Interview mit der Führungsmannschaft von Witex

"Der Name Witex steht bei Produkten und Service unverändert für Qualität und Innovationskraft"

Bei Witex tut sich was. Zwei Jahre nach der Insolvenz meldet sich der Laminathersteller zurück, will wieder offensiver an den Markt gehen und sich als Hochwert-Anbieter mit Führungsanspruch bei Design und Technik repositionieren - und zugleich mit interessanten Neuentwicklungen mit Alleinstellungs-Charakter neue Felder erschließen. Unter dem dynamischen, ideenreichen Geschäftsführer Karl-Heinz Scholz, der seit März am Ruder steht, präsentiert sich die Mannschaft motiviert und engagiert. BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert wollte mehr über Pläne und Ziele des Unternehmens wissen.

BTH Heimtex: Herr Scholz, seit März führen Sie offiziell die Geschäfte von Witex. Die berühmten ersten 100 Tage sind vorbei. Was war Ihr Eindruck, als Sie damals in Augustdorf angetreten sind, wie lautet Ihre Bestandsaufnahme, was waren Ihre ersten Maßnahmen?

Karl-Heinz Scholz: Sehr beeindruckt hat mich die Mannschaft, ihre Kompetenz und ihre Motivation - trotz der Insolvenz. Sie werden kaum irgendwo anders ein so junges Team finden, gleichzeitig so engagiert, mehrsprachig, so dass die Kunden im In- und Ausland optimal bedient werden können. Das ist wichtig bei einem Unternehmen, das zu 75% vom Export lebt und das ist auf jeden Fall eine unserer Stärken.

Was mich auch sehr beeindruckt hat, ist der Fleiß, mit dem man nach der Insolvenz an die Arbeit gegangen ist. Das ist nicht selbstverständlich; normalerweise leiden insolvente Unternehmen unter einem gewissen Grad an Demotivation, weil besondere Bedingungen herrschen: es fehlt häufig eine klare Ausrichtung, die Perspektiven, die Vision, wo man in Zukunft hin will. Die Mitarbeiter sind unsicher, ob sie bleiben, oder sich nicht lieber eine neue Beschäftigung suchen sollen. Zum Glück war das bei Witex nicht der Fall; die Mitarbeiter hatten Vertrauen zum Unternehmen.

Das hat mich auch letztlich davon überzeugt, keine gravierenden Veränderungen vornehmen zu müssen, sondern nur die Struktur etwas zu korrigieren, wo sie mir nicht passend erschien. Denn das ist gerade in Organisationen, die sich in Veränderungsprozessen bewegen, oft das Problem: Die Mitarbeiter, die das Wissen und das Know-How haben, etwas zu bewegen, haben nicht die Entscheidungsfreiheit oder nicht den Mut. Und denen will ich den Rücken stärken. Darin sehe ich meine Aufgabe, speziell im Marketing- und Vetriebsbereich. Ich kann und will nicht alles selber machen oder den Spezialisten vorschreiben, was sie zu tun haben; das können sie alles viel besser. Damit ist natürlich das Risiko verbunden, Fehlentscheidungen zu treffen. Aber dieses Risiko nehme ich ihnen ab.

BTH Heimtex: Was nicht einfach für Sie sein dürfte, ist der Balance-Akt zwischen der alten, insolventen Witex AG i.I. und der neuen, unbelasteten Witex International Flooring GmbH. Ich glaube nicht, dass jedem Ihrer Kunden oder jedem auf dem Markt der Unterschied klar ist. Behindert oder bremst Sie das bei Ihren Aktivitäten?

Scholz: Überhaupt nicht. Davon muss man sich frei machen. Interessanterweise haben das am besten unsere Kunden geschafft. Die interessiert das überhaupt nicht. Ich war auch davon ausgegangen, dass bei ihnen Erklärungsbedarf herrscht, dass sie wissen wollen, wohin es geht und mit wem, aber es reicht ihnen völlig, dass wir ein Produkt in der Qualität, zu dem Zeitpunkt und zu dem Preis liefern, wie sie es erwarten.

BTH Heimtex: Bitte erklären Sie trotzdem die Struktur, Aufgaben und Zusammenhang der beiden Unternehmen.

Scholz: Die alte Witex AG befindet sich in der Insolvenz, heißt deshalb mit offiziellem Titel Witex AG i.I., was bedeutet, dass es Verfahrensregeln der Insolvenzordnung gibt, die eingehalten werden müssen. Um operativ das Geschäft fortsetzen zu können, hat der Insolvenzverwalter eine Betriebsgesellschaft gegründet: die Witex International Flooring GmbH, in der im Prinzip das ganze Neu-Geschäft nach der Insolvenz gebündelt ist. Diese Gesellschaft ist völlig frei von Insolvenz-Ansprüchen und fungiert als Partner der Kunden. Die Kunden haben nichts mehr mit der Witex AG i.I. zu tun, sondern arbeiten mit der Witex International Flooring GmbH zusammen. Die Witex AG ist als Gesellschafter zu sehen.

