Tapeten auf der Heimtextil
Tapetenbranche startet mit Zuversicht ins Jahr 2005
Was Design anbelangt, hat die Tapetenbranche in diesem Jahr den Stoff-Anbietern den Schneid abgekauft. Während dort die großen Namen der Messe fern bleiben, kämpften Tapeten um ihren angestammten Hallenplatz und präsentierten sich so, dass sogar Trend-People zum Schauen kommen. Als ob es das Geraune um Marktprobleme nicht gäbe, kehren die deutschen Tapetenhersteller ihre Stärken heraus und zeigen was sie können. Offensichtlich durch gute Verkaufszahlen bestärkt, wird der Finger gehoben und Kompetenz angemeldet: Wir Tapetenleute sagen Euch, wie man heute wohnt!
Die Marburger Tapetenfabrik sorgte auf dieser Heimtextil wieder einmal für Gesprächsstoff - im positiven Sinne. Bereits am Vortag war schon zu hören: Haben Sie schon gesehen, davon gehört? Der neue Stand, die neue Kollektion. Die Marburger haben nach fünf Jahren die zweite Ulf Moritz-Kollektion aufgelegt und die ist spektakulär. Der zuweilen als schwierig verschrieene Kreative hat das Ornament entdeckt und den Marburger Stand wie eine elegante Urban-Lounge eingerichtet. "Viel zu dunkel", raunten die einen - "genial", fanden andere. Moritz polarisiert, ist aber ein Zugpferd. "Der Umsatz wächst nach wie vor, wenn auch das Ausland deutlich stärker vertreten ist als das Inland", sagt Geschäftsführer Dieter Buhmann. Was nützt aber der tollste Entwurf, wenn die technische Umsetzung nicht stimmt. Und auch hier ist die Marburger wegweisend - immer wieder verblüffend ist die Perfektion ihrer fertigen Produkte, die technisches Know-How, Geduld und tiefe Verbundenheit zum Produkt Tapete erkennen lässt.
Die Ulf Moritz-Kollektion sagt "Ja" zum Ornament, zum mutigen Farbenmix: Stilisierte Barockelemente mit Motiven in glänzendem Lack auf mattem Fond, Glimmer und als Novum winzige Glasperlen, die je nach Lichteinfall unterschiedlich changieren. Dazu selbstklebende Applikationen mit naturalistisch gezeichneten Tulpen. Handdrucke mit royalen Motiven als exklusive Highlights, schimmernde Granulate mit angenehmer Haptik, stilisierte Gingkoblätter und japanisch inspirierte Crushoptiken im Bambuslook mit tiefen, dreidimensionalen Strukturen. Die Farben sind Moritz-typische Non-Colours, die es aber nicht nur in den dramatischen dunklen Puder-Rots und -Brauns gibt, sondern auch in lichten Tönen bis hin zu Weiß.
Ein zweiter Höhepunkt in Halle 5.1 war die Designer-Kollektion "Colorflage by Rasch", entwickelt von und mit dem in München und Mailand arbeitenden, international renommierten Designer Markus Benesch. Unverkennbar stolz präsentierten Dario Rasch und Designdirektor Bernhard J. Holzapfel die drei spektakulären, farbstarken Grafik-Serien, mit denen effektvoll plakative Wandbilder geschaffen werden können. Benesch hat sich bislang mehr mit Farben beschäftigt, die "Tapete gar nicht als Gestaltungselement wahrgenommen". Erstaunt - und begeistert - stellte er fest, dass mit Tapeten "schnell und gut zu arbeiten" ist. Ein Highlight in der Tapetenhalle, das es durchaus verdient hätte, nicht so versteckt am Rand des Stands präsentiert zu werden. Jetzt hat Benesch Gefallen an unserer Branche gefunden und würde gerne auch Teppiche entwerfen....
Holzapfel und sein Team haben mit dem Münchner nicht nur eine völlig neue Handschrift für Tapeten gefunden, sie loten wie Trend-Scouts prinzipiell sehr genau aus, was bkommt und was bleibt. Für dieses Jahr haben sie vier Trendrichtungen ausgemacht:
- Royal legt über ruhige, von Edelsteinfarben dominierten Farbwelten mit Goldschimmer und Seidenglanz, gestickten und gesteppten Optiken eine Aura von Luxus und Reichtum,
- Simply Nature mit dezenten Anklängen an Ethno-Look favorisiert Web-, Flecht- und Textiloptiken,
- Lady Chic feiert das Hollywood der 50er und 60er Jahre mit Pastells und Metallicfarben und
- Fun beschwört eine heitere, unbeschwerte, jugendliche Welt mit Graffitis und Hip Hop-Stil in Bonbon- und Buntstiftfarben.
Natürlich sind diese vier Trendthemen
in den Rasch-Kollektionen umgesetzt.
Mit der Kollektion Flower Power und dem Hollywood-Glimmer-Thema "Zircon" hat auch A.S. Création die neuen Retro-Trends aufgegriffen. Zeit, das grün-gelb geschwungene 70er-Jahre-Motiv auszutauschen, das deutschlandweit inzwischen wohl in jedem dritten Young Fashion-Shop den Hintergrund für Trendmode bietet - übrigens war dieses Dekor das Erfolgs-Deko-Set des letzten Jahres der Gummersbacher. Aber auch wenn sich die Handschrift der jungen Hausdesigner inzwischen stärker im Sortiment bemerkbar macht, besetzt A.S. Création nicht die Nische der "echten" Designer-Tapete. Schade, denn mit dem von dem Unternehmen initiierten Wettbewerb "New walls, please!"-Wettbewerb hätten sie eine Design-Elite quasi vor der Haustür. Da könnte über die Jahre doch ein kleines, aber interessantes Designerprogramm zusammenkommen....
Aber A.S. Creation geht andere Wege. Dafür wird in Gummersbach Publikumsliebling Senta Berger gepflegt und eine neue Themenkollektion unter der Schirmherrschaft des TV-Stars aufgelegt. Wie bei den Vorgänger-Karten handelt es sich um eine Zusammenstellung wohnlicher, leicht verständlicher Dessins und Farben. Und: in der Sortimentsbreite ist die börsennotierte AG nicht zu schlagen: 6.000 Artikel stehen aktuell zur Auswahl, jährlich kommen werden zwischen 1.800 und 2.000 neue vorgestellt.
Die Lust an der Farbe und am wieder entdeckten Ornament zog sich durch alle Kollektionen. Selbst so reduziert im Design arbeitende Produzenten wie Ideco rückten stilisierte Königslilien dekorativ in den Mittelpunkt. BN International zeigte gelungene Streifenkombinationen, Fiona/Flügger großzüge, aber farblich zarte Ethnomotive. Und wie immer, wenn es über schlicht schöne Tapeten zu berichten gibt, darf Omexco nicht fehlen. Im Missoni-Look kommen feine Streifen in Sisalfasern, oder eine hinreißende Micatapete mit Chenillefaden.
Natur in allen Tönen und Strukturen wurde weiter ausgebaut, hier schoss Tescoha den Vogel ab: Eine Tapete mit echtem Holzfurnier in verschiedenen Hölzern, Strukturen und Zusammenstellungen. Das handgefertigte Unikat ist unbehandelt, soll "die Wärme, die Haptik und den Geruch des Holzes" vermitteln.
Bei Rauhfaser-Marktführer Erfurt standen in diesem Jahr weniger neue Produkte als vielmehr die komplette Neuausrichtung des Markenauftritts inclusive eines modernisierten Logos im Mittelpunkt. Konsequent im Stand umgesetzt und gut visualisiert: die Gliederung der Produktgruppen in Raufaser-, Papierpräge- und Vliesfasertapeten.
Weniger Messebesucher, aber größere Kompetenz
Das Messe-Fazit war durchwachsen. Die Laufkundschaft fehle, die Heimtextil sei schon lange keine Ordermesse mehr, beklagte Peter R. Bercher von Erismann, "aber die Messe bleibt ein Pflichttermin". Der immer mal wieder aufkommende "Zwei-Jahres-Rhythmus wäre der Einstieg in den Ausstieg". Insgesamt herrschte der Eindruck, dass es zwar weniger Besucher gäbe, aber die seien kompetenter und entscheidungsfreudiger. Jürgen Salinger, Vertriebsleiter bei A.S. Création: "Im letzten Jahr haben uns die Leute auf später vertröstet, wenn wir Aktionen oder Kooperationen angesprochen haben, jetzt sind viele sofort dabei. Die Stimmung ist eindeutig besser".
Plus von jeweils über 4% im In- und Ausland
Bessere Zahlen sorgten in diesem Jahr dafür, dass die Stimmung in der Branche als zuversichtlich beschrieben werden kann. 2004 war ein Jahr, in dem die deutsche Tapetenindustrie endlich mal wieder Steigerungsraten vorweisen kann: zumindest im Inland mit +4%. In der Rollenzahl musste zwar ein kleines Minus hingenommen werden, aber die Branche lebt ja nicht von Stückzahlen, sondern von Umsätzen und Erträgen. Damit sind keineswegs die Sorgen der vor allem im unteren Preisbereich arbeitenden Hersteller vom Tisch. Das Ausland enttäuschte allerdings.
Kräftig weiter investiert wird in Osteuropa, wo die westeuropäischen Maschinenhersteller zur Zeit gute Abschlüsse erzielen dürften. Absehbar ist allerdings, dass sich der Wettbewerb hier weiter verschärfen wird. Kein leichtes Terrain für Rasch und Erismann mit ihrem Engagement in der Ukraine und in Russland.
Die Messe ist immer auch eine Info-Börse. Wie im letzten Jahr waren auch in diesem Jahr die Düsseldorfer VDN-Gruppe und ihre Tapeten-Aktivitäten im Gespräch. Wie die Entwicklung dort fortschreitet, ist nicht abzusehen. In Frankfurt machte die Runde, dass die französische Tochter Abélia insolvent ist, ihre weitere Zukunft ist ungewiss. Sicher dürften sich einige Interesse das Unternehmen angeschaut haben, aber keiner braucht mehr Kapazitäten.... Dass auch das niederländische Unternehmen Novo-Wallco zahlungsunfähig ist, wie von manchen kolportiert wurde, hat sich zumindest bis Redaktionsschluss nicht bestätigt. Die britischen Aktivitäten wurden an Graham & Brown veräußert.
Am besten aus der Misere der Mutter herausgekommen ist ganz offensichtlich die Tapetenfabrik Coswig. Ein gelöster, wie befreit wirkender Wolfgang Schulze berichtete BTH Heimtex von Ambitionen der Geschäftsführung für ein Management-Buyout. Dafür hofft man auf eine Landesbürgschaft. Immerhin sichert das Unternehmen 145 Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region. Und im letzten Jahr, als das bewährte Management frei von Direktiven aus Düsseldorf am Markt agieren und sich auf alte Stärken besinnen konnte, ging es auch prompt auch wirtschaftlich voran: "Wir sind auf einem guten Weg", sagt Schulze nicht ohne Stolz mit Blick auf die schwarzen Zahlen, die Coswig 2004 geschrieben hat.
Ruhiger ist es wieder um Essef geworden. Der französische Marktführer, der 2004 Insolvenz anmelden musste und schon als Übernahmekandidat galt, soll von der Eigentümerfamilie noch einmal eine Finanzspritze erhalten haben.
Und zum Schluss noch der Blick über den Kanal und über den großen Teich: Für Engländer und Amerikaner war 2004 ein schwieriges Jahr. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass selbst ein jahrelang stabiles Unternehmen wie Norwall in Kanada in die Verlustzone abgerutscht ist.
aus
BTH Heimtex 02/05
(Wirtschaft)