Interview mit Marc Assa und Wolfgang Sosnowski von Tarkett Sommer
"CV ist unser Kerngeschäft"
Bei CV-Belägen ist Tarkett Sommer europaweit unangefochten die Nr. 1. Das klingt gut, reicht Vorstandschef Marc Assa aber nicht, zumal der Markt - bis auf Osteuropa - schrumpft und auch der Konzern angesichts der Wirtschaftsflaute Federn lassen musste. Er will verloren gegangene Marktanteile zurückgewinnen und weitere dazu - ohne sich auf den Preiskampf einzulassen. Vielmehr will Tarkett Sommer Wettbewerber durch Produktivität, Innovationen, aggressiveres Marketing und optimierte Serviceleistungen verdrängen. BTH-Chefredakteur Claudia Steinert sprach mit Marc Assa und Wolfgang Sosnowski, der die deutsche Vertriebsgesellschaft Handel führt, über Positionierung, Profilierung und Pläne.
BTH: Herr Assa, Ihre Zahlen im Bereich elastische Handelsbeläge, sprich CV, im ersten Halbjahr waren nicht gerade berauschend. Mit 116 Mio. EUR liegen Sie 10,5 % hinter dem Vorjahr zurück. Das kann Sie nicht zufrieden stellen. Haben Sie noch Lust am CV-Geschäft?
Marc Assa: Natürlich. CV-Beläge sind ganz klar unser Kerngeschäft. Wir sind fast überall in Europa die Nr. 1 am Markt, kommen insgesamt auf einen Marktanteil von 40,9 %, wenn er auch im letzten Jahr leicht zurückgegangen ist. In Osteuropa ist er nach dem Zusammengehen mit Sintelon sogar noch deutlich höher. Damit haben wir doch eine gute Position - und: wir verdienen noch, wir haben einen ordentlichen Gewinn.
BTH: Wie groß schätzen Sie denn den europäischen Markt?
Assa: Wir denken, dass Westeuropa 2001 bei 118 Mio. qm gelegen hat, in diesem Jahr werden es höchstens 115 Mio. qm werden, eher noch weniger. Dafür ist Osteuropa stark am Wachsen. Wir haben allein in Russland letztes Jahr 8 Mio. qm verkauft, dieses werden es voraussichtlich 12 Mio. qm, das ist immerhin eine Steigerung von 50 %.
BTH: Vor dem Joint-Venture mit Sintelon haben Sie Osteuropa aus Ihren westeuropäischen Werken versorgt, jetzt verfügen Sie über eine Produktion vor Ort. Das setzt Kapazitäten frei. Wo sollen die hin?
Assa: Die Auslastung unserer Werke hier in Westeuropa wird nicht durch das russische Werk in Frage gestellt, die wird in Frage gestellt, wenn der Markt in Westeuropa weiter schrumpft.
Deshalb haben wir Maßnahmen ergriffen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und den Wettbewerb zu verdrängen. Die Konkurrenz muss sich warm anziehen.
BTH: Verdrängen geht doch nur über den Preis...
Assa: Nein. Unser Gegenangriff wird nicht auf Preissenkungen beruhen. Wir haben den Preiskampf 2001 und auch in der ersten Hälfte 2002 nicht mitgemacht. Deshalb haben wir als Marktführer auch Marktanteile verloren. Wir werden uns aber speziell bei den Schlüsselkunden kein Volumen mehr wegnehmen lassen - im Gegenteil: wir sind überzeugt, dass wir allein durch unser Volumen konkurrenzfähiger sind als andere und das werden wir auch unter Beweis stellen. Wir waren Ende September diesen Jahres schon bei so viel Volumen wie im ganzen Vorjahr.
BTH: Wie?
Assa: Erstens durch Produktivität. Wir haben in Luxemburg die effizienteste CV-Linie, die es überhaupt gibt. Zweitens durch Innovationen. Wir haben bereits sehr viele innovative Produkte vorgestellt, weitere sind in der Pipeline und es werden noch mehr dazukommen. Auf der Domotex werden wir sie vorstellen. Und drittens durch ein neues Marketing-Merchandising-Konzept, dass aus drei Elementen besteht: Aggressiverem Marketing, einer klaren Markenstrategie mit eindeutiger Positionierung der beiden Marken Tarket und Sommer und einer noch stärkeren Kundenorientierung bei den Serviceleistungen, zum Beispiel Cut-Service für die moderne Distribution.
BTH: Geht Ihr Kampf um Marktanteile so weit, dass Sie auch Unternehmen dazukaufen würden?
Assa: Das brauchen wir doch gar nicht. Wir sind fast überall die Nr.1.
BTH: In England beispielsweise nicht. Dort sind Sie nur die Nr. 3.
Assa: Man muss ja nicht überall die Nr.1 sein. Außerdem haben wir das Problem der Überkapazitäten. Wir haben selbst genug, bräuchten doch keine dazu zu kaufen.
BTH: Erstaunlicherweise gibt es in Belgien jetzt ja jemanden, der in eine neue CV-Anlage investiert, obgleich der Markt völlig überbesetzt ist.
Assa: Das wird den Verdrängungswettbewerb noch weiter anheizen. Ich glaube aber, dass es mittelfristig auch in diesem Bereich eine Konzentration geben wird. Wobei wir keine Marktanteile dazukaufen werden, wie ich eben schon gesagt habe. Ich denke, dass vielmehr Wettbewerber aus dem CV-Geschäft aussteigen werden.
BTH: Herr Sosnowski, in Deutschland hat Tarkett Sommer bei CV klar an Boden verloren. Wie schlimm war es denn wirklich?
Wolfgang Sosnowski: Ohne konkrete Zahlen zu nennen, kann ich sagen, dass nach unseren Schätzungen unser Anteil am deutschen CV-Markt von 42,9 % im Jahr 2001 auf 39,6 % in diesem Jahr geschrumpft ist, wobei wir bei den modernen Vertriebsformen, bei denen wir Fachmärkte, Fachmarktketten, DIY-Märkte und Discounter zusammen fassen, über einen höheren Marktanteil verfügen als im traditionellen Handel, also Großhandel, Fachhhandel und Objekteuren.
Aber Sie müssen dabei auch berücksichtigen, dass der Markt kleiner geworden ist. Die Marktsituation in der Bodenbelagsbranche wird deutlich durch die schwache gesamtwirtschaftliche Lage beeinflusst. Besonders die negativen Rahmenbedingungen im Bau- und Baunebengewerbe haben zu entsprechenden Konsequenzen geführt. Dazu kommt noch die allgemein spürbare Kaufzurückhaltung der Konsumenten, die sich mittlerweile auch im Renovationsbereich erkennen lässt. Das hat sich natürlich auch auf den Handel unserer Branche ausgewirkt, unsere Kunden.
BTH: Wo haben Sie verloren, wo sich eventuell behaupten können?
Sosnowski: Verloren hat eindeutig der Großhandelssektor, nicht zuletzt im Zuge des zweijährigen Listungseffektes, und zwar in der erwarteten Größenordnung. Entgegen unserer ursprünglichen Annahmen hat leider der Fachmarktbereich überproportionale Verluste hinnehmen müssen. Bei DIY-Märkten und Discountern haben wir dagegen erfreuliche Umsatzzuwächse verzeichnen können.
Diese unternehmensspezifischen Ergebnisse entsprechen im übrigen auch unserer Einschätzung zur allgemeinen Trendentwicklung im deutschen Bodenbelagsmarkt.
Volumenbezogen gehen wir daher von folgenden Markt-nteilen aus: Großhandel ca. 29%, Fachhandel ca. 31% und DIY/Discounter ca. 40. %. Dabei entwickeln sich insbesondere die Discounter sehr dynamisch.
BTH: Ihr Vorstandsvorsitzender Marc Assa hat angekündigt, dass verloren gegangene Marktanteil mit Macht zurückerobert werden sollen. Wie setzen Sie das in Deutschland um - gerade jetzt, wo die Listungsrunde im Großhandel läuft? Preiszugeständnisse? Verlängerte Valuten? Höhere Werbekostenzuschüsse?
Sosnowski: Nein, unsere anspruchsvollen Ziele für 2003 werden wir keinesfalls über Valuta-Zusagen, Preiszugeständnisse oder sonstige Formen des "Einkaufens" umsetzen. Die Erfolgsparameter liegen zum einen in unseren innovativen Kollektionen, die mit einem Feuerwerk an Produktneuheiten aufwarten, und zum anderen in einer klaren, segmentorientierten und damit marktgerechten Vertriebspolitik, hinter der die organisatorische Kompetenzbündelung in unserem Hause steht.
Dabei bieten wir nicht nur spezielle, auf jeden Absatzkanal individuell zugeschnittene Kollektionen an, wie unsere Premiumsortimente Scenic und Ornamenta für den Groß- und Fachhandel, die modernen CV-Kollektionen Panorama und Trendy für die Ketten und den DIY-Bereich, sowie unsere White/White-Range, die wir über Baumärkte und vor allem die Discounter vertreiben, sondern wir stärken auch das Leistungsprinzip in unserer Vertriebspolitik. Das heißt, der Kunde, der sich im Rahmen der zu erwartenden Konzentrationsprozesse für uns entscheidet, erhält unsere volle Unterstützung.
Dies zeigt sich nicht zuletzt in einer neuen, kundenfreundlichen Preiskonzeption, die mit einer Erweiterung der Handelsspanne für unsere Kunden einhergeht. Außerdem werden wir künftig verstärkt von den Synergieeffekten aus unserer Position als einziger Vollsortimenter im CV/PVC-Bereich profitieren. Das wird im übrigen noch durch den Vorteil ergänzt, dass unsere Kunden auch Produkte wie Laminat, Fertigparkett oder textile Beläge von uns beziehen können.
BTH: Sie erwähnten Ihre "anspruchsvollen Ziele" für 2003. Wie sehen die aus?
Sosnowski: Wir wollen 2003 unsere Position als Marktführer im CV-Bereich weiter ausbauen und zielen dabei auf eine Absatzsteigerung von ca. 10%, erzielt durch die Marktverdrängung von Wettbewerbern.
BTH: Das ist ein ehrgeiziges Ziel angesichts des starken Wettbewerbs und eines heiß umkämpften Marktes - vor allem, wenn es ohne Preiszugeständnisse erreicht werden soll. Jetzt müssen Sie sich erstmal in den Großhandels-Listungen behaupten. Was ist dabei Ihr Ziel?
Sosnowski: Wir wollen unsere beiden Premium-Produktlinien Ornamenta und Scenic breit und erfolgreich bei den Marktführern des Großhandels positionieren.
BTH: Das will sicher jeder CV-Anbieter. Ich hätte es gerne noch konkreter.
Sosnowski: Unsere konkrete Zielsetzung ist, unseren zweiten Rang in diesem Absatzsegment zu festigen bzw. den Abstand zum Marktführer zu verringern.
Wir gehen übrigens davon aus - und finden diese Erwartung bei den momentanen Listungsgesprächen auch bereits bestätigt - dass neben der zunehmenden Lieferantenkonzentration vor allem eine allgemeine Reduzierung der Listungspositionen sowie eine Optimierung der Kollektionsauflagen zu beobachten ist.
BTH: Da wir gerade beim Großhandel sind: Auf der Großhandels-Tagung in Leipzig wurde mal wieder kurz das Thema dreijährige Laufzeiten angeschnitten. Passiert jetzt etwas in dieser Richtung?
Sosnowski: Die Listungsrunde 2003/2004 zeigt eindeutig, dass viele ökonomische Argumente für eine dreijährige Laufzeit der Großhandels-Kollektionen sprechen, zum Beispiel der höhere Return on investment. Der geringere Verbrauch von Mustermaterial und der Verzicht auf einen Kollektionsaustausch könnte nicht nur zu einer schnelleren Amortisierung der Kollektionskosten führen. Die gebündelte Manpower von Industrie und Handel würde weniger durch die umfangreichen Maßnahmen zum Kollektionsaustausch gebunden, sondern stünde mehr für die eigentlichen Service- und Beratungsleistungen zur Verfügung.
Aber ich glaube nicht, dass hier kurzfristig etwas passiert. Die uneinheitliche Vorgehensweise der jeweiligen Wettbewerber - gleichgültig ob auf Handels- oder Industrieseite - lässt eine zügige Änderung wenig wahrscheinlich erscheinen. Dieses Thema sollte aber aufgrund des anhaltenden Kostendrucks für künftige Listungen auf jeden Fall eine im Vorfeld abgestimmte Zielsetzung von Handel und Industrie sein.
BTH: Tarkett Sommer hat auch für CV-Beläge eine Innovations-Offensive eingeleitet, die bereits begonnen wurde und laut Marc Assa auch weitergeführt wird. Nimmt der Markt Innoationen tatsächlich an? Haben Sie davon messbar profitiert?
Sosnowski: Ja. Die Ergebnisse und Volumenzuwächse der letzten zwei Jahre lassen eine äußerst positive Beurteilung unserer Innovationen zu: Die Matt & Glossy - Oberflächeneffekte zum Beispiel sind nicht nur trendy, sondern haben das CV-Geschäft belebt und den Konsumenten gezeigt, dass CV zu Unrecht das Negativimage des billigen Plagiats anhaftet. Auch unsere Oberflächenvergütungen wie Tecnium Surface und Extreme Protection haben dazu beigetragen, die Premium-Qualitäten im CV-Segment deutlicher von den Standardprodukten zu differenzieren. Besonders erfolgreich war und ist die zusätzliche mechanische Prägung neben der chemischen Inhibierung der Produkte. Die optischen Effekte, die durch diese Technologie erzielt werden, sind richtungsweisende Verbesserungen, mit denen sich ein Trading-up erzielen lässt.
Wichtig ist nur, dass die Innovationen für den Endverbraucher und Kunden visualisierbar bleiben.
BTH: Welche Chancen sehen Sie für Kalanderbeläge?
Sosnowski: Die reinen Kalanderprodukte schätzen wir aufgrund ihrer teuren Preisstruktur für die Vertriebsschiene Handel als kein sehr ergiebiges Marktsegment ein. Diese Produkte sind eher für andere Kanäle und Kundenkreise in Richtung Objektvertrieb geeignet. Wir vermarkten unsere Kalanderbeläge Scenic Centor, Scenic Ultra, Ornamenta Supreme und Ornamenta Concerto sehr wohl auch im Semi-Objekt-Bereich wie Boutiquen, Alten- und Pflegeheime, etc.
BTH: Stichwort Semi-Objekt: Es gibt immer mehr CV-Beläge mit einem Deckstrich von 0,35 mm an aufwärts, mit denen Zusatzumsätze im Objekt generiert werden sollen. Ist das sinnvoll? Haben CV-Beläge gegenüber klassischen Objektbelägen überhaupt eine Chance?
Sosnowski: Schon. Nehmen Sie beispielsweise unsere objektgeeigneten Qualitäten Ornamenta Supreme, Ornamenta Concerto, Scenic Centor und Scenic Ultra. Bedingt durch ihre Breite von 4 m ergeben sich Vorteile im Nahtbereich, die für den Objekteinsatz interessant sind. Zudem sind sie durch ihre vielfältigen Dessinierungsmöglichkeiten für den Semi-Objektbereich interessant. Einsatzmöglichkeiten sehe ich vor allem im Ladenbau und bei Boutiquen, die hohe Ansprüche an die Optik stellen und gleichzeitig einen strapazierfähigen und pflegeleichten Belag wollen.
BTH: Trotz der Dessinvielfalt will der Konsument momentan ja offenbar nur Holz. Welche Dekore laufen bei Ihnen am besten?
Sosnowski: Wie Sie sagen - die deutschen Konsumenten bevorzugen eher konservative Dessins, schon Holzdekore in geprägter, glatter und gedämpfter Optik, danach Allover-Dessins in dezent moderner, konservativer oder auch antikisierter Ausrichtung. Eine besondere Produktkonjunktur mit steigendem Volumen stellen wir bei PVC-Inlaid-Qualitäten fest.
BTH: Und wo geht der Trend künftig hin?
Sosnowski: Wir glauben, dass in den nächsten Jahren alle Dessinierungen mit mediterranen Einflüssen, der Matt & Glossy-Look und weiterhin gedeckte Hölzer besonders gefragt sein werden. Der Trend geht dabei auch immer mehr zu ausgefalleneren Dessins wie Chips-Optiken oder Metallic- und Leder-Effekten.
BTH: Was ist nun neu, was ist besonders an Ihren neuen CV-Kollektionen?
Sosnowski: Unsere Kollektionen Ornamenta und Scenic 2003/2004 beweisen wie schon in den vergangenen Jahren, dass sich zukunftsweisende High Tech-Eigenschaften mit anspruchsvollem Design vereinbaren lassen.
Zur Domotex 2003 werden wir eine Fülle innovativer Produkte und neuer Dessins präsentieren. So ist es uns durch neu entwickelte mechanische und chemische Relief-Gravuren im Holzbereich gelungen, besonders matte Oberflächenstrukturen zu gestalten, die wie Original endgeölte Holzböden aussehen. Dann bringen wir breitere und längere Dielen-Optiken in Trendhölzern wie Ahorn und antikisierte Allover-Dessins.
Bei Fliesen kommen neue Prägetechniken, zum Beispiel im mediterranen Terracotta-Stil. Außerdem bauen wir die Matt & Glossy-Optiken aus. Die Produktrange bei Inlaid-Belägen mit eingestreuten Mikrochips wird erweitert. Neu und sehr modisch sind die schon erwähnten Metall- und Ledereffekte.
aus
BTH Heimtex 10/02
(Wirtschaft)