BTH Heimtex: Die Produktion gehört aber unverändert zu Witex AG i.I.und die GmbH ist deren Kunde und kauft ihre Ware dort ein?

Scholz: Ganz genau. Die Witex International Flooring GmbH hat praktisch einen Lieferanten, die alte Witex AG i.I. Dieses Konstrukt ist übrigens im Insolvenzrecht auch so festgelegt, das wird nicht von Insolvenz zu Insolvenz unterschiedlich gehändelt. Wenn es einen gesunden Kern in dem insolventen Unternehmen gibt, wird eine Betreibergesellschaft als GmbH gegründet, die die Geschäfte übernimmt und - das ist der entscheidende Part: in der auch die Forderungen gebündelt sind.

Rudolf Herold: Das wirkt als vertrauensfördernde Maßnahme nach außen, weil die Kunden damit eine gesunde Firma als Vertragspartner haben.

BTH Heimtex: Und wie ist der weitere Ablauf? Verschwindet ein Unternehmen vom Markt, geht es im anderen auf oder werden beide verschmolzen?

Scholz: Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine wäre beispielsweise, dass ein Investor Aktien der Witex AG i.I. kauft, mit dem Kaufpreis die Gläubiger befriedigt werden, die Witex AG damit von der Insolvenz und den Schulden befreit ist. In diesem Fall gäbe es wieder die alte Witex AG. Das wäre im Rahmen eines Insolvenzplanes der sogenannte Share Deal.

Anders ist es beim Asset Deal, einer zweiten Möglichkeit. Dann kauft ein potenzieller Investor aus dem ganzen Konglomerat nur einzelne Vermögensbestandteile heraus, etwa die Forderungen und dazu vielleicht die Kundenbeziehungen.

Wie es bei Witex letzlich ausgehen wird, wissen wir alle nicht. Das ist aber für das operative Geschäft auch völlig irrelevant.

BTH Heimtex: Ein Share Deal erscheint mir grundsätzlich aber eher unwahrscheinlich.

Scholz: Das kommt darauf an. Hier bestehen durchaus gute Voraussetzungen, weil man sehr viel Realismus an den Tag gelegt hat, und Riesen-Schritte gemacht hat, die anderen noch bevorstehen - mit dem Ziel, die Arbeitsplätze zu erhalten. Das ist hochinteressant für jeden Investor und Unternehmer. Ich bin überzeugt, dass bald ein Investor erscheint, der genau das zu schätzen weiß.

BTH Heimtex: Das klingt, als seien die Gespräche mit den beiden Finanzinvestoren vorbei....

Scholz: Nein, die laufen noch.

BTH Heimtex: Aber es gibt nur diese beide Interessenten. Oder haben in der letzten Zeit auch industrielle Investoren bei Ihnen an die Tür geklopft?

Scholz: Dazu kann ich nicht viel sagen, weil die Gespräche ausschließlich durch den Insolvenzverwalter geführt werden. So weit ich informiert bin, gibt es diese beiden Interessenten: einer aus dem nationalen, der andere aus dem internationalen Finanzbereich. Gespräche mit Mitbewerbern finden meines Wissens nicht statt.

BTH Heimtex: Das Thema Finanzinvestoren hat gerade in der jüngeren Vergangenheit an Brisanz und Aufmerksamkeit gewonnen und wird in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert. Befürworter verweisen auf das Kapital, das dabei den betreffenden Unternehmen für eine Reorganisation - sofern notwendig - bzw. Expansion zufließt, Gegner kritisieren die zu stark am kurzfristigen Gewinn und nicht am langfristigen Unternehmenserfolg ausgerichtete Zielsetzung. Was halten Sie davon? Was wäre für Witex die beste Lösung? Und in welchem Zeitrahmen könnte sich tatsächlich etwas bei Witex bewegen?

Scholz: Ich sehe zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Die erste ist, dass kurzfristig ein Investor einsteigt, die Insolvenzsituation beendet ist und damit Klarheit für die Gläubiger herrscht.

Die zweite ist, dass das Unternehmen beliebig lange in der Insolvenz weitergeführt werden kann - was durchaus Vorteile hat, weil bestimmte Rahmenbedingungen besser sind als unter normalen Voraussetzungen. Das kann sogar einige Jahre dauern und böte die Chance, das Unternehmen zu repositionieren und neu auszurichten, so dass es hinterher attraktiver für einen Investor ist und dementsprechend auch der Preis steigt. Denn: je höher der Organisationsgrad, je marktgerechter und innovativer die Produkte, und je besser die Perspektiven eines Unternehmens sind, desto höher ist der Preis. Und nicht nur das: Man zieht auch ganz andere Interessenten an.

Aber wie gesagt: Grundsätzlich sind beide Möglichkeiten gegeben, wobei ich weniger an diese kurzfristige Lösung glaube und die andere im Prinzip auch für besser halte. Zumal wir aus unserem Cash-Flow investieren können. Es ist durchaus nicht so, dass man in der Insolvenz nicht investieren kann. Wobei man natürlich die Gläubiger vom Sinn und Zweck dieser Investitionen überzeugen muss.

BTH Heimtex: So lange Sie aus dem Cash-Flow investieren, müssen die Gläubiger zumindest keine Mittel mehr zuschießen. Und sie haben die Aussicht, dass der Unternehmenswert durch die Investitionen steigt und ihnen das letztlich durch einen höheren Kaufpreis zu Gute kommt.

Scholz: Richtig. Eine unserer großen Stärken ist, dass wir in der Lage sind, auch unter Insolvenzbedingungen Investitionen durchzuführen - und zwar nicht nur Unterhaltungsinvestitionen, sondern auch in Neuentwicklungen. Das kostet natürlich eine Menge Geld, aber wir können es aus dem Cash-Flow heraus finanzieren - und ich kann Ihnen verraten, dass wir hier einiges verdienen, ohne dass ich konkrete Zahlen nennen will. Ich denke, manches Unternehmen in der Bodenbelagsbranche oder sogar dem gesamten Innenausbau-Bereich wäre froh, unsere Umsatzrendite zu erwirtschaften.

BTH Heimtex: Moment - wie ist das mit den Unterhaltungsinvestitionen? Es hieß, dass die Restrukturierung der Produktion, Anfang 2004 weitgehend abgeschlossen gewesen sei. Aber gerade bei der Laminatherstellung schreitet die technische Entwicklung rasend schnell voran, es sind permanent Modernisierungs-Investitionen nötig, um auf dem neuesten Stand zu sein. Ist Witex das?

Scholz: Ja. Wobei wir uns natürlich mit anderen, die sehr viel größer sind als wir wie Egger oder Krono, nicht vergleichen können und wollen. Wir haben unsere Kapazitäten nach der Insolvenz massiv heruntergefahren auf eine gesunde Basis, mit der wir gut leben und unsere Kunden zuverlässig bedienen können.

Unsere Stärke ist nicht die Menge; unsere Stärke ist die Nischenposition mit hochwertigen Produkten und exzellentem Service. Und wir wollen wieder mehr unsere Innovationskraft ins Blickfeld rücken. Wir arbeiten zur Zeit an mehreren interessanten Entwicklungen, zum Teil ganz neuen Produkten, die zwischenzeitlich auch patentrechtlich abgesichert sind.

BTH Heimtex: Welcher Art?

Scholz: Im September führen wir mit Witex Pur einen objektgeeigneten Polyurethanbelag auf HDF-Träger in den Markt ein und im Januar 2006 die Weltneuheit Ceraclic, ein mineralischer Bodenbelag mit HPL- und PUR-Oberflächen.Wir suchen damit wieder den Weg in den Objektbereich, in dem wir früher einmal schon sehr stark waren. Parallel dazu beschäftigen wir uns auch mit der Verlegetechnik. Da sind wir nämlich genauso spezialisiert und stark.

Wichtig ist grundsätzlich immer, sich an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren. Das vergessen viele. Wie kann man ihnen die Arbeit erleichtern? Wo liegen ihre Probleme? Dafür muss man Lösungen finden.

Herold: Laminat war jahrelang ein noch viel zu junges Produkt für den Objektbereich. Mittlerweile ist es ausgereift und wir haben mit unserem Produktportfolio ein interessantes Angebot für diese Klientel, das mit den Innovationen, die Herr Scholz initiiert hat, noch interessanter wird. Da macht es dann auch Sinn, die Objektabteilung auszubauen.

BTH Heimtex: Stichwort Produktportfolio. Witex unterhielt vor der Insolvenz ein Vollsortiment an Hartbelägen mit Laminat, Parkett, Kork, hat das dann strikt auf die Kernkompetenzen herunterfahren, und geht jetzt wieder den anderen Weg und diversifiziert. Sofern es sich um Produkte mit Alleinstellungscharakter handelt, kann ich das verstehen. Nicht nachvollziehen kann ich allerdings, dass Sie an Parkett festhalten, weil dieses Marktsegment inzwischen auch extrem unter Druck steht.

Scholz: Diese Entscheidung ist vor meiner Zeit gefallen, im Nachhinein hat sie sich aber als gar nicht so schlecht erwiesen. Denn: Wir dürfen nicht nur den deutschen Markt betrachten. Witex liefert weltweit und in einigen Ländern arbeiten wir mit Exklusivkunden zusammen, die auch Parkett brauchen und bei uns beziehen. Dort macht das absolut Sinn.

BTH Heimtex: Also ist es im Prinzip ein reines Exportthema....

Robert Staudte: Nicht nur. Wobei es mit Sicherheit nicht ein strategischer Artikel für uns ist, bei dem wir unsere Kernkompetenz sehen - aber es sichert uns Geschäft und Kundenzufriedenheit.

Scholz: Für mich ist der entscheidende Begriff Added Value. Wir haben ein Grundprogramm, unser Laminat, dafür sind wir bekannt, dafür steht die Marke Witex, dafür haben wir ein hervorragendes inner- und außerbetriebliches Service- und Logistiksystem geschaffen, bei dem uns nach meiner Meinung keiner das Wasser reichen kann.

Und Parkett ist ein Added Value sowohl für unsere Kunden, weil sie nicht noch woanders ordern und eine Logistikaufgabe lösen müssen, als auch für uns, weil wir ein Zusatzprodukt mit einem Zusatzertrag haben, das vielleicht auch sogar ab und zu als Türöffner wirkt.

BTH Heimtex: Sie müssen also auch nicht alle Produkte, die Sie vertreiben, selbst produzieren....

Scholz: Überhaupt nicht. Für uns steht immer der Kunde im Focus. Für ihn wollen wir Problemlösungen finden. Und dabei steht der Name Witex für Qualität bei Service und Produkt.

BTH Heimtex: Also in diesem Jahr stehen bei Ihnen klar diese ganzen neuen Produktentwicklungen auf der Agenda. Wie sehen Ihre mittelfristigen Pläne aus? Wo soll Witex in drei bis fünf Jahren stehen?

Scholz: Meine persönliche Wunschvorstellung ist, hier wieder Arbeitsplätze zu schaffen.

Dieses Unternehmen hat leider durch die Insolvenz viele Mitarbeiter verloren; gute Mitarbeiter, die nicht entlassen wurden, weil sie schlecht gearbeitet haben, sondern weil im Management grobe Fehlentscheidungen getroffen wurden. Für mich wäre es sehr befriedigend, wenn mit diesen neuen Produkten wieder neue Arbeitsplätze aufgebaut werden könnten. Natürlich ist die Hauptaufgabe zunächst, die existierenden abzusichern, Geld für das Unternehmen zu verdienen, damit es eine Perspektive hat und Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Und das Ziel ist dann, Witex so attraktiv zu machen, dass sich potenzielle Investoren darum reißen, uns zu kaufen...

BTH Heimtex: Noch ein paar Worte zum Vertrieb. Witex als Marke war immer fachhandelstreu. Der Baumarkt bzw. die Großfläche sind weiterhin kein Thema für Sie?

Scholz: Nein, da haben wir ja nichts zu gewinnen bei unserer Struktur und unserem Servicegedanken. Sicher könnten wir versuchen, dort Menge loszuschlagen, würden uns damit aber doch nur die teuer beworbene Marke Witex ruinieren. Also nochmal klar gesagt: Die Billigschiene macht für uns überhaupt keinen Sinn.

BTH Heimtex: Damit beschränken Sie sich bewusst auf ein kleines Marktsegment. Befürchten Sie nicht, dass Laminat langfristig zum reinen Baumarktprodukt vekommt?

Scholz: Die großen Mengen-Anbieter werden die Kleinen natürlich verdrängen und wer sich nicht rechtzeitig in eine Nische rettet, wird untergehen. Aber es gibt ja grundsätzlich zwei Strategien, den Markt anzugehen:

Die eine ist die Push-Strategie, bei der ein Unternehmen mit seiner ganzen Macht seine Produkte in den Markt drückt und den Wettbewerb verdrängt und die andere ist die Pull-Strategie, bei der ein Unternehmen die Kunden mit intelligenten Produkten und professionellem Service zum Kauf animiert - und zwar nicht nur die besagten intelligenten Produkte, sondern auch die Brot- und Butter-Artikel.

Und diese Strategie ist die einzige, die uns bleibt. Wir können uns nur behaupten, in dem wir innovativer, cleverer, fleißiger, schneller und besser sind als andere. Das ist unsere Chance.
aus BTH Heimtex 06/05 (Wirtschaft)