Fussbodentechnik auf der Domotex 2003

Kleines Angebot, Hoher Informationswert

Mit gerade einmal drei eigenständigen Messeauftritten erlebte nicht nur die Präsenz der Verlegewerkstoffindustrie auf der Domotex einen neuen Tiefpunkt. Ein ähnliches schwaches Bild bot sich bei Werkzeugen, Profilen, Sockelleisten und Zubehör - und schließlich auch bei den Objektbelägen. Der Besuch in Hannover
lohnte dennoch: Die verbliebenen Aussteller aus dem Objektbereich hatten einige interessante Neuentwicklungen mitgebracht, von denen manche neue technische Standards setzen könnten. Der Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit lag erneut auf dem Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz.

Was gabs aus technischer Sicht neues auf der Domotex? "Nicht viel", möchte man spontan antworten, denn nie zuvor war der Bereich Verlegetechnik derart schwach in Hannover vertreten. Es drängte sich der Verdacht auf, dass die in diesem Jahr erstmals praktizierte Zusammenlegung mit den Bodenbelägen weniger der Erfüllung häufig geäußerter Ausstellerwünsche dienen sollte, sondern vielmehr einer zwingenden organisatorischen Notwendigkeit folgte - weil man eine eigenständige Technik-Halle nicht mehr hätte füllen können. Nicht viel besser sah es für bei den Bodenbelagsanbietern mit Schwerpunkt im Objektgeschäft aus. Kurz: Der Objektbereich scheint auf der Domotex endgültig weg zu brechen.

Wer vor diesem Hintergrund nun allerdings behaupten würde, ein Besuch in Hannover würde sich für Bodenleger und Objekteure nicht mehr lohnen, tut denjenigen Ausstellern aus dem Objektbereich unrecht, die sich auch in diesem Jahr zur Domotex bekannt haben. Diese hatten nämlich durchaus einige sehr interessante Neuheiten mitgebracht. Die Floskel "Klasse statt Masse" wäre zwar etwas überzogen - wer nicht in Hannover war, hat allerdings etwas verpasst. Zumal einige der vorgestellten Neuheiten durchaus das Potenzial haben, neue Standards zu setzen.

Bei den Verlegewerkstoff-Herstellern ging es primär um emissionsreduzierte Produkte - wobei wie schon in den vergangenen zwei Jahren das Thema Parkettkleber dominierte. Alle drei Anbieter, die in Hannover mit einem eigenen Stand vertreten waren, stellten neue Produkte in diesem Bereich vor. Schließlich hat das Parkettlegergewerbe in punkto Stand der Technik noch einiges aufzuholen: Während elastische und insbesondere textile Bodenbeläge heute auch und gerade im Objekt zum Großteil mit lösemittelfreien Klebstoffen verlegt werden, die zudem überwiegend als "sehr emissionsarm" zertifiziert sind (z.B. mit Emicode EC1), arbeiten die Parkettleger unter Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutzgesichtspunkten oft noch mit Produkten von vorgestern.

Branchenkenner schätzen, dass nach wie vor rund 80% aller vollflächig verklebten Parkettflächen mit hoch lösemittelhaltigen Klebstoffen verlegt werden - mit Giscode-Einstufung S1 und teilweise sogar mit Giscode S3. Es scheint sich also offenbar noch nicht herumgesprochen zu haben, dass diese Praxis mittlerweile unter Gewährleistungsaspekten hochgradig gefährlich ist. Sicher hat das Handwerk nicht ganz unrecht, wenn es auf die hohe technische Sicherheit verweist, die die bewährten Kleber zweifelsohne bieten. Doch aus Sicht vieler Verbraucher - und das schließt auch Nutzer und Auftraggeber im Objektbereich ein - umfasst die Sorgfaltspflicht des Fachhandwerkers heute ebenfalls, dass er in Innenräumen nichts einbaut, was zu Raumluftbelastungen, Geruchsbelästigungen oder gar gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann.

Parkettlegergewerbe ist zum Umdenken aufgefordert

Viele Richter sehen das ähnlich, wie einschlägige Streitfälle zeigen, bei denen Handwerker aufgrund des bewussten Einsatzes lösemittelhaltiger Produkte zu hohen Schadensersatzleistungen verdonnert wurden. Hier wird heute in den meisten Fällen zumindest eine Hinweispflicht des Handwerkers erkannt, der seine Kunden über die zu erwartenden Ausdünstungen der eingesetzten Verlegewerkstoffe sowie deren mögliche Folgen aufklären soll. Aber wer kann das schon im geforderten Umfang leisten - ganz abgesehen davon, dass dies nicht gerade verkaufsfördernd ist. Es hilft jedoch nichts: Die rasch zunehmende Marktpräsenz sehr emissionsarmer Verlegewerkstoffe bei der Verarbeitung textiler und elastischer Beläge hat insgesamt neue Standards gesetzt hat. Und an diesen Standards orientieren sich Auftraggeber eben heute auch beim Parkett.

Hier besteht also durchaus dringender Bedarf nach umwelt- und verbraucherfreundlichen Produkten. Und trotzdem verwundert es auf den ersten Blick, dass die Industrie in diesen Bereich derart viel Entwicklungsarbeit und Geld investiert. Schließlich handelt es sich beim Parkettmarkt zumindest dem Volumen nach eigentlich eher einen Nischenmarkt. Parkett und Holzbeläge kommen mit rund 28 Mio. qm verlegten qm (Schätzung für 2002) vielleicht gerade einmal auf Platz 5 unter den Bodenbelägen - weit hinter Tuftings (ca. 175 Mio. qm), Nadelvlies (ca. 70 Mio. qm), PVC (ca. 50 Mio. qm) sowie keramischen und Natursteinbelägen (ca. 74 Mio. qm). Vom Laminat ganz zu schweigen, das mit rund 50 Mio. qm ebenfalls deutlich höher anzusiedeln ist, wenn auch fast ausschließlich im Privatbereich eingesetzt. Reichen die bislang bereits vorliegenden lösemittelfreien Parkettkleber nicht völlig aus, um den Markt mehr als ausreichend zu befriedigen? Lohnt sich der anhaltend hohe Entwicklungsaufwand hier überhaupt?

Im Mittelpunkt steht der Fertigparkettmarkt

Eine mögliche Erklärung ergibt sich, wenn man die neuen lösemittelfreien Parkettkleber einmal genauer unter die Lupe nimmt: Viele davon - insbesondere bei den Dispersions- und Pulverklebern - müssten nämlich eigentlich eher die Bezeichnung "Fertigparkett-Kleber" tragen, weil sie ausschließlich oder zumindest überwiegend für mehrschichtige Belagkonstruktionen freigegeben sind. Der Hauptgrund liegt in der prinzipiell höheren Maßstabilität dieser Beläge. Das mag für gestandene Parkettlegermeister auf den ersten Blick ein Manko darstellen - ist es aber nicht wirklich, wenn man sich die Marktenwicklung in diesem Segment anschaut.

Legt man die Verbrauchszahlen der letzten Jahre zugrunde, hat Fertigparkett dem Massivparkett nämlich längst den Rang abgelaufen. Ein Großteil der heute verlegten Parkettflächen bestehen aus Mehrschichtparkett - überwiegend dreischichtigen Belägen, von denen die Mehrzahl bereits werkseitig oberflächenendbehandelt ist. Dieses Marktsegment erlebte in den vergangenen Jahren ganz im Gegensatz zur übrigen Branche ein kontinuierliches Wachstum und erfreut sich anhaltend steigender Beliebtheit bei Endverbrauchern ebenso wie im Objektbereich. Und genau an diesem potentiellen Wachstumsmarkt will die Klebstoffindustrie mit den neuen Kleber partizipieren - woran auch dass bodenlegende Handwerk großes Interesse haben sollte.

Attraktive Marktnische für den Bodenleger

Die 80 % Marktanteil des Lösemittelklebers beziehen sich nämlich größtenteils auf das Massivparkett, dessen Anteil stetig zurückgeht. Rechnet man die Fertigparkettflächen mit ein, die heute schon schwimmend oder kleberfrei verlegt werden, relativiert sich die Marktbedeutung des Lösemittel-Kunstharzklebers sehr drastisch. Ihn abzulösen ist aus rein wirtschaftlicher Sicht daher viel weniger interessant, als das ganz eigenständige und zudem wachsende Marktsegment des Fertigparketts der Klebstoffindustrie und schließlich auch dem Handwerk zu erschließen. Hier bietet sich gerade für das Bodenlegergewerbe, das diese Beläge ebenfalls verlegen darf, die Chance, an einem aufstrebenden Markt zu partizipieren.

Das geht jedoch nur mit lösemittelfreien Produkten, denn Verbraucher wie Objektentscheider verlangen heute gerade bei einem als Naturprodukt positionierten Belag eine entsprechend "saubere" Verlegetechnik. Zumal ihrem Einsatz bei Fertigparketten auch aus technischer Sicht wenig entgegensteht. Das bei wasserbasierten Dispersions- und Pulverprodukten obligatorische Spachteln des Untergrundes, um eine optimierte Saugfähigkeit zu erreichen, ist bei oberflächenendbehandelten Belägen sowieso aus Ebenheitsgründen kaum zu umgehen. Schließlich lassen sich hier etwaige Unebenheiten nicht mehr durch den Oberflächenschliff kompensieren. In dieser Hinsicht dürften aus dem Einsatz emissionsarmer Klebstoffe also kaum Mehrkosten entstehen - der etwas höhere Preis für den Kleber selbst relativiert sich ebenfalls angesichts des hochwertigen Belags und dessen Wertschöpfungspotential. Dass man bei Lösemittelklebern die Kosten für die Spachtelung spart, war deshalb auch bei Massivparkett noch nie ein überzeugendes Argument für diese Verlegetechnik.

Technische Bedenken vielfach überzogen

Die vielzitierte Quellgefahr beim Einsatz wasserbasierter Produkte bietet ebenfalls keinen Anlass für eine pauschale Ablehnung. Denn auch die bewährten Lösemittel-Kunstharzkleber führen durch die enthaltenen Lösemittel zu einer spürbaren Anfangsquellung des Holzes - die von vielen Parkettlegern sogar ausdrücklich begrüßt wird, da sie die Ausbildung der Fugen erleichtert. Bei Reaktionsharzklebstoffen wird die fehlende Quellwirkung daher von gleicher Stelle oft als Kritikpunkt genannt. Hinzu kommt, dass man die Quellwirkung insbesondere bei Pulverklebern durch eine rasche Wasserbindung deutlich reduzieren konnte - ein Beispiel für diese Produktgeneration bildet der von PCI auf der Domotex vorgestellte Pulver-Parkettkleber PAR 362.

Darüber hinaus ist von mehrschichtigen Beläge aufgrund ihrer prinzipiell höheren Maßstabilität eine geringere Kraftausübung auf die Unterkonstruktion zu erwarten. Das von Parkettlegerseite hochgelobte technische Leistungspotential des Lösemittelklebers wird hier also in vielen Fällen gar nicht gebraucht. Und wenn doch einmal, so stehen heute auch für anspruchsvolle Holzbeläge lösemittelfreie Alternativen zur Verfügung - insbesondere im Bereich der Reaktionsharz- und Hybrid- bzw. Polymerklebstoffe. Mapei stellte auf der Domotex einen neuen einkomponentigen PU-Klebstoff vor, mit dem sich nahezu alle Aufgabenstellungen bei der Parkettverlegung im Objekt meistern lassen. Hierbei handelt es sich also um keinen reinen "Fertigparkett-Klebstoff" - er richtet sich ganz gezielt auch an das Parkettlegerhandwerk, dem das Massivparkett als einziger exklusiver Leistungsbereich geblieben ist.

Hauptkonkurrent des Handwerks ist die lose Verlegung

Denn auch hier ist Umdenken angesagt. Experten rechnen schon in wenigen Jahren mit einem EU-weiten Verbot des Einsatzes von Lösemittelklebern in Innenräumen - ganz abgesehen von dem unübersehbaren Gewährleistungsrisiko, das man schon heute mit solchen Produkten eingeht. Und von der Tatsache, dass man durch deren Einsatz den Weggang kritischer Auftraggeber vom Massivbelag sowie der Verklebung insgesamt indirekt weiter fördert. Der Kunde könnte nämlich angesichts der neuen Click-Systeme, die mit großen Schritten auf den Markt drängen, künftig viel öfter die Frage stellen, warum denn der Belag überhaupt verklebt werden muss.

Hier gilt es, durch den Einsatz zeitgemäßer Produkte etwaige Bedenken auf Auftraggeberseite auszuräumen sowie gleichzeitig konsequent die technischen Vorteile dieser Verlegetechnik in den Vordergrund zu stellen - beispielsweise in punkto Schallschutz - um den Belag der handwerklichen Verlegung zu erhalten. Helfen könnten dabei Produkte mit Zusatznutzen wie der neue lösemittelfreie "Flüsterkleber" für Parkett von Henkel-Thomsit. Das in Hannover erstmals vorgestellte Produkt gibt dem Handwerker durch seine schalldämmende Wirkung ein zusätzliches Verkaufsargument an die Hand - und trägt damit der aktuellen Marktentwicklung Rechnung.

Weitere Neuheiten bei Profilen und Werkzeugen

Dieses Attribut lässt sich ebenso auf zahlreiche Neuheiten im Bereich Profile und Sockelleisten übertragen, die auf der Domotex gezeigt wurden. Auch hier stehen die Boom-Beläge Laminat und Fertigparkett weiterhin im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit. Gleichzeitig setzt man auf besonders hochwertige Materialien - beispielsweise Echtholz-, Edelstahl- oder Aluminiumoberflächen.

Die wenigen in Hannover verbliebenen Werkzeuganbieter demonstrierten, dass sich auch in der Verarbeitungstechnik das sprichwörtliche Rad durchaus immer wieder neu erfinden lässt - zugunsten des Handwerkers, der dadurch im Tagesgeschäft Arbeit, Zeit und schließlich auch Geld sparen kann. Unsere Schwesterzeitung FussbodenTechnik stellt die wichtigsten technischen Neuentwicklungen in einer ausführlichen Messenachlese vor.
aus BTH Heimtex 02/03 (Wirtschaft)