FHR Fachhandelsring GmbH

3 Fragen an Kurt Reichelt


BTH: Wie beurteilen Sie die Insolvenzen großer Handelsformationen in diesem Jahr? Sind Sie Ausdruck einer tiefgreifenden Strukturkrise oder waren die Probleme rein hausgemacht?

Kurt Reichelt: Ich glaube, dass es im Prinzip ein Marktbereinigungsprozess ist, der sich durch die Verlangsamung der Umschlagszahlen beschleunigt hat.

BTH: Dass könnte ja eine weitere Konzentration auf Kooperationsebene bedeuten. Fängt jetzt das Hauen und Stechen unter den Verbundgruppen an?

Reichelt: Das will ich so nicht sagen. Aber 2010 werden wir nur noch wenige starke Verbände im Einzel- und Großhandel haben.

BTH: Und wie wird es im Handel aussehen?

Reichelt: Wir werden in 10 Jahren amerikanische Margen haben, das heißt, Aufschläge weit unter 100%, nur noch zwischen 60 und 80 %. Überlebensfähig sind dann nur noch der kapitalstarke, preisorientierte Großanbieter einerseits und andererseits der gut ausgebildete Beratungsprofi in Innenarchitektur und Handwerk.

BTH: 2010 ist noch weit weg. Wie wird sich die Branche im nächsten und den darauffolgenden Jahren entwickeln? Ist die Talsohle endlich erreicht?

Reichelt: Kurzfristig ist mit keinem Aufschwung zu rechnen, denn die wirtschaftliche Erholung wird mit Sicherheit langsamer vonstatten gehen als mit einer anderen Regierung. Mittelfristig wird der Markt um 10 % wachsen, wodurch allerdings nicht die Verluste der letzten Jahre ausgeglichen werden können.

Teppichboden wird von der Mitte nach oben gewinnen. Dafür gibt es zwei Indikatoren: Zum einen eine zunehmende Bestellquote im oberen Segment, die aber nicht auf dem Angebot basiert, sondern auf entsprechender Nachfrage. Hinzu kommt ein neues Bewusstsein für Gebrauchseigenschaften und Design. Verstärkte Angebotsstrukturen im mittleren bis oberen Bereich stimulieren wiederum die Nachfrage.

Im Hochwertbereich findet eine Renaissance des Berbers statt, außerdem das Comeback von Beige und Braun als Ausdruck eines Sicherheitsbedürfnisses des Verbrauchers.

Der zweite Indikator ist das Bemühen des Handels, jeden Kunden als Chance zum Geldverdienen zu begreifen. Aber: Nur wenige Händler gehen an den Bedarf heran, anstatt auf ihn zu warten. Wer das versäumt, geht an den guten Geschäften vorbei. Und: Kundenbindung entsteht nie allein über den Preis, sondern über die emotionale Kompetenz. Rendite wird über Emotionen erzielt.
aus BTH Heimtex 11/02 (Wirtschaft)