Domotex - Moderne Teppiche sind immer öfter handgearbeitet

Rot statt Blau - Handtuft löst Nepal ab

Moderne Handtuft-Teppiche liegen auch 2004 voll im Trend. Gefragt sind vor allem Shaggys, strukturierte Relief-Teppiche und Stücke mit Applikationen im Materialmix mit Metall oder Steinen. Auch der Retro-Look läuft weiter. Handgeknüpfte Ware aus Indien oder Nepal tut sich dagegen schwer, wenn sie nicht mit besonderen Details aufwarten kann.

Qualitäten eines Marathonläufers mussten die Besucher auf die Domotex nach Hannover mitbringen, die sich einen umfassenden Überblick über das Angebot an modern gestalteten handgefertigten Teppichen verschaffen wollten. Die Aussteller waren auf die Hallen 2 und 3 sowie 15, 16 und 17 verteilt, so dass die Wege lang und zeitaufwändig waren. Schneller ließ sich das Pensum auf der Heimtextil in Frankfurt schaffen, da alle wichtigen Teppichanbieter in der Halle 3.1 konzentriert waren. Allerdings gab es dabei nur etwa einem Dutzend Aussteller keine vollständige Marktübersicht. Noch dürftiger war das moderne Teppichangebot auf der Imm cologne. Die Internationale Möbelmesse in Köln wies in ihrem Messekatalog zwar rund 50 Teppichanbieter aus, doch echte Marktbedeutung hatten im Bereich der modernen handgefertigten Teppiche davon höchsten drei bis vier.

Die Domotex präsentierte sich in diesem Jahr einmal mehr als bedeutendste Messe der Welt für handgeknüpfte, handgetuftete und handgewebte Teppiche, wobei der Sektor der modern gestalteten Ware weiter an Gewicht gewann. Zwar schnitten auch die meisten Anbieter von klassischen Orientteppichen besser ab, als sie selbst vor dem Messestart erwartet hatten, doch kamen sie kaum an die Orderergebnisse der modernen Stücke heran, bei denen das Spektrum von schlichter Eleganz über handfeste Rustikalität bis hin zum Retro-Look in leuchtenden Farben reicht.

Eine einheitliche Modelinie ist auch in diesem Jahr kaum auszumachen. Deutlich wurde lediglich, dass Blau als Modefarbe momentan out ist, dafür alle Rottöne bis hin zu erdigen Kolorits gut im Rennen liegen. Im Trend liegen Shaggys, strukturierte Relief-Teppiche und Stücke mit Applikationen oder im Materialmix mit Metall oder Steinen. Weiter auf dem Vormarsch befinden sich handgetuftete Teppiche, während sich modern dessinierte handgeknüpfte Ware, sei es aus Nepal oder aus Indien, schwer tut, wenn sie nicht mit besonderen Details oder Raffinessen aufwarten kann.

Voll im Trend der Handtuftware präsentierte sich einmal mehr Arte Espina. Die Niederländer, die mit einem der schönsten Stände glänzten, meldete für die mittlerweile auf 23 Modelinien ausgebaute Kollektion in avantgardistischer Aufmachung neue Rekordergebnisse im Verkauf.

In den Kreis der großen und markstarken Anbieter modern gestalteter handgefertigter Teppiche hat sich im vergangenen Jahr auch Vorwerk mit seiner Pieces-Kollektion eingereiht. Die Kundenfrequenz wurde sowohl in Frankfurt wie auch in Hannover - die Hamelner waren wieder auf beiden Messen präsent - als "ausgesprochen gut" bezeichnet, das Kundenecho auf die neue Linie war allerdings nicht ganz ungetrübt: Einige bemängelten Lieferengpässe und Materialfehler. Das werde es künftig nicht mehr geben, versicherte Johannes Schulte, der neue Vorsitzende der Geschäftsführung und verwies darauf, dass Vorwerk bereits intensiv an einer Verbesserung der Logistik arbeite.

Türkas, europaweit führender Orientteppich-Importeur, wagt sich mit der neuen Kymo-Kollektion in moderne Gefilde vor. Hinter dem Programm steht ein populärer Name: Luigi Colani. Der umtriebige Multi-Designer, der als letztes die Hamburger Polizei-Uniformen und Fahrstuhlkabinen gestaltete, erläuterte den Türkas-Kunden höchstpersönlich seine Kollektionsphilosophie, verteilte Autogramme und gab sich trotz fortgeschrittenen Alters (Jahrgang 1928) immer noch wortgewaltig und visionär. Initiiert worden war das Kymo-Programm von Denis Türker, Sohn von Firmenchef Sefik Türker. Zumeist Hochbetrieb herrschte auch auf dem Paulig-Stand im Floor Forum auf der Domotex. Hier stand neben den neuen Kollektionen vor allem die Übernahme von Haro im Mittelpunkt der Gespräche.

Die Mehrzahl der Besucher begrüßte es, dass der Markenname Haro weiter existent bleibt und mit unverändert eigenständiger Handschrift das obere Segment des Handwebteppich-Angebotes von Paulig abdeckt.

Generell konnte das Floor Forum in seiner Optik und Aufmachung als Erfolg gewertet werden. Die einzelnen Themeninseln verstanden es, modische Impulse zu geben, Neugierde zu wecken. Doch blieb den meisten Besuchern zu wenig Zeit, um sich in dem weitläufigen Areal intensiv mit den einzelnen Modethemen zu befassen. Meist blieb es bei einem flüchtigen Blick im Vorbeigehen auf die gelungenen Dekorationen. Unter dem Zeitmangel der Besucher litt im Floor Forum auch das Vortragsprogramm. Nur wenige Fachbesucher fanden die Zeit, sich 40 Minuten oder gar eine Stunde an einen Vortrag binden zu lassen. Auf den dem Podium nahe gelegenen Messeständen wurden die bisweilen wenig schwungvoll vorgetragenen Referate als ausgesprochen störend bei den eigenen Verkaufsgesprächen empfunden. Neben dem Angebot an modern gestalteten handgefertigten Teppichen in den Messehallen 2 und 3 fanden sich vor allem in den Hallen 16 und 17 zahlreiche weitere interessante Sortimente von Anbietern, die aus Tradition ihren angestammten Standort nicht verlassen wollten oder die sich im Umfeld klassischer handgeknüpfter Orientware immer noch am wohlsten fühlten. Einen kleinen Gegenpol zum Floor Forum hatten in der Halle 17 mit der Loom Lounge unter anderem die Firmen Petersen, Wissenbach, Nourison und Ahmed geschaffen. Der neue Meeting-Point wurde gut angenommen, zumal speziell Petersen und Wissenbach auch als Publikumsmagneten im Bereich der modernen Teppiche gelten.

Generell zeigten sich die Aussteller mit dem Ergebnis der drei Messen zufrieden. Einige kleinere Unternehmen, die von ihrer Größe her noch nicht von der Gesamtkonjunktur abhängig sind, sondern noch Firmenkonjunkturen initiieren können, äußerten sich sogar begeistert. Insgesamt war die Stimmung zwar nicht euphorisch, aber doch positiv entspannt. Vor allem die ausländischen Besucher und hier speziell Einkäufer aus Südeuropa, Asien, dem Baltikum, aus Russland und aus ehemaligen russischen Republiken sorgten dafür, dass die Orderblöcke einigermaßen voll wurden. Zurückhaltend zeigte sich nach wie vor der deutsche Einzelhandel. Vermisst wurden vor allem mittelständische Kunden aus dem süddeutschen Raum.
aus BTH Heimtex 02/04 (Wirtschaft)