "Wir sind ein Verband, der auf Zuruf reagiert", betont Geschäftsführer Kurt Reichelt, "wir können nicht rausfahren und die Probleme suchen, wir fordern Engagement und Eigeninitiative." Wobei der FHR marktorientierte Ideen, Mittel und Instrumente zur Verfügung stelle und der Handel sie nur nutzen müsse.
Generell sieht Reichelt Chancen für den Fachhandel nur in konsequentem Qualitätsdenken. "Nur darüber können Sie dem Wettbewerb das wenige vorhandene Marktvolumen streitig machen". Die Billig-Schiene sei dagegen eine "Selbstzerstörungsbombe": "Sie als Fachhändler bekommen nie genug Menge zusammen, um mit Billigware Geld zu verdienen."
Auch warnte er davor, sich auf Nebenkriegsschauplätzen zu verschleißen: "Besetzen Sie überlegt lukrative Nischen." Das könnte eine komplette Firmenstrategie sein wie das FHR-Hochwertkonzept Cador, ein Kreis hochqualifizierter, anspruchsvoller Fachgeschäfte und Raumausstatterbetriebe mit Schwerpunkt auf exklusiven Stoffen und deren kompetenter Verarbeitung, das könnten auch gezielte Aktionen wie die vom FHR initiierte Lino-Aktiv-Kampagne sein.
Für das kommende Jahr hat sich das Team in Harthausen wieder eine ganze Reihe vielversprechender Aktivitäten ausgedacht, darunter das Boden-Forum in Berlin, bei dem die dortigen FHR-Mitglieder in Zusammenarbeit mit der Industrie demonstrieren, wie kreativ sich mit Bodenbelägen gestalten lässt - Elemente der Ausstellung können später für individuelle Nutzung ausgeliehen werden,
- weiterhin eine Präsentation zum Thema Gesundes Wohnen mit Stoffen, die Elektrosmog abschirmen, sowie Gardinen, Dekos, Rollos, Vertikallamellen und Teppichböden, die Schadstoffe aus der Luft aufnehmen und umwandeln
- ferner ein spezielles Mailing für die interessante Zielgruppe Senioren und
- dann noch eine Tapeten-Trendshow mit aktuellen Tapeten nach dem Vorbild der bewährten und erfolgreichen Gardinenschau, die bereits zwei Jahre im Voraus ausgebucht ist.
Darüber hinaus kündigte Reichelt an, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Bus als mobile Verkaufshilfe zur Verfügung stehen wird.
Die Ware zum Sprechen bringen
Aber was nützen die besten Marketing- und Verkaufsförderungs-Konzepte, wenn der Laden nicht attraktiv ist? Das Geschäft ist schließlich die Visitenkarte des Fachhändlers. Auch hier bietet der FHR kompetenten Rat: Innenarchitekt Wolfgang Knorr ist seit einem Jahr dabei, individuell Schwachstellen zu analysieren und Vorschläge für eine neue Gestaltung zu machen und sieht dabei sehr großen Bedarf im Handel.
Typische Mißstände sind nach seiner Erfahrung mangelnde Ordnung der Sortimente in der Fläche, keine gezielte Kundenführung, schlechte Beleuchtung und die Beschränkung auf Präsentationsständer der Industrie.
Für ihn ist es bei seiner Arbeit wichtig, die "Ware zum Sprechen zu bringen" und Kaufatmosphäre zu schaffen, in dem ganze Wohnwelten inszeniert werden. Das muss schon im Schaufenster anfangen, das durch eine attraktive Dekoration Aufmerksamkeit weckt und im Idealfall den Betrachter sogar in den Laden zieht.
"Dazu eignen sich unter anderem eine schön gedeckte Tafel einschließlich aller Acessoires, ein komplettes Bad, ein konsequent durchgespieltes Farbthema, bei dem zum Beispiel Boden, Stoffe und Tapeten durchgängig in Blau gehalten sind und davor als Blickfang ein hellgelber Sessel steht oder auch bewusste Stilbrüche wie feine weiße Bettwäsche auf rostigen Bauteilen."
Klein und fein kann eine gute Zukunft sein
Verkaufstrainer Joachim Bullermann war sich mit Reichelt einig: Der klassische Fachhandel ist ein wichtiger Marktfaktor - "inhabergeführte Geschäfte tragen zur Vielfalt und Individualität bei" - und er hat eine Überlebenschance: "Klein und fein kann eine gute Zukunft sein". Wenn er denn nicht den Fehler begeht, sich auf einen Preiskampf einzulassen: "Wer Preise sät, wird Pleiten ernten". Wichtig seien vielmehr
- Kauferlebnisse zu schaffen: "Satte Menschen sind nur noch durch besondere Reize zu stimulieren",
- ein sympathischer Auftritt, damit sich der Kunde wohl fühlt, und
- Kundenpflege: "Die Stammkunden müssen am besten behandelt werden, denn sie sichern in schlechten Zeiten das Brot-und-Butter-Geschäft. Die Laufkunden sorgen höchstens für das Sahnehäubchen obendrauf".
Eine sinnvolle Anregung brachte Bullermann noch: Er riet dem Handel, sich einmal monatlich einen persönlichen Beobachtungstag zu genehmigen: "Fahren Sie 100 km in eine andere Stadt, besuchen Sie dort Kollegengeschäfte, fragen Sie, fotografieren Sie, betreiben Sie systematisch Ideen-Diebstahl - denn nur draußen bekommen Sie neue Anregungen."
aus
BTH Heimtex 12/02
(Wirtschaft